Der Medebacher Pfarer Uwe Steinmann fordert kostenlosen WC-Zugang für alle Bürger. Doch nicht überall trifft er damit auf Zustimmung.

Medebach/Winterberg. Jeder kennt es: Wer in der Stadt unterwegs ist und eine Toilette benötigt, muss erst einmal Ausschau halten. Egal ob an Bahnhöfen, Raststätten oder sonstigen öffentlichen Plätzen – am Eingang der Toiletten warten dann häufig eine Sicherheitsschranke und ein Zahlautomat auf die Nutzer. Wer kein Kleingeld parat hat, dem bleibt der Zutritt zu den Sanitäranlagen verwehrt.

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Pfarrer Uwe Steinmann, Medebach, fordert kostenlose öffentliche WCs.
Pfarrer Uwe Steinmann, Medebach, fordert kostenlose öffentliche WCs. © WP | WP

Die Not mit der Notdurft

Genau das kritisiert Pfarrer Uwe Steinmann und fordert kostenlosen Zugang für die Bürger. Doch nicht jeder stimmt seinen Vorwürfen zu. Wir zeigen, wie die Situation rund um öffentliche Toiletten in Medebach und Winterberg aussieht. Die Not mit der Notdurft beschäftigt Pfarrer Steinmann bereits seit vielen Jahren: „Mich stört, ja empört regelrecht, dass ein wesentliches Grundrecht - oder sollte ich sagen: Grundbedürfnis? - in unserer Gesellschaft nicht nur missachtet, sondern schamlos ausgenutzt wird“, erklärt er gegenüber der Westfalenpost. Barrierefrei zur Toilette zu gehen, sei in Deutschland fast unmöglich, stattdessen müsse man überall die Kosten tragen und in Urlaubsorten hätten nur Kunden Zugang zu Restaurant-Toiletten.

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Forderung nach freiem Zugang

„Ältere Menschen oder solche mit gesundheitlichen Problemen an Blase oder Niere werden dadurch häufig in menschenunwürdige Situationen gebracht und eindeutig diskriminiert“, so Steinmann. Der Pfarrer beobachtete mehrfach, wie Senioren nicht schnell genug Kleingeld zur Hand hatten und daher in die Bredouille gerieten. Im Nachgang beschreibt er diese Situationen als beschämend und entwürdigend. „Ich frage mich, ob diese Art Geldmacherei mit der Notdurft von Menschen überhaupt grundgesetzkonform ist: ‘Die Würde des Menschen ist unantastbar‘ heißt es dort.“ Uwe Steinmann zieht zum Vergleich Kanada heran, wo er im Urlaub gegensätzliche Erfahrungen gemacht hat und sich wertgeschätzt fühlt. Dort konnte er öffentliche Toiletten ohne Bezahlung nutzen – auch in Supermärkten und auf Parkplätzen. „Das Problem besteht nicht darin, dass für bestimmte Dienstleistungen ein Entgelt verlangt wird. Warum nicht auf Freiwilligkeit nach dem Toilettengang, so wie es früher jahrzehntelang üblich war?“, kritisiert der Pfarrer.

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Ulrich Isken, Vorsitzender der Senioren Union Medebach, kann sich Pfarrer Steinmanns Vorwürfe rund um öffentliche Toiletten nicht erklären. Darüber diskutierte er mit anderen Senioren.
Ulrich Isken, Vorsitzender der Senioren Union Medebach, kann sich Pfarrer Steinmanns Vorwürfe rund um öffentliche Toiletten nicht erklären. Darüber diskutierte er mit anderen Senioren. © Ulrich Isken | Ulrich Isken

Das sagt die Senioren Union Medebach

Ulrich Isken, Vorsitzender der Senioren Union Medebach, bespricht Pfarrer Steinmanns Kritik rund um die fehlenden öffentlichen Toiletten in einer Versammlung mit anderen Senioren und holt sich deren Einschätzungen ein. „Ich habe in unserer Versammlung anonyme Einzelabfragen gestartet und wir haben gemeinsam über dieses Thema diskutiert. Von 21 Teilnehmern hat jeder gute Erfahrungen in Medebach und im ländlichen Raum gemacht – niemand konnte die Vorwürfe um fehlende Toiletten bestätigen“, erklärt er. Sie nennen hingegen die öffentliche Toilette am Medebacher Marktplatz als Positivbeispiel.“

Auch mit Autobahn-Toiletten sei alles in Ordnung und die Eintrittszahlung empfinden die Mitglieder der Senioren Union als gerechtfertigt, da sie großen Wert auf gepflegte und gereinigte Sanitäranlagen legen. „Pfarrer Steinmanns Aussagen sind bei uns ehrlich gesagt auf Verwunderung gestoßen. Wir waren ganz erstaunt, was er für Ansichten hat und haben vorher noch nie von diesem Problem gehört“, sagt Ulrich Isken. Der Senioren Union Medebach sei hingegen unklar, wie Uwe Steinmann darauf kommt. „Ich halte seine Vorwürfe eher für übertrieben und dazu stehe ich auch“, so der Vorsitzende.

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In Winterberg gibt es die „Nette Toilette“

Der Seniorenbeirat der Stadt Winterberg hat sich schon mehrfach mit der Situation der öffentlichen Toiletten beschäftigt und empfindet den kostenlosen Zugang als genau so wichtig wie Pfarrer Steinmann. „Das Konzept ‘Nette Toilette‘ gibt es in Winterberg schon seit 2013“, erklärt Walter Hoffmann, Vorsitzender des Seniorenbeirats. Mittlerweile seien 19 Einzelhandels-, Dienstleistungs- und Gastronomiebetriebe mit von der Partie. „Hinzu kommen neben dem immer zugänglichen WC-Häuschen am Busbahnhof die öffentlichen Toiletten im Bürgerbahnhof, in der Tourist-Info sowie im Rathaus“, so Rabea Kappen, Pressesprecherin der Stadt.

Zu erkennen sind die teilnehmenden Betriebe einer öffentlichen Toilette anhand einer entsprechenden Kennzeichnung im Eingangsbereich: „Dieses Schild garantiert die Nutzung einer kostenlosen und sauberen Toilette zu den regulären Öffnungszeiten des jeweiligen Betriebes. Wurde das Projekt anfangs sogar finanziell öffentlich gefördert, trägt mittlerweile die Winterberg Touristik und Wirtschaft die Kosten“, so die Pressesprecherin. Neben der netten Toilette arbeiten die Stadt Winterberg und der Seniorenbeirat weiter an der Aufenthaltsqualität der Innenstadt: Sie planen die Installation von einem öffentlichen Wasserspender auf dem Markplatz, für den sie bereits Fördermittel beantragt haben.