Hochsauerlandkreis. Der Polizeigewerkschafter Sven Brandes erklärt, wann Polizisten ihre Dienstwaffe einsetzen dürfen und welche Gefahr von Messertätern ausgeht.

Im vergangenen Jahr musste, laut der Kreispolizeibehörde des Hochsauerlandkreises, kein einziges Mal die Waffe bei Polizeieinsätzen gezückt werden. Lediglich gegen verunglückte Tiere schossen Beamte mit ihrer Dienstpistole. Laut dem NRW-Innenministerium setzten Polizeibeamte in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr (2022) bis einschließlich November 2092-mal ihre Dienstwaffe ein. Dabei wurden zwei Menschen getötet. Im WP-Gespräch berichtet der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GDP)-Kreisgruppe Hochsauerlandkreis, wann Beamte eine Waffe einsetzen dürfen und wie belastend der Einsatz der Schusswaffe auch für die Beamten selbst ist.

Besonders der Fall des durch Polizeischüsse getöteten Flüchtlings in Dortmund beschäftigen Justiz und Öffentlichkeit. Doch auch bei anderen Fällen gibt es von unterschiedlichen Seiten den Vorwurf, dass Polizisten oft unverhältnismäßig zur Waffe greifen. Was entgegnen Sie darauf?

Sven Brandes: Mit dem Vorwurf sieht sich die Polizei immer wieder konfrontiert. Jeder Schusswaffengebrauch gegen Personen wird rechtlich durch die Staatsanwaltschaften überprüft und bis auf wenige Ausnahmen kommen die Gerichte regelmäßig zu der Auffassung, dass die Kollegen rechtmäßig zur Waffe gegriffen haben. Auch innerhalb der Polizei übernehmen aus Neutralitätsgründen grundsätzlich anderen Behörden die Ermittlungen in diesen Fällen.

Gibt es aus Ihrer Sicht eine verzerrte Vorstellung der Bevölkerung bezüglich des Einsatzes der Waffe? So heißt es ja schon mal: „Warum hat der nicht auf das Bein geschossen“?

Ja, das kann ich so unterstreichen. Ein Schusswaffengebrauch verläuft nicht wie im Film, wo der Getroffene umfällt und handlungsunfähig ist. Vielmehr agieren auch schwer verletzte Personen oftmals noch weiter. Und das nicht nur bei Verletzungen durch eine Schusswaffe. Eine am Bein getroffene Person ist daher durchaus noch in der Lage, weitere Handlungen zum Nachteil anderer fortzuführen. Darüber hinaus ist es bei einer Person, die sich bewegt, schwierig, auf Beine oder Arme zu zielen und zu treffen. Nicht zu vergessen ist auch, dass ein Beintreffer, zum Beispiel im Oberschenkel, ebenfalls zu schwersten bis tödlichen Verletzungen führen kann. Unterschätzt wird in der Bevölkerung in diesem Zusammenhang die Gefährlichkeit von Messertätern. Diese Angriffe sind regelmäßig lebensbedrohlich.

Das wird bei der Diskussion oft vergessen

Fühlen sich ihre Mitglieder durch Schulungen und Ausbildung gut auf einen Einsatz mit Schusswaffen vorbereitet?

Unsere Kolleginnen und Kollegen werden mehrmals jährlich im Umgang mit der Schusswaffe durch örtliche Fortbildungstrainer professionell geschult. Neben dem Schießtraining, wo die Handlungs- und Treffsicherheit mit und ohne Stress trainiert wird, gibt es auch regelmäßig Rollenspiele, bei denen die Wahl des geeigneten und vor allem verhältnismäßigen Einsatzmittels trainiert wird.

Haben Sie selbst schon einmal die Waffe ziehen müssen?

Es gab Einsätze, in denen auch ich zur Waffe greifen musste. Von der Schusswaffe Gebrauch machen, musste ich jedoch noch nicht. Was in der öffentlichen Diskussion oft vergessen wird, ist die Tatsache, dass ein Schusswaffengebrauch für meine Kolleginnen und Kollegen sehr belastend ist, unabhängig davon, ob der Schusswaffengebrauch letztlich gerechtfertigt war.

Positive Erfahrungen mit dem Taser

Ist der Taser eine gute Alternative?

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßt die Einführung des Tasers als zusätzliches Einsatzmittel für die Kolleginnen und Kollegen. Die gemachten Erfahrungen sind überwiegend positiv. Der Taser wurde aber erst in 18 der 47 Kreispolizeibehörden in NRW eingeführt und die Kreispolizeibehörde des Hochsauerlandkreises gehört aktuell nicht dazu. Daher haben wir hier vor Ort noch keine Erfahrungswerte. Über eine flächendeckende Einführung entscheidet die Landesregierung Ende 2024 nach vereinbarter Evaluierung.

Wann sollte man den Taser anwenden und wann die Dienstwaffe?

Das kann man pauschal nicht sagen, es kommt immer auf den Einzelfall an. Es gibt Einsatzsituationen, in denen der Taser, das Pfefferspray oder der Einsatzmehrzweckstock ein geeignetes Mittel sein können, es gibt aber auch Einsatzsituationen, wo die Dienstwaffe das einzig geeignete Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben ist. Bei der Wahl des Einsatzmittels müssen meine Kolleginnen und Kollegen immer den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten.