Hochsauerlandkreis. Oft wird im Sauerland der Kampfhubschrauber „Tiger“ der Bundeswehr gesichtet. Die Anforderungen für Pilotinnen und Piloten sind hoch.
Sie gehören inzwischen zum täglichen Bild. Vor allem den Raum Medebach und weitere Teile des Hochsauerlandes haben sich die Kampfhubschrauber vom Typ „Tiger“ aus Fritzlar als Übungsgelände ausgesucht. Momentan fliegen sie wieder. Hauptmann Michael Meysing ist Presseoffizier und erklärt, warum das Gelände so geeignet ist und warum Nachwuchs im Cockpit gesucht wird.
Seit wann gibt es das Kampfhubschrauberregiment und wie stark ist es - personell betrachtet und von der Hubschrauberflotte aus gesehen?
Das Kampfhubschrauberregiment 36 wurde am 2. Oktober 1979 aufgestellt. Und es hat eine personelle Stärke von circa 1300 Soldaten, die in sieben Staffeln aufgeteilt sind, und aus den Stabsabteilungen. Die Hubschrauberflotte besteht aus 51 Kampfhubschraubern „Tiger“, die jedoch nicht alle am Standort Fritzlar sind.
Gibt es mehrere solcher Regimenter oder hat Ihre Abteilung ein Alleinstellungsmerkmal?
Unser Kampfhubschrauberregiment 36 ist das einzige Regiment, das mit dem Kampfhubschrauber „Tiger“ ausgestattet ist. Somit haben wir ein klares Alleinstellungsmerkmal.
Die Sauerländer kennen die Hubschrauber mit der markanten Silhouette von Übungsflügen. Wo kommt Ihr Regiment, wo kommen die Hubschrauber ansonsten zum Einsatz?
Der Hauptauftrag ist die Landes- und Bündnisverteidigung. Zusätzlich nehmen die Heeresflieger im Einsatz der verbundenen Kräfte an Friedensmissionen, an Rettungs- und Evakuierungseinsätzen, Einsätzen von Spezialkräften sowie an Einsätzen zur Hilfeleistung teil.
Nennen Sie doch bitte mal ein paar technische Details: Wieviele PS hat so eine Maschine, wie schwer ist sie, wie lang, wie viele Personen haben darin Platz? Mit welchen Waffen kann der Hubschrauber bestückt werden und ist er schon in einem echten Einsatz - beispielsweise in Afghanistan - eingesetzt worden?
Nachtflüge in der kommenden Woche
Zur Herstellung und Erhaltung der Einsatzbereitschaft der Piloten sowie zur Weiterbildung junger Kameraden, führt die Bundeswehr in der 13. Kalenderwoche (25. bis 30. März) Nachtflugübungen von montags bis donnerstags durch. Es wird Tiefflug mit Kampfhubschraubern stattfinden. Eine Gebietseinschränkung kann nur grob vorgenommen werden. Gennant werden die Gebiete Alsfeld, Marburg, Allendrof, Korbach, Warburg, Göttingen, Mühlhausen und Bad Hersfeld. Oft sind die Hubschrauber aber auch im HSK unterwegs. Teilweise ist Tiefflug unter 100 Fuß geplant. Dabei kann es möglicherweise zu einer erhöhten Lärmbelastung kommen. Die Piloten versuchen, das Übungsgebiet stetig zu wechseln. In der Presse-Info heißt es: „Wir fliegen/üben für Ihre Sicherheit und bitten um Verständnis. Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Lärmbeschwerden können an das Bürgertelefon unter 0800 8620730 gerichtet werden.“
So ein Kampfhubschrauber besitzt zwei Triebwerke mit jeweils 1.187 PS Motorleistung. Er bringt ein maximales Gewicht von 6,1 Tonnen auf die Waage und hat eine Reichweite von 725 Kilometern. Damit kann er etwa zweieinhalb Stunden in der Luft bleiben. Es kann auch noch ein Zusatztank befestigt werden. Der „Tiger“ schafft eine maximale Flughöhe von rund 4.000 Metern, ist bis zu 268 km/h schnell und an Bord befinden sich zwei Personen - beide sind ausgebildete Tiger-Piloten. Was die Waffensysteme anbelangt: Schweres Maschinengewehr M3P, ungelenkte 70-Millimeter-Raketen pro Startbehälter, 19 Raketen für weiche Ziele und leicht gepanzerte Fahrzeuge auf bis zu 6 Kilometer, Panzerabwehrrakete PARS 3 LR der dritten Generation, mit denen Panzer und andere gepanzerte Fahrzeuge in bis zu sieben Kilometer Entfernung bekämpft werden können und Luft-Luft Raketen zur Bekämpfung von gegnerischen Flugzeugen und Hubschrauber in bis zu sechs Kilometer Entfernung. Außerdem Lenkflugkörper, mit denen er Panzer und andere gepanzerte Fahrzeuge in bis zu 4 Kilometer Entfernung bekämpfen kann. Ja, die Tiger waren auch schon in echten Einsätzen u.a. von Januar 2013 bis Juni 2014 beim ISAF-Einsatz in Afghanistan oder von Mai 2017 bis Juni 2018 beim UN-Einsatz in Mali.
Was kostet so ein Fluggerät eigentlich und wieviel Treibstoff braucht es?
Die Beschaffung von Hubschraubern ist ein Komplett-Paket, da beträgt der Preis pro Hubschrauber circa 45 Millionen, jedoch ist dies nicht der Preis alleine für einen Hubschrauber, sondern für alle Geräte, die zum Betrieb notwendig sind wie zum Beispiel Werkzeuge zur Wartung etc. Der Verbrauch ist auch eine Circa-Angabe und beträgt pro Flugminute neun Liter.
Beobachtet man den Hubschrauber in unserer Region, so hat man das Gefühl, dass häufig Bodenberührungen geprobt werden? Ist das korrekt? Und wo werden Schießübungen mit dem „Tiger“ gemacht?
Unsere Piloten werden speziell dafür ausgebildet, alle taktischen Manöver auch auf einer geringen Flughöhe durchführen zu können. Außerdem gehört zur Ausbildung und zum Training auch eine Autorotation. Die Autorotation ist das Simulieren und Trainieren eines Triebwerkausfalles, um die Piloten dafür vorzubereiten, eine Landung mit dem Hubschrauber unter erschwerten Bedingungen durchzuführen. Die Triebwerke bleiben dabei aber permanent an. Es wird lediglich trainiert, den Hubschrauber im richtigen Anstellwinkel mit den Rotorblättern zu stellen, so dass der Rotor wie eine Windmühle die von unten kommenden Strömungen der Fallbewegungen nutzt, um eine Landung ohne Motor zu ermöglichen. Schießübungen finden auf dem Truppenübungsplatz Bergen und auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz statt.
Müssen alle Piloten/Pilotinnen, die den Kampfhubschrauber fliegen (lernen), vorher eine Pilotenausbildung in einem „normalen“ Helikopter gemacht haben? Wo findet die Ausbildung statt und gibt es auch Simulatoren?
Die Ausbildung wird am Anfang auf einer EC 135 (Anmerkung der Redaktion: Das ist ein leichter, zweimotoriger Mehrzweckhubschrauber von Airbus) gemacht am Internationalen Hubschrauberausbildungszentrum in Bückeburg. Dort sind mehrere Simulatoren ebenfalls vorhanden. Auch wir am Standort Fritzlar haben eigene „Tiger“-Simulatoren, in denen man noch spezielle Notverfahren testen kann ohne Gefahren.
Gibt es eigentlich genug Bewerber/innen, die sich auf den Einsatz mit dem „Tiger“ spezialisieren wollen?
Der Bedarf an Pilotinnen und Piloten ist hoch, es gibt Bewerber/innen die sich dem Testverfahren stellen. Dieses Testverfahren ist natürlich sehr anspruchsvoll, wie man sich vorstellen kann bei so einem speziellen Beruf. Dies sollte jedoch niemals junge Frauen und Männer davon abhalten, wenigstens zu versuchen, ihren Traum zu erfüllen. Grundsätzlich müssen die Bewerber das 17. Lebensjahr erreicht haben und über die Mittlere Reife verfügen und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Sollte es am Ende nicht reichen, dann gibt es auch genug andere Dienstposten in der Bundeswehr, die ein persönliches Interesse an Hubschraubern im Job erfüllen können.
Warum ist gerade die Gegend im Hochsauerland für die Piloten ein so interessantes Übungs-Terrain?
Es gibt bestimmte Hubschrauberflug-Koordinierungsgebiete (HFCA), zu diesem gehört im räumlichen Zusammenhang zu Fritzlar auch die Region Hochsauerland. In diesen speziellen Gebieten darf das Militär permanent in einer Flughöhe von bis zu 100 Fuß, also 30,48 Meter, üben und bei Sondervorhaben auch unter 100 Fuß bis zur direkten Bodennähe. Da die Piloten alle möglichen Gebiete Deutschlands auch in der Landes- und Bündnisverteidigung kennen sollten, wechseln die Piloten ständig diese Gebiete, um auch keine Routine einkehren zu lassen und die Konzentration zu fordern und zu fördern.
Gibt es häufig Beschwerden über Lärm oder Meldungen über schreckhafte Menschen bzw. Tiere, wenn die Hubschrauber Tiefflüge proben?
Grundsätzliche nimmt die Bundeswehr jede Meldung und Wahrnehmung ernst und versucht auf diese einzugehen. Es ist wichtig, dass ein Verständnis, eine Harmonie zwischen Bevölkerung und Bundeswehr entstehen kann. Wir versuchen, jede Belastung so gering wie möglich zu halten, aber wir müssen auch unsere Piloten einsatzbereit ausbilden. Die Meldungen und Beschwerden in Fritzlar sind aber im letzten Jahr sehr wenige gewesen und wurden alle geprüft. Deswegen erwähnen wir ja auch immer: Wir fliegen/üben für Ihre Sicherheit und bitten um Verständnis. Und das wird auch so von der Bevölkerung gut wahrgenommen und harmoniert immer besser.
Wie ist Ihre Einschätzung: Ist in der Bevölkerung – angesichts der aktuellen weltpolitischen Sicherheitslage - das Verständnis für militärische Übungsflüge gewachsen?
Meine persönliche Wahrnehmung ist so, dass die Bevölkerung Verständnis dafür aufbringt, dass wir Übungsflüge durchführen müssen und die Piloten Ausbildungsflugzeiten brauchen. Im Raum Fritzlar haben viele Menschen ein gutes Fingerspitzengefühl und Verständnis und wir harmonieren hier wirklich sehr gut, es herrscht eine positive Grundstimmung untereinander.
Wie sicher sind die Kampfhubschrauber – für Piloten oder auch für die Bevölkerung bei Übungsflügen? Hat es Unfälle gegeben?
Bei der Bundeswehr steht die Sicherheit unserer Piloten und auch der Bevölkerung immer an erster Stelle. Wir haben eine sehr hohe Wartungsanforderung und Überwachung unserer Hubschrauber. Daher würde ich persönlich sagen, dass diese Hubschrauber sehr sicher sind - gemessen an der Flugzeit der Hubschrauber. Jedoch gab es trotz der vielen Flugstunden leider auch Flugunfälle: Am 4. März 2013 stürzte ein Kampfhubschrauber „Tiger“ am Scheinberg bei Linderhof ab, als er beim Landeanflug in eine räumliche Desorientierung geriet und es zu einer Berührung der Bäume kam. Am 26. Juli 2017 stürzte ein Kampfhubschrauber nordöstlich von Gao im UN-Einsatz MINUSMA in Mali ab. Am 8. November 2023 stürzte ein Tiger circa 80 Kilometer nordwestlich vom Militärstandort Le Luc (Frankreich) bei einem Ausbildungsflug ab, als die Maschine in eine Hochspannungsleitung geraten war.
Wie lange wird der Typ Tiger noch im Einsatz sein? Was kommt danach?
Der Tiger wird Schrittweise aus der operativen Nutzung genommen bis einschließlich 2032 um dann die Aufnahme und Betrieb der Brückenlösung Airbus-Helikopter H145M als Leichter Kampfhubschrauber sicher zu stellen.
So einen Hubschrauber zu fliegen, bedeutet auch eine große Verantwortung? Spiegelt sich die auch im Verdienst wider?
Die Soldaten bekommen Ihre Besoldung die zum erreichten Dienstgrad festgelegt ist, plus eine Stellenzulage und eine Erschwerniszulage die durch den fliegerischen Dienst resultiert.