Altenbüren.

. „Und sie gebar ihren ersten Sohn, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.“ So ist im Lukasevangelium die Geburt Jesu beschrieben. Josef und Maria blitzten demnach an jeder Türe ab. Ausgebucht, keine Lust, Fremde aufzunehmen. Bequemlichkeit, Intoleranz, Ablehnung. Diese Gedanken haben die Messdiener in Altenbüren aufgenommen und daraus eine Aktion gestartet.

Etwas nervös nestelt Christopher Körner an seiner Mütze herum. Vor sich auf einer Treppenstufe hat er einen geflochtenen Wäschekorb abgestellt. Der ist aber nicht mit Hosen und Hemden gefüllt, sondern mit drei Holzfiguren. Eine rote Decke schützt sie vor Regen und Wind. Christophers Papa hat den elfjährigen Jungen heute hierher chauffiert. Eigentlich sollen immer mindestens zwei Altardiener die Tour durchs Dorf machen. Aber Christopher ist heute alleine und hat daher väterlichen Beistand, der sich jedoch bewusst im Hintergrund hält. Noch einmal räuspert sich der junge Messdiener, bevor er auf den Klingelknopf drückt. Nach einer Weile geht im Flur das Licht an. Ein Schatten taucht hinter der gläsernen Haustür auf. Dann wird geöffnet. „Schönen guten Abend. Wir sind… äh ich wollte fragen, ob Maria, Josef und der Esel heute Nach bei Dir bleiben können?!“

Im Korb verpackt

„Auf Herbergssuche“ – so könnte man die Idee umschreiben. Jeden Abend klopfen zwei, drei Messdiener an einer anderen Haustür im Dorf an. Sie haben die drei Krippenfiguren im Reisegepäck, die der Altenbürener Willi Scheuer in den 80-er Jahren kunstvoll geschnitzt hat und die eigentlich erst zum Heiligabend in die kirchliche Krippe einziehen. Höflich fragen die Kinder und Jugendlichen an, ob Maria, Josef und der Esel Quartier für eine Nacht bekommen können. Und sie machen eine Uhrzeit aus, wann das biblische Trio am nächsten Tag wieder abgeholt werden kann.

„Die Idee kommt aus Süddeutschland. Und ich habe in den vergangenen Tagen in einer Zeitung etwas über Toleranz, Offenheit und Gastfreundschaft gelesen, das mich sehr berührt hat. Dann kam mir der Gedanke: Das könnten wir doch einmal zu einer Aktion machen“, sagt Annette von Wendt. Sie betreut die rund 40 Altenbürener Messdiener im Alter von 9 bis 17 Jahren. Große Disziplin und Verlässlichkeit attestiert sie ihnen. Die stellen sie nun unter Beweis. Denn neben den drei Figuren „übernachtet“ auch ein „Herbergstagebuch“ in der jeweiligen Familie. Jeder soll wie in einem Logbuch einen kurzen Eintrag machen. „Wir haben uns gefreut, die Figuren für eine Nacht aufzunehmen“, lautet die erste Resonanz. Und in dem Tenor geht es bislang weiter.

Die Kinder singen keine Lieder an der Tür, sie sammeln kein Geld und keine Süßigkeiten. Sie gehen einfach nur von Haus zu Haus und suchen eine Herberge. „Manche wundern sich, dass es nur darum geht, die Figuren aufzunehmen. Aber es ist natürlich ein symbolischer Akt, der uns alle zum Nachdenken bringen soll“, sagt Annette von Wendt. Ein Messdiener habe gefragt, ob er Maria und Josef auch zu einer türkischen Familie bringen könne. Antwort: Warum nicht!

Bislang hat den Messdienern noch niemand die Tür vor der Nase zugeschlagen. Auch Christopher hat Glück. Er hat bei Schützenmajor Manfred Göke an der Haustür geklingelt. Und auch er verspricht spontan den Schlafgästen ein warmes Plätzchen im Wohnzimmer. „Etwas überrascht war er im ersten Moment ja schon, als ich geklingelt habe. Aber mir war klar, dass er mitmachen würde. Der ist nämlich nett“, sagt der Neunjährige.

Am Heiligabend wird die Krippe in der Altenbürener Kirche selbstverständlich komplett sein. Mit alle Akteuren, die dazu gehören.

Eine Steigerung dieser wunderschönen Herbergssuche wäre es, wenn wir alle zwei fremde Menschen aus Fleisch und Blut für eine Nacht aufnehmen müssten. Hand aufs Herz: Würden Sie mitmachen?