Brilon.

. (wi) Auf den Tag genau fünf Jahre ist es her, dass der Orkan „Kyrill“ über das Land fegte. Glück für Bürgermeister Franz Schrewe. Denn wäre das Unwetter einen Tag später gekommen, hätte es „Franz“ geheißen. Der Sturm leistete ganze Arbeit. Mehr als 1000 Hektar Stadtwald wurden in Brilon ein Raub des Orkans. Fünf Jahre danach sprach die WP mit dem Leiter des Briloner Forstbetriebes, Dr. Gerrit Bub.

WP: Über 1000 Hektar Wald auf einen Schlag platt. Wie viel ist davon eigentlich mittlerweile wieder aufgeforstet worden?

Dr. Gerrit Bub: Im Zeitraum 2008 bis 2011 waren es 880 Hektar. Dazu kommen etwa 200 Hektar Naturverjüngungsflächen. Das heißt: Dort hat sich die Natur selbst geholfen und Bäume ausgesät. Für 2012 sind weitere 38 Hektar Neuanpflanzungen geplant. Damit ist die Aufforstung und Aufarbeitung von Kyrill geschafft.

Frage: Inwieweit hat Kyrill die Forstwirtschaft und ihre Philosophie vom Waldbau verändert?

Dr. Bub: Es hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Das bedeutet, wir haben das Risiko breiter verteilt durch standortgerechte zukunftsfähige Mischbestockung. Dazu zählen nach wie vor Fichten, aber auch Lärchen und Douglasien. Was wir brauchen, ist ein zukunftsfähiger Dauermischwaldbestand. Unsere Anforderungen daran sind: standortgerecht, naturnah, vital, stabil, ökonomisch ertragreich, ökologisch gesund und vielfältig. Im Wandel des Klimas muss der Wald von Morgen weniger anfällig gegenüber Umweltfaktoren sein.

In Hochlagen wie am Hohen Eimberg haben wir zum Beispiel Sturmriegel eingebracht. Das heißt, in die Fichtenblöcke wurden sturmresistente Arten wie Alpenlärche, Schwarzwaldhöhenkiefer, Eberesche oder Nobilis gepflanzt und eingegattert.

Frage: Wildverbiss ist ein Problem bei der Wiederaufforstung, An wie viel Prozent der neu bepflanzten Bäume laben sich Wildtiere?

Dr. Bub: Das ist örtlich sehr unterschiedlich. Wir haben in einigen neuen Kulturen auf Kyrillflächen Verbissprozente von derzeit um die 30 Prozent.

Einige Baumarten sind an manchen Orten über 50 Prozent am Leittrieb verbissen. Um die zukunftsfähigen Mischwälder auch gedeihen zu lassen, müssen wir besonders beim weiblichen Wild stärker eingreifen.

Frage: Hat Kyrill zu mehr Artenvielfalt beigetragen. Oder anders gefragt: Setzt sich der Stadtwald heute völlig anders zusammen als sonst?

Dr. Bub: Inklusive des Briloner Bürgerwaldes haben wir über 30 Baum- und Straucharten auf die Flächen verbracht. Hauptbaumarten bleiben die Fichte ergänzt durch die Douglasie und die Lärche, die Buche und die Eiche sowie das Edellaubholz. Man muss immer schauen, was gesund ist und was gedeiht. Manchmal sind zwei, drei gesunde Ackergäule besser als ein empfindliches Rennpferd.

Frage: Stichwort Bürgerwald – da hat Kyrill ja durchaus neue Chancen aufgetan. Sind alle Flächen besetzt oder wird das Erfolgsmodell an anderer Stelle fortgeführt?

Dr. Bub: Nach unserem Bürgerwald in Petersborn ist im Jahr 2011 in Madfeld ein zweiter Standort hinzugekommen. Wir bemühen uns Schwerpunkte auszuweisen, damit sich Erholungswald und Tourismus sowie Jagd und wirtschaftliche Nutzung nicht ins Gehege kommen. Zum Thema Bürgerwald suchen wir nach weiteren Flächen. Über Sponsoring möchten wir die kostenintensive ökologische Aufwertung einiger Waldflächen zukünftig meistern. Hier tun sich neben der wirtschaftlichen Nutzung auch Möglichkeiten der ästhetischen Waldgestaltung auf.

Frage: Ist ein Naturereignis wie Kyrill nicht auch ein Stück Natur – will heißen: Sorgt so ein Orkan nicht auch dafür, manche Dinge ganz neu zu sehen und zu bewerten. Stichwort: Neue Aussichten, neue Ansichten?

Dr. Bub: Bei allem Schweren. Wir wollen Kyrill als Chance betrachten. Eine Chance zur Waldwende in Zeiten des Klimawandels. Ziel ist es, ökonomisch hochwertige Waldbestände aufzubauen, gerade weil sie ökologisch stabiler sind. Gegen eine Katastrophe wie Kyrill ist kein Kraut gewachsen. Sie ist letztlich auch ein Stück natürliche Selektion.

Frage: Ist der Stadtwald für Brilon noch das finanzielle Schatzkästchen für alle Fälle? Und was machen damals angestrebte Überlegungen einer Stiftung?

Dr. Bub: Dem Schatzkästchen müssen wir in den nächsten Jahrzehnten erst einmal wieder auf die Beine helfen. Alle weiteren Überlegungen bedürfen der Zeit. Ich möchte aber einfach mal die Gelegenheit nutzen, um unseren Politiker und meiner Mannschaft für all die Hilfe bei der Bewältigung von Kyrill zu danken.

Frage: Gehen wir alle nach Kyrill etwas sensibler mit dem Schatz Wald um?

Dr. Bub: Ich hoffe ja. Und nicht nur mit dem Wald, sonder mit der Schöpfung im Allgemeinen.