Meschede. Energiekrise, Personalmangel: Wie geht es den Mescheder Unternehmen in der Krise? Teilweise wird eng, auch Verlagerung ist ein Thema.

Natürlich ist es aktuell vor allem die Energiekrise, die die Mescheder Unternehmerinnen und Unternehmer belastet. Doch Frank Hohmann, Vorsitzender der IMW, der Interessengemeinschaft Mescheder Wirtschaft und Inhaber und Geschäftsführer von ITH, sieht für die Zukunft ein weiteres Thema ganz vorn auf der regionalen Agenda – den Fachkräftemangel.

Was hören Sie aktuell von den Mescheder Betrieben? Wie ist die Stimmung?

Frank Hohmann: Die Stimmung ist besorgt, auch wenn die Lage nicht überall eindeutig ist. Es gibt Betriebe, die schon Auftragsrückgänge verzeichnen und einzelne fahren auch bereits Kurzarbeit. Nach wie vor haben einige Betriebe ein ganz anderes Problem: Sie suchen Fachkräfte. Dabei lassen die Energiekosten keinen kalt. Besonders betroffen ist - durch die hohen Spritkosten - das Speditionsgewerbe. Und mich persönlich treibt vor allem die hohe Inflationsrate um. Die müssen wir dringend in den Griff bekommen. Die europäische Zentralbank hat einfach viel zu lange gezögert, die Leitzinsen zu erhöhen.

Blick auf das Firmengebäude von ITH im Gewerbegebiet Enste.
Blick auf das Firmengebäude von ITH im Gewerbegebiet Enste. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Was sind die größten Sorgen innerhalb der Mescheder Wirtschaft?

Trotz aller neuen Krisen konzentrieren sich die Sorgen der heimischen Wirtschaft auf die hohen Energiekosten und den Personalnotstand. Wir haben innerhalb der IMW Betriebe, die Aufträge ablehnen müssen, weil sie keine Mitarbeiter finden. Das ist ein großes Problem. Der IMW-Vorstand hat daher beschlossen den Arbeitskreis Flüchtlinge wieder aufleben zu lassen, den wir schon 2015/2016 zusammen mit Politik und Verwaltung eingerichtet hatten. Wir sind bereit, die Menschen schnell zu integrieren, die aktuell zu uns kommen. Dazu brauchen wir aber Informationen über ihre Kenntnisse. Einen anonymisierten Steckbrief, der auflistet, welche Fertigkeiten sie bereits in ihrem Heimatland erworben haben und welche Tätigkeiten sie dort durchgeführt haben. Leider dauert es zu lange, die entsprechenden Daten zu erhalten. Hier ist eine schnellere Bearbeitung bei den zuständigen Verwaltungsbereichen erforderlich. Es ist wichtig, dass wir den Personalnotstand reduzieren. Sprachkenntnisse sind bei einigen Tätigkeiten dann erstmal zweitrangig. Und in vielen Jobs ist auch in unserer Region Englisch bereits Standard.

Wird denn aktuell noch eingestellt?

Auf jeden Fall! Handwerker oder Facharbeiter sofort. Die Betriebe müssen perspektivisch denken. In den nächsten Jahren geht die Generation der Baby-Boomer in Rente. Und irgendwann wird dieser Krieg ja mal vorbei und der autokratische Präsident dann hoffentlich durch einen weltoffenen Präsidenten ersetzt sein. Dann brauchen die Betriebe eine gute Mannschaft, um nach vorn zu sehen.

Ein Gaszähler hier an einer Gastherme. Die hohen Kosten für Energie belasten Gewerbe und Industrie auch in Meschede.
Ein Gaszähler hier an einer Gastherme. Die hohen Kosten für Energie belasten Gewerbe und Industrie auch in Meschede. © dpa | Jörg Sarbach

Wie dramatisch ist die Lage in Bezug auf die steigenden Energiekosten? Stehen Betriebe vor dem Aus, wenn sich die Preise verdoppeln?

Wir reden im Moment bei den Energiekosten eher vom Faktor zwei bis drei. Und ja, es gibt auch in unserer Unternehmensgruppe und bei anderen IMW-Mitgliedsfirmen Bereiche, die mit den exorbitant gestiegenen Energiekosten zu kämpfen haben. Ein Beispiel sind die Kunststoffunternehmen. Bei der Trippe-Kunststofftechnik haben wir im September einige Maschinen abgeschaltet. Die Mitarbeiter haben dann andere Tätigkeiten durchgeführt. Für das kommende Jahr ist die Investition in eine Photovoltaikanlage vorgesehen, damit wir eine Reduzierung der Energiekosten erzielen. Aber denken Sie auch an kleine Handwerksbetriebe wie Bäckereien oder Industriebetriebe wie Härterein und Gießereien. Einige Betriebe mussten ihre Maschinen stilllegen oder ihre Prozesse ändern, weil sie die Kostensteigerungen an die Kunden nicht weitergeben konnten. Sicherlich werden wir im kommenden Jahr, wegen der gestiegenen Zinsen, auch einen Einbruch in der Bauindustrie erhalten und ich habe leider die Befürchtung, dass sich die Situation nicht wesentlich verbessern wird. Unternehmen, die über keine angemessene Kapitalausstattung verfügen, haben bereits oder bekommen dann Existenzprobleme.

Wird noch investiert?

Ja, aber vor allem in Rationalisierungsmaßnahmen sowie in Maschinen und Anlagen, die helfen, die Energiekosten zu senken. Bei perspektivischen Erweiterungen stehen die Unternehmerinnen und Unternehmer zurzeit eher auf der Bremse. Wo außerdem auch investiert wird, ist in Lagerkapazitäten. Während Unternehmen bisher Just-in-time lieferten und viel Material auf der Straße unterwegs war, sieht man jetzt wieder, wie sich Lager und Vorplätze füllen. Der Verkaufspreis des Produkts hat nicht mehr die erste Priorität. Heute ist die Lieferfähigkeit für die Kunden ganz entscheidend. Zum Glück hat hier ein Umdenken stattgefunden.

Hören Sie von Betrieben, die überlegen, Teile der Produktion zu verlagern?

Ja, diese Bestrebungen gibt es. Wenn wir in Deutschland nicht in der Lage sind, Energie günstig bereitzustellen, werden Betriebsteile verlagert oder Betriebe werden ganz abwandern. Wir haben hier im Sauerland viele Hidden Champions, mittelständische Unternehmen, die in Nischen-Marktsegmenten Europa- oder Weltmarktführer geworden sind. Diese Firmen konkurrieren im internationalen Wettbewerb. Das sind ganz andere Gegenspieler. Ich halte auch nichts davon, in diesem Zusammenhang China zu verteufeln. Das ist für viele Unternehmen ein wichtiger Absatzmarkt und viele Betriebe haben ihre Lieferketten mit chinesischen Partnern aufgebaut.

>>> Lesen Sie auch: Getöteter bei Meschede: Gedenken und Respekt - er hieß Ihor <<<

Reicht es, was die Politik aktuell zur Unterstützung der Unternehmen beschlossen hat?

Was sich alle wünschen ist, dass Prozesse entbürokratisiert und beschleunigt werden und weniger reguliert wird. Das beste Beispiel ist das Dilemma der A45, von dem wir als ITH selbst betroffen sind, weil wir Partner in Lüdenscheid haben. Ich kann nicht nachvollziehen, warum der Brückenneubau ein solches Bürokratiemonster ist. Das ist für die Wirtschaft schlimm, aber auch für die Menschen, die dort leben. Oder nehmen Sie die Gasumlage: Vier Monate wurde darüber diskutiert, um dann doch eine Gaspreisbremse zu verabschieden. Mit solchen Dingen verunsichert man die Bevölkerung. Bei der Energieversorgung brauchen wir vor allem eine sichere und kostengünstige Energieversorgung, einen Energiemix, aus regenerativen Energien, aber auch aus anderen Energiequellen wie der Atomenergie. Wir benötigen eine sichere Grundlastversorgung und diese kann so lange nicht auf regenerativen Energien aufgebaut werden, wie die erzeugte Energie nicht speicherfähig ist. Für ideologisch motivierte Diskussionen habe ich da kein Verständnis. Ich plädiere für mehr Pragmatismus und für Technologieoffenheit. Im Moment fällt es mir schwer eine umfassende Bewertung der eingeleiteten Maßnahmen durchzuführen. Ich hoffe nur, dass die neuen Maßnahmen mit geringem bürokratischem Aufwand durchgeführt werden können.

Was plant die IMW neben der neuen Personaloffensive?

Auf dem Jahresempfang 2023, der am 20. Januar stattfindet, möchten wir einen Ausblick für die Wirtschaft geben. Hierfür konnten wir mit Markus Gürne, der in der ARD „Wirtschaft vor acht“ moderiert, einen hochkarätigen Sprecher finden. Des Weiteren werden wir am 22. März 2023 einen Impulsvortrag mit Friederich Merz durchführen. Auf den Punkt gebracht steht die IMW für: „Wirtschaft fördern, Zukunft gestalten“.