Korbach/Hochsauerland. In Korbach schließt eine Kinderarztpraxis. Viele Eltern sind verzweifelt. Auch für Sauerländer Eltern aus dem Grenzgebiet ist das nicht gut.

Viele Eltern sind verunsichert: Wenn in zwei Wochen eine der beiden Kinderarzt-Praxen in Korbach schließt, wissen sie nicht, wohin mit dem kranken Nachwuchs. Die Auswahl in der Region ist nicht groß, viele Praxen nehmen keine neuen Patienten mehr auf. Der Landkreis Waldeck-Frankenberg und die Kassenärztliche Vereinigung Hessen arbeiten unterdessen an einer Übergangslösung. Auch aus dem angrenzenden Hochsauerlandkreis fahren viele Eltern aus dem Raum Medebach zum Kinderarztbesuch über die Landesgrenze.

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Kinderarztpraxis in der Briloner Landstraße schließt

Zum 23. August schließt die dem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) angegliederte Praxis für Kinder- und Jugendmedizin in der Briloner Landstraße. Die bisherige Ärztin Antoaneta Koleva will sich beruflich verändern, einen Nachfolger gibt es bislang nicht. Der Erste Kreisbeigeordnete und Gesundheitsdezernent des Landkreises, Karl-Friedrich Frese, und der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen Frank Dastych (Bad Arolsen) haben eine Übergangslösung angekündigt. Angedacht ist demnach eine Sonderregelung, nach der die Kassenärztliche Vereinigung im Rahmen ihres Versorgungsauftrages den freien ärztlichen Sitz schnellstmöglich nachbesetzt – wenn auch nur vorübergehend, bis sich eine neue Kinderarztpraxis fest dort niedergelassen hat. „Langfristiges Ziel ist selbstverständlich die Etablierung einer zweiten dauerhaft ansässigen Kinderarztpraxis in Korbach“, betonte Frese. Wie die Übergangslösung konkret aussehen kann, ist noch offen, Landkreis und KV arbeiten eigenen Aussagen nach daran „unter Hochdruck“.Schnelle Hilfe kommt in Korbach auch von anderer Seite: Die hausärztliche Gemeinschaftspraxis Fritzsche-Cyrus in Korbach hat angeboten, auch Kinder ab zwei Jahren aufzunehmen. Mittelfristig sollen für sie auch die sogenannten U-Untersuchungen angeboten werden.

Versorgungslage fast überall prekär

Die Versorgung mit Kinderärzten ist bundesweit in vielen Gebieten prekär. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte sieht dringenden Handlungsbedarf: Der Nachwuchs fehlt – zu hoch die bürokratischen Hürden, das unternehmerische Risiko, die Arbeitsbelastung. Auch Frankenberg könnte das Problem bald treffen: Dort sucht Kinderarzt Dr. Erich Enders seit mehreren Jahren einen Nachfolger – bislang vergeblich.

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Bei Kinderärzten weist der Landkreis Waldeck-Frankenberg mit insgesamt elf Ärzten und sieben Praxen laut Kassenärztlicher Vereinigung aktuell noch einen Versorgungsgrad von 110,7 Prozent auf. In Korbach gibt es neben der am 23. August schließenden Praxis im MVZ die Praxis Bökemeier, in Bad Wildungen die Praxis Bauer und das MVZ Reinhardshöhe, in Frankenberg die Praxen Hallmann und Enders, in Bad Arolsen die Praxis Grünler, Tewes und Wilke.

Auswirkungen auch auf andere Praxen

Wenn es in Korbach bald nur noch eine Kinderarztpraxis gibt, hat das auch Auswirkungen auf die verbleibenden Kinder- und Jugendärztinnen. In der Praxis von Dr. Meike Bökemeier stehen verunsicherte Eltern Schlange, die bisher mit ihren Kindern die Kinderärztin im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) besucht haben. Die Schließung der Kinderarztpraxis in der Briloner Landstraße wird im Wartezimmer von Dr. Meike Bökemeier heiß diskutiert: „Das ist unter den Eltern Gesprächsthema Nummer Eins“, sagt die Korbacherin Vanessa Seiler. „Man gibt sich gegenseitig Tipps, in welcher Praxis man noch nachfragen könnte. Eine Bekannte geht jetzt nach Medebach.“

„Viele sind wirklich verzweifelt und ich kann das verstehen. Für die Vorsorgeuntersuchungen müssen sie zum Kinderarzt“, sagt Bökemeier. Mit 6000 bis 7000 Patienten pro Quartal ist ihre Praxis allerdings bereits ausgelastet.

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Mit einem Versorgungsgrad von mehr als 110 Prozent gilt der Landkreis im Bereich Kinder- und Jugendärzte als überversorgt. Bökemeier hält die Bedarfsplanung aber für überholt – aus mehreren Gründen: Zum einen müssten Kinderärzte wegen der zahlreichen Pflichtvorsorgeuntersuchungen häufiger in Anspruch genommen werden, und auch Gespräche zu Konzentrations- und Verhaltensproblemen seien häufiger geworden. Zum anderen beziehe sich die Berechnung auf die Gesamtbevölkerung im Kreis und nicht nur auf die Zahl der Kinder. Schließlich sei der Landkreis auch ein touristischer Schwerpunkt: „Zu mir in die Praxis kommen regelmäßig Touristen aus dem Upland mit ihren Kindern.“ Der Ärztemangel verschärfe das Problem: Für viele Kinderarzt-Praxen sei kein Nachfolger in Sicht, sagt Bökemeier.. Als kurzfristige Lösung könnte sich die Kinderärztin vorstellen, dass das Gesundheitsamt Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen mit übernimmt. Sie selbst bietet Hausärzten an, bei ihr zu hospitieren und Erfahrungen in der Behandlung von Kindern zu sammeln. Letztlich führe kein Weg daran vorbei, junge Kollegen in die Region zu holen.