Rüthen. „Norman Harras“ verteilt eigentlich Bodychecks im Ring. Doch plötzlich geht es um Leben und Tod – und der Sauerländer zögert keine Sekunde.

Im Ring lässt Wrestler „Norman Harras“ gerne die Muskeln spielen. Vor den Augen des Publikums liefert er sich knallharte Kämpfe mit seinen Gegnern. Abseits der Wrestling-Arena zeigt sich der Mensch hinter der Kunstfigur von einer anderen Seite – mit einer Stammzellenspende hat er einem anderen Menschen eine zweite Lebenschance ermöglicht.

Profis mit klarem Ziel beim Wrestling

Bodychecks, urtümliches Gebrüll und rohe Muskelkraft – so stellen sich viele, die sich noch nie richtig mit der Sportart beschäftigt haben, Wrestling vor. Dabei zeigt schon der erste Besuch einer Show, dass hier Profis mit klarem Ziel am Werk sind: Dem Publikum auf den Rängen einen unvergesslichen Abend zu bieten – mit ausgeklügelter Dramaturgie, größter Körperbeherrschung und gerade ohne Verletzungen und gebrochene Knochen.

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In Deutschland ist die Szene noch wesentlich kleiner als in den Vereinigten Staaten oder Japan, wo sich die Shows allergrößter Beliebtheit erfreuen. Wie dort gibt es aber auch in der deutschen Wrestling-Szene zahlreiche Protagonisten, die den Shows Leben einhauchen. Unter ihnen ist auch der 26-jährige Norman Halberschmidt, im Ring besser bekannt als „Norman Harras“. Seine Auftritte hat er in den Shows der Wrestling-Promotion „Westside Extreme Wrestling“. Dort treffen die verschiedenen Wrestler-Typen aufeinander und bieten dem Publikum dramatische Momente.

Rüthener zeigt im Ring schauspielerisches Talent

Im Ring tritt der gebürtige Sauerländer aus Rüthen schon seit 2018 auf – und kann dort neben seinem sportlichen Ehrgeiz auch sein schauspielerisches Talent unter Beweis stellen. „Wenn man sich mit Wrestling noch nicht beschäftigt hat, sehen die meisten in den Kämpfen zunächst nur extreme Brutalität. Dabei ist das bei unseren Showkämpfen gar nicht der Fall“, erklärt Halberschmidt. „Das ist keine Freakshow und auch kein Kampfsport. Schließlich wollen wir fit bleiben und die ganze Saison über auftreten.“ Wrestling müsse man sich eher wie eine Symbiose aus Schauspiel und Körperkultur vorstellen, so Halberschmidt weiter. „Ich erkläre es immer gerne so: Wrestling ist wie eine Live-Stunt-Seifenoper. Quasi eine Mischung aus GZSZ und den Karl-May-Festspielen.“ Dafür trainiert der junge Mann schon seit Jahren intensiv, auch mit amerikanischen Wrestlern. Neben Auftritten in den kanadischen Metropolen Vancouver, Winnipeg und Toronto trat Harras auch bei Shows in Ungarn, Dänemark und verschiedenen Ländern in ganz Europa an.

Lebensretter Normann Halberschmidt.
Lebensretter Normann Halberschmidt. © Privat | Privat

An den ausgeklügelten Showabenden schlüpft Halberschmidt seit seinem ersten Showkampf 2018 in seine Kunstfigur, den Bösewicht Norman Harras. Der zeichnet sich vor allem durch seine herabblickende und arrogante Art gegenüber seinen Gegnern aus – ein echter Antiheld. Ganz anders als Halberschmidt selbst. Denn der gebürtige Rüthener hat im Mai 2022 eine echte Heldentat geleistet: Mit einer Stammzellenspende ermöglichte er einem an Blutkrebs erkrankten Menschen eine zweite Lebenschance.

Stammzellenspende für den Sauerländer eine Selbstverständlichkeit

Für den jungen Mann, der sich zeitgleich zum Start seiner Wrestling-Karriere 2016 mit 20 Jahren bei der DKMS hat registrieren lassen, eine Selbstverständlichkeit. „Wenn ich jemandem helfen kann, dann will ich das auch machen“, sagt er. Lediglich gegen eine Knochenmarkentnahme, die in zehn Prozent der Fälle notwendig wird, trug Halberschmidt zunächst Bedenken. „Wegen meines vollen Terminkalenders in der Wrestling-Saison hatte ich da ein paar Sorgen. In den Shows wird man häufig auf den Rücken geworfen“, so Halberschmidt. Also genau auf die Stelle über dem Beckenkamm, wo eine Knochenmarkentnahme stattfindet. Als klar wurde, dass allerdings für seinen Patienten tatsächlich nur eine Knochenmarkentnahme in Frage kommt, warf er jeden Zweifel schnell über Bord. „Mir war dann in dem Moment sofort klar: Ich mache es trotzdem und verzichte dafür auf einige Auftritte. Wrestling-Shows kommen noch viele, doch hier ging es um Leben und Tod.“ Im Nachhinein stellte sich heraus, dass Halberschmidts anfängliche Zweifel glücklicherweise unbegründet waren. „Zwei Wochen später stand ich schon wieder in Dänemark ohne Probleme im Ring. Ich habe somit bedeutend weniger Auftritte verpasst als befürchtet“, erinnert er sich.

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„Den Blutkrebs in den Schwitzkasten nehmen“

Nach einem vorerst letzten Wrestlingabend in Lüneburg spendete Halberschmidt schließlich im Mai 2022 in der Entnahmeklinik in Köln sein Knochenmark – und damit eine zweite Lebenschance für einen Blutkrebspatienten. Seine Erinnerungen daran sind durchweg positiv. „Egal ob Vorgespräche und -untersuchungen oder der Eingriff selbst – ich wurde top von dem medizinischen Personal und den Mitarbeitenden der DKMS betreut. Ich habe gerne geholfen und sehe das als Selbstverständlichkeit.“ Nach der erfolgreichen Entnahme wünscht Halberschmidt seinem genetischen Zwilling, einem Mann aus Deutschland, nur das Beste. „Ich hoffe, dass er den Blutkrebs in den Schwitzkasten nimmt und die Erkrankung gut übersteht. Gerne würde ich ihn nach der Anonymitätsfrist kennenlernen. Vielleicht kann ich ihn ja sogar mal zu einer unserer Shows mitnehmen“, so Halberschmidt. Vor kurzem war außerdem er mit seinen Erfahrungen zur Stammzellspende auch zu Besuch an seiner alten Schule in Rüthen. „Mir war es wichtig, den Schülerinnen und Schülern vor Ort von meiner Spende zu berichten und so ihr Bewusstsein für die Möglichkeit der Registrierung zu schärfen“, so Halberschmidt. „Außerdem konnte ich die Fragen der Jugendlichen beantworten und dadurch einige Ängste nehmen.“

An die Wrestling-Gemeinde und alle, die noch nicht als potenzielle Stammzellspendende registriert sind, hat Halberschmidt einen klaren Appell: „Man kann mit seiner Spende einem Menschen das Leben retten und ohne viel Aufwand wirklich Großes bewirken. Deshalb: Registriert euch bei der DKMS!“