Brilon. . Vertreter aller 18 deutschen Umwelt-Jugendherbergen tauschen sich in Brilon aus / Mehr als nur ein günstiges Quartier
Sie kommen von der Nordsee, aus Bayern, Sachsen und Westfalen. Der sensible Umgang mit unserem Planeten liegt ihnen am Herzen. Den Gedanken der Nachhaltigkeit wollen sie an junge Menschen weitergeben. Um dafür immer wieder neue Ideen zu entwickeln, treffen sie sich einmal im Jahr zu einem Erfahrungsaustausch. Vertreter aller 18 deutschen Umwelt-Jugendherbergen tagen zurzeit in der Jugendherberge Brilon.
„Friedel, gib Gas!“ Acht Fahrräder stehen hochgebockt auf Ständern. An jedem Lenker ist ein kleiner „Stromzähler“ angebracht. Über die Hinterachse wird eine Art Dynamo bewegt. „Fahrradkino“ heißt dieses Projekt, das deutlich machen soll, wie viel Energie man braucht, um einen Fernseher mit Strom zu speisen. „Und heute Abend gucken wir uns so das Länderspiel Deutschland gegen Holland an“, meint ein Teilnehmer.
Hinter dem spielerischen Gedanken steckt Ernst. 536 Jugendherbergen gibt es bundesweit. Nur 18 von ihnen haben bisher die Anerkennung als Umwelt-Jugendherberge, ein Siegel, das es seit rund 20 Jahren gibt. Brilon war nach Bayern sofort mit an Bord. „Das Anforderungsprofil ist hoch. Mindestens zehn Prozent der Nahrung, die in einem solchen Haus auf den Tisch kommt, muss aus Bio-Anbau stammen. Außerdem gibt es Grenzwerte beim Energie- und Wasserverbrauch. Brilon ist da sehr vorbildlich und war die erste CO2-neutrale Jugendherberge überhaupt“, lobt Bernd Lampe das Engagement der Briloner Herbergseltern und ihres Teams. Lampe ist Referent für Umwelt und nachhaltige Entwicklung beim Hauptverband des Deutschen Jugendherbergswerks.
Prima Klima überall
Aber nicht nur der Umweltgedanke spielt beim derzeitigen „Forum für nachhaltige Entwicklung“ in Brilon eine Rolle. „Es geht hier auch darum, Ideen zu entwickeln, wie wir Sozialkompetenz und Teamfähigkeit vermitteln können. Wenn wir ein Programm ,Prima Klima“ nennen, dann wollen wir den Gästen nicht nur etwas über Solarenergie erzählen. Damit ist auch ein gutes Betriebsklima in der Schulklasse gemeint“, weiß Lampe. Dabei können ganz gezielte Programm-Bausteine helfen: Gemeinsam Lebensmittel fürs Essen einkaufen, gemeinsam kochen, den Tisch decken oder auch abends für Entspannung und Wohlfühlatmosphäre sorgen. Selbst Siebtklässler schätzen dann eine Igelmassage oder eine Gesichtsmaske mit Gurkenscheiben.
Die Zeiten, in denen Jugendherbergen ausschließlich günstige Übernachtungsquartiere waren, sind längst vorbei. „Ob wir mit Sonnenenergie kochen, den Waldboden untersuchen oder Papier schöpfen – wir sind für unsere Gäste Kurzzeitpädagogen, die eine langfristige Lunte legen wollen“, sagt Umweltpädagoge Friedel Schumacher. Erlebnisse, Anregungen und Ideen aus der Umwelt-Jugendherberge in den Schulalltag übertragen - das sei ein Hauptanliegen. „Gesunde Ernährung lässt sich doch prima in den Bio-Unterricht integrieren“, sagt Schumacher. Und erinnert an sein viel zitiertes Credo: „Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten können mit vielen kleinen Schritten die Welt verändern.“
Selbst Fachfrauen lernen nicht aus. Ein Workshop in Brilon befasste sich mit vegetarischer Ernährung: „Ich habe wertvolle Tipps bekommen, wie man zum Beispiel eine Soße mit veganer Sahne binden kann oder wie man mit einem kleinen Tütchen Sojamehl 100 Eier einsparen kann. Es gibt Menschen mit Lactose-Intoleranz. Das ist für uns in der Küche sehr wichtig. Auch darauf stellen wir uns ein“, sagt Herbergsmutter Dorothee Wenken.
Die Männer gucken unterdessen auf die Uhr. Noch wenige Stunden bis zum Länderspiel-Anpfiff. „Friedel, trampel schon mal ein paar Watt in die Batterie fürs Fahrradkino!“