Madfeld..
Es gibt viele Möglichkeiten, um seinen Lieben zu Weihnachten eine Freude zu machen. So einfallsreiche Dinge wie Socken, Schlipse und Parfum-Zerstäuber finden sich vermutlich auch in knapp zwei Wochen wieder unter manchem Christbaum. Aber es geht auch individueller. Wie wär’s mal mit Fotos, statt Klamotten von der Stange? Sabrina Voss hatte in ihrem Madfelder Studio zum „Poledance“-Foto-Shooting eingeladen. Der Termin war ausgebucht, ausschließlich mit Damen.
Mal ehrlich: Bei Frauen, die an der Stange tanzen, denken viele gleich an Striptease und Rotlichtmilieu. Falsch gedacht. „Poledance“ (Stangentanz) ist knallharter Sport, der viel mit Kraft und Körperbeherrschung zu tun hat. Bei den olympischen Sommerspielen 2016 in Rio will der Internationale Verband der Stangentänzer sogar die Werbetrommel für diese Sportart rühren.
Doch von Rio sind die Damen aus dem HSK, aus Dortmund oder Herdecke weit entfernt. Über Facebook haben sie von dem ungewöhnlichen Foto-Shooting gehört. Für sich selbst, für ihr eigenes Selbstbewusstsein, einfach nur aus Spaß oder auch für den Freund zu Weihnachten lassen sie sich posierend an einer mobilen Metallstange ablichten.
„Ich wollte einer guten Freundin einen Poledance-Kursus schenken. Aber so etwas gibt es hier weit und breit nicht. Da erinnerte ich mich an meine Kundin Alessia Henoch aus Münster, die durch mich ans Modeln gekommen ist. Sie gibt solche Kurse in Fitness-Studios und war spontan bereit, für Fotoaufnahmen nach Madfeld zu kommen“, sagt Sabrina Voss. Die (noch) 31-Jährige hat Kommunikations- und Mediendesign an der Werbe-Akademie Marquard in Dortmund studiert. Sie arbeitete u.a. für Werbeagenturen in Frankfurt und im Sauerland und ist seit einem Jahr in Vollzeit selbständig. „Streng genommen ist das keine Arbeit, ich habe meine Leidenschaft zum Beruf gemacht und kann sogar davon leben“, sagt sie begeistert.
Einfach nur Gegenstände zu fotografieren – das war nie ihr Ding. Etwas Lebendiges musste es sein. Während des Studiums kaufte sie sich elf Meter schwarzen Stoff und zwei Baumarkt-Scheinwerfer. „Dann habe ich eine Mitstudentin gefragt, ob sie sich als Modell für Akt-Fotos zur Verfügung stellen würde. Und so kam die Sache mit dieser Art von Bildern ins Rollen.“ Aber auch „ganz normale“ Porträtaufnahmen sind bei „Sabrinity“ - so der Künstler- und Markenname – möglich. Dennoch hat es der Fotodesignerin die individuelle, künstlerische Darstellung des nackten oder halbnackten Körpers besonders angetan. Ihre Fotos sind keine pornografischen Aufnahmen, es sind ästhetisch schöne Bilder mit künstlerischem Anspruch, der von einem geschulten Blick fürs Kompositorische, fürs Ganze und fürs Detail zeugt. „Der behaarte dicke Bauch kann genauso schön sein wie ein Sixpack. Strahlende Augen lassen manche Speckrolle verblassen.“
Ob Tussi, Mannweib, Püppchen, Macho, tätowiert, rasiert oder glatt – von 18 bis 68 Jahren hat sie schon viele Menschen mehr oder weniger bekleidet vor der Linse gehabt. „Niemand ist mit seinem Körper wirklich zufrieden. Es gibt ihn auch nicht, den perfekten Body. Jeder Mensch hat etwas Besonderes. Das in den Vordergrund zu stellen, seine individuelle Ausstrahlung noch strahlender zu machen – das ist für mich immer wieder eine Herausforderung“, sagt Sabrina Voss.
Peggy Fekeler aus Marsberg wollte eigentlich nur eine gute Bekannte zum Poledance-Foto-Termin begleiten. „Aber dann war plötzlich eine Teilnehmerin ausgefallen und ich habe mich spontan entschlossen, doch selbst mitzumachen“, erzählt die 32-jährige Ergotherapeutin, die selbst Kurse im Bauchtanz gibt. „Es war eine sehr entspannte Atmosphäre, obwohl das ganz schön anstrengend ist und eine sehr sportliche Note hat.“ Auf der einen Seite sei man bemüht, an der Stange eine gute Figur abzugeben. Andererseits dürfe man aber auch nicht zu verkrampft gucken.
Für den besseren Halt an dem mobilen Metallstab, der auf einem Schachbrettboden montiert ist, gibt es eine Art Bienenwachs mit dem die Hände eingerieben werden. Und die Oberschenkel haben mehr Kontakt am kühlen Metall, wenn vorher Rasierschaum aufgetragen wurde. Fotografiert wird statisch. Das heißt, die Models müssen für einige Momente in der vorgegebene Pose verharren. „Ich dachte anfangs, wenn da vielleicht zehn, zwölf brauchbare Fotos von jedem herauskommen, dann ist das o.k.“, sagt die Fotodesignerin. Hinterher sind es aber doch bis zu 100 Bilder; eine Auswahl davon bekommt jede Teilnehmerin auf einer CD.
Einige blaue Flecken und einen gehörigen Muskelkalter hat Peggy Fekeler nach der Stangenaktion davon getragen. „Für mich war es einfach nur Spaß. Ich würde es wieder machen“, sagt sie. Die Damen rücken in der Regel mit zwei Reisetaschen an und haben ein großes Repertoire an Kleidung dabei. „Wir probieren aus, was passt. Wichtig: Schon bei der Anreise keine enge Kleidung tragen. Denn BH, enge Hose und auch Socken hinterlassen Druckstellen am Körper, die dem Foto bzw. dem Model nicht schmeicheln.
Im kommenden Jahr will Sabrina Voss erneut ein Poledance-Fotoshooting anbieten. Auch für Männer?
Ich grübele. Ob meine Frau wirklich Freude an mir als Stangentänzer hätte?