Willingen. Ein Erlebnis! Der Skywalk Willingen, die längste frei schwebende Brücke der Welt, hat eröffnet. Wie es sich in 100 Meter Höhe anfühlt:
„Achtung, wichtige Meldung von Bauch an Hirn: Was planst Du da? Willst Du wirklich über diese Brück gehen? Und was sagen Knie und Verdauungstrakt dazu? Seid ihre alle wahnsinnig?“ Freitagnachmittag, 15.45 Uhr: Ähnliche Dialoge dürften zu diesem Zeitpunkt in etwa 50 menschlichen Körpern geführt werden. Sie alle sind gekommen, um den „Skywalk“ das erste Mal zu betreten.
Und die Willinger sparen nicht mit Superlativen: „Es ist die längste frei hängende Brücke der Welt“, sagt einer der fünf Geschäftsführer der „Skywalk“-Gesellschaft, Arndt Brüne. Aber auch der Begriff „Längste Hängebrücke Deutschlands“ macht die Runde. Brüne freut sich über die Geburtsstunde dieser neuen touristischen Attraktion. Von der ersten Idee 2016 bis jetzt hat es sieben Jahre gedauert, um das Konstrukt dank Schweizer Präzision in die Welt zu setzen. 150 Investoren mischen mit und haben vier Millionen Euro auf den Tisch gelegt. Brüne: „Die Teilhaber kommen aus allen gesellschaftlichen Gruppen und bringen viele Ideen mit ein. Beim ersten Treffen stand ein alter blauer Polo neben einem gelben Ferrarri…“
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Bürgermeister nicht schwindelfrei
Der Willinger Bürgermeister Thomas Trachte ist heilfroh, dass er gleich noch zum Schützenfest ins Seniorenheim darf. Er ist nicht schwindelfrei. Beim Pressegespräch im Café „Aufwind“ ist er noch dabei und betont, wie wichtig neue Anreize wie diese auf dem stark umkämpften Tourismus-Markt seien. Der Standort sei optimal, die Infrastruktur von vornherein vorhanden gewesen, die Eingriffe in die Natur marginal. „Irgendwann, wenn es keiner sieht, gehe ich vielleicht doch mal da hoch. Ich finde, man sollte schwindelfrei sein.“ Das kann nicht schaden, aber Bergwacht und Feuerwehr sind eigens an der Brücke geschult worden. Brüne: „Und wenn man das erste Stück geschafft hat, packt man auch den Rest.“ Angeblich soll der „Skywalk“ bei ordentlichem Wind bis zu sechs Meter in beide Richtungen schwanken. 750 Leute dürfen zeitgleich drauf, Hurricane-Stärke 2 verträgt er, aber wenn’s zu bunt wird, machen die Willinger die Schranken dicht.
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Mit der Standseilbahn, mit der auch die Skispringer zur Schanze fahren, dürfen die ersten 20 „Skywalker“ nach oben. Kleiner Tipp: Der Zuweg aus dem „Strycktal“ ist sicherlich der prominenteste. Aber die andere Bergseite ist genauso schön und beim ersten Ansturm weniger überlaufen. Auch über Wanderwege kommt man problemlos bis zur Mühlenkopfschanze oder auf den Musenberg. Die Bahnfahrt dauert sieben Minuten, dann hat das Drehkreuz endlich Premiere.
Willingen: Das ist die neue längste Hängebrücke der Republik
„Wow!“ Die ersten Schritte sind so wie auf einem Hochseeschiff. Es schwankt. Links und rechts verhindern die Baumwipfel das Gefühl von Verlorensein. Alles noch ganz easy. Etwas problematischer wird es nach dem ersten Drittel der insgesamt 665 Meter. Keine Bäume mehr, freier Blick in alle Richtungen. Und durch die Gitterroste sehen die Menschen in 99 Metern Tiefe wie Käfer aus. Das Schwanken nimmt zu. Wir sind in luftiger Höhe auf hoher See. Hier und da tut es gut, sich am Geländer festzuhalten oder einen Punkt in der Ferne zu fixieren. Aber der Ausblick ist einfach atemberaubend. In weiter Ferne das markante Viadukt von Willingen, links davon der Hochheideturm. Durchatmen, geistigen Ballast abwerfen. Genießen. Beim Weltcup-Skispringen ist der „Walk“ geschlossen. Dann sollen aber zwischen den Springen die Fernsehleute von hier oben moderieren. Was für eine Werbeeffekt, sagt Markus Hensel vom Skiclub.
Auch Tourismuschef Norbert Lopatta genießt den Ausblick. Zahlen rattern durch seinen Kopf: 1,1 Millionen Übernachtungen jährlich in der Uplandgemeinde und bis zu 4,5 Millionen Tagesgäste. „Die Schätzungen von 100.000 Besuchern auf dem Skywalk sind sehr vorsichtig. Ich rechne mit mehr. Die Brücke wird die ganze Region beleben.“
Zunehmend lebhaft wird es auf dem 1,50 Meter breiten Himmelspfad. Die Brücke wird immer voller. Es ist niemand dabei, der auf der Stelle umdreht. Alle tasten sich mehr oder weniger forsch auf die andere Bergseite, blicken zurück, schnaufen durch und sind irgendwie froh, es geschafft zu haben.
Die Brückengeburt hat Arndt Brüne geschafft. Man sieht, wie sich eine gewisse Erleichterung bei ihm breit macht. „Wenn ich alt bin, schreibe ich ein Buch darüber.“ Die Geburt seines dritten Kindes ist für heute terminiert. Alles richtig gemacht.