Brilon. Es diente einst als Kerker, an Wänden waren Fesseln angebracht – der Teil oberhalb des Torbogens am Derker Tor. Exklusive Bilder aus dem Verließ.
„Ich bin selbst auch das erste Mal hier drin“, gesteht Bürgermeister Dr. Bartsch, während er sich in dem alten Gemäuer umschaut. „Toll! Ein weiterer historischer Ort, den man einfach kennen muss!“ Vergangene Woche trafen sich die kaufmännischen Azubis der Firma Egger zu spanischen Köstlichkeiten von Piementos de padron bis Churros mit Schokosauce im Derker Tor. Nein, nicht in dem Torbogen, durch den jeder Briloner schon unzählige Male gegangen ist, auch nicht „im Törchen“, sondern tatsächlich im Derker Tor. Genauer gesagt im alten Gefängnis, also dem nahezu unbekannten und normalerweise nicht zugänglichen Teil oberhalb des Torbogens, in dem früher Bürger und Bürgerinnen, die man beispielsweise der Hexerei beschuldigte, gefangen gehalten und gefoltert wurden. Das alte Gemäuer kann jetzt von innen besichtigt werden.
Zweieinhalbstündige Tour durch Brilon
Im Rahmen der Azubi-Tage veranstaltete das Museum Hövener gemeinsam mit Auszubildenden der Firma Egger eine rund zweieinhalbstündige Tour durch Brilon. So wurden beispielsweise die Ratskammer der Propstei, das Schultenhaus und weitere historische Ort besucht, die sonst nur schwer zugänglich sind. Themen waren aber auch Gastronomie, Feste, oder die Frage, wo Jugendliche verweilen können. „Es ging generell um Work-Life-Balance und geschichtsträchtige Orte, wo das Leben pulsiert“, so Museumsleiter Carsten Schlömer. Die Initiative hierzu ergriff die ehemalige Briloner Waldfee Zoe Tilly, ebenfalls Auszubildende bei Egger, die sich für circa ein Jahr freiwillig in der Denkmalpflege engagiert hat.
„Da hat sie sich wohl erinnert, dass mit den Enthusiasten von Haus Hövener spannende Sachen möglich sind“, so Schlömer. „Dadurch, dass viele Brilon nur als Arbeitsstandort kennen, haben wir uns diese kleine Tour mit dem Derker Tor als Highlight überlegt“, erklärt Tilly. „Wir wollen den Azubis zeigen, dass Brilon mehr ist als nur die Fahrt zum Egger-Parkplatz.“ Auch Dr. Bartsch zeigt sich begeistert von der Aktion: „Es ist natürlich klar, dass ich das sehr begrüße, wenn die Mitarbeiter von Haus Hövener den jungen Menschen zeigen, auf welch historischem Grund sie leben und arbeiten.“ Dieser Erkenntnisgewinn sorge für Nähe und Identität, die „hoffentlich die Neigung verstärkt, auch nach der Ausbildung in der Region zu bleiben.“ Genau das wolle man mit den Azubi-Tagen erreichen, unterstreicht Carsten Schlömer. „Wir möchten eine Wurzel für die jungen Menschen schaffen. Wenn uns das gelingt, bringt das Mehrwert für alle.“ Die Faszination für das Tor erklärt er so: „Das ist so ein geheimer Ort. Jeder weiß ‚da ist was‘, aber keiner weiß was Genaues.“
Derker Tor: In einer Reihe mit der Propsteikirche, dem Rathaus und dem Minoritenkloster
Wie wichtig das Derker Tor für Brilon ist, betont auch Dr. Bartsch: „Das muss man definitiv in einer Reihe mit der Propsteikirche, dem Rathaus und dem Minoritenkloster nennen!“
Dass das Derker Tor überhaupt noch steht, sei übrigens keine Selbstverständlichkeit, erklärt Winfried Dickel, Vorsitzender vom Heimatbund Semper Idem. „Die anderen Stadttore wurden im 19. Jahrhundert abgerissen, weil die Fuhrwerke größer wurden und nicht mehr hindurch passten.“ Da etwa Richtung Marsberg, Soest und Arnsberg wichtige Handelsrouten führten, mussten die Tore weichen. Das Derker Tor allerdings habe „nur in die Wallachei“ geführt, so Dickel, und durfte daher stehen bleiben. Viele Jahre später wäre es dann allerdings beinahe dem geplanten Ausbau der Schulstraße zum Opfer gefallen. „Da haben sich dann aber die Bürger dagegen gewandt.“„Das alte Gefängnis ist natürlich ein sehr schöner Raum mit einem sehr speziellen Ambiente und einer besonderen Atmosphäre“, meint auch Wil Weber, Inhaber des Restaurants „Tapas am Törchen“. Auf Anfrage von Haus Hövener habe er gerne die Türen geöffnet um Zugang zu den einzigartigen Räumlichkeiten zu gewähren.
Dass einmal jemand unbedingt in das Gefängnis hinein will und von der Atmosphäre schwärmt, hätte sich einer ganz bestimmt nicht vorstellen können: Johann Koch. Angesehener Kaufmann und Bürgermeister der Stadt Brilon. „In den späten 1680er Jahren gab es eine Welle von Hexenprozessen“, berichtet Carsten Schlömer. Zeitgleich habe es zwischen den Briloner Großfamilien Gerling und Koch Konflikte gegeben. Unter Folter behaupteten später zwei Frauen, Johann Koch beim Hexensabbath „als Oberhaupt der Hexen und Zauberer“ gesehen zu haben. Es kam zur Anklage und er wurde ins Tor verbracht. Dort jedoch hielt er der „peinlichen Befragung“, der Folter, stand und gestand nicht. Tatsächlich überlebte er die Tortur und kam als einziges Opfer der Hexenprozesse wieder frei. „Das beweist wohl, dass Bürgermeister ziemlich zähe Typen sind“, scherzt Dr. Bartsch.
Wer jetzt neugierig geworden ist und auch einmal durch die Schießscharten nach draußen schauen möchte, kann sich an Wil Weber wenden. „Wir sind gerne bereit, Gruppen nach Absprache eine Besichtigung zu ermöglichen.“