Brilon/Arnsberg. Ein Mann aus dem Raum Brilon soll versucht haben, seine von ihm getrennt lebende Frau zu töten. Ein Sachverständiger bringt mehr Klarheit.

Für die Staatsanwaltschaft in Arnsberg ist der Fall klar: Es war versuchter Mord. Konkret geht es um einen Fall, der sich am 7. März diesen Jahres auf der Bundesstraße zwischen Willingen und Brilon-Wald ereignet hatte. Nach einem schweren Unfall zwischen zwei Fahrzeugen ähnelte die Straße einem Trümmerfeld. Ab heute muss sich ein 53-jähriger Mann vor der 4. Großen Strafkammer des Landgerichts Arnsberg für den Unfall verantworten. Er soll nämlich versucht haben, seine von ihm getrennt lebende Ehefrau, seinen Sohn und den neuen Lebensgefährten der Frau zu töten.

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Im Rahmen der Anklageverlesung wird deutlich, dass der Angeklagte das Fahrzeug seiner Frau auf der Bundesstraße 251 erkannt haben muss und sein Fahrzeug in den Gegenverkehr gelenkt haben soll mit der Absicht sie, den darin befindlichen gemeinsamen Sohn sowie den neuen Lebensgefährten der Frau zu töten. Die Geschädigte konnte einen Frontal-Crash verhindern, indem sie das Fahrzeug nach rechts lenkte, so dass das Fahrzeug in die Fahrerseite fuhr. Die Fahrerin erlitt dabei erhebliche Verletzungen. Unter anderem brach mehrfach ihr Unterschenkel und sie erlitt außerdem Frakturen am Oberschenkel und Arm-Bereich. Hinzu kam ein Schädelhirntrauma. Der Beifahrer erlitt leichte Verletzungen, der sechsjährige Sohn hingegen erlitt Verletzungen im Bauchraum.

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Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, heimtückisch gehandelt zu haben. Der Angeklagte hat sich auf Rat seiner Anwältin bisher dagegen entschieden, Angaben zu dem Vorfall zu machen.

Polizeibeamte bei Unfall vor Ort

Zwei Polizeibeamte, die mit zu den ersten Einsatzkräften vor Ort gehörten, wurden im Rahmen der Verhandlung als Zeugen gehört. Das Fahrzeug der Geschädigten hatte einen Notruf abgesetzt. „Wir sind mit zwei Streifenwagen hingefahren, weil wir nicht wussten, wie die Lage vor Ort aussah. Wir bekamen zunächst lediglich einen Einsatz wegen eines Unfalls mit Personenschaden“, sagt der Polizeibeamte.

Das Auto der Geschädigten auf der B251 zwischen Brilon und Willingen ist bei dem Unfall völlig zerstört worden. Im Wagen saß sie mit ihrem Lebensgefährtin und ihrem Sohn.
Das Auto der Geschädigten auf der B251 zwischen Brilon und Willingen ist bei dem Unfall völlig zerstört worden. Im Wagen saß sie mit ihrem Lebensgefährtin und ihrem Sohn. © Joachim Aue

Bei der Ankunft zeigte sich bereits ein gebildeter Rückstau auf der Bundesstraße, Ersthelfer kümmerten sich um den verletzten Beifahrer und das Kind. Rettungskräfte waren damit beschäftigt die Geschädigte aus dem Fahrzeug zu bergen. Dass ein zweites Fahrzeug überhaupt beteiligt war, ließe sich laut dem Beamten zunächst nicht erkennen, weil es durch Krankenwagen verdeckt war.

Geschädigter Beifahrer soll Fahrzeug und Angeklagten erkannt haben

Der geschädigte Beifahrer war ansprechbar und „konnte sagen, dass ein zweites Fahrzeug auf sie zukam. Er hat auch erkannt, dass es sich um das Auto des Angeklagten handelte und dieser am Steuer saß. Er sei gezielt in den Gegenverkehr gefahren und habe auf das Fahrzeug zugesteuert.“ Weitere Angaben wurden nicht aufgenommen, da der Beamte die Absicherung der Unfallstelle übernahm. Wegen des Traumas entschieden sich die Polizisten vor Ort, den Jungen nicht zur Sache zu befragen. Eine Befragung der Geschädigten war wegen der Versorgung durch die Rettungskräfte nicht möglich.

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Der Polizist sagte weiter aus, dass auf der Straße 100 Stundenkilometer erlaubt sind und zu der Zeit klares Wetter vorherrschte bei circa zwei Grad. Verunreinigungen auf der Fahrbahn konnten nicht festgestellt werden, die den Unfall vielleicht hätten hervorrufen können. Ein Problem vor Ort: „Es gab mehrere Ersthelfer und Leute warnten den nachfolgenden Verkehr, aber es gab keine unabhängigen Zeugen, die den Unfall gesehen haben.“

Polizistin befragte Angeklagten im Rettungswagen

Die zweite Polizeibeamtin vor Ort wurde über das zweite beteiligte Fahrzeug informiert und schaute nach dem Fahrer, der sich zu der Zeit zur Behandlung im Rettungswagen befand. „Er konnte sagen, dass er auf dem Weg von Brilon Richtung Willingen unterwegs war. An den Rest könne er sich nicht erinnern.“ Von dem familiären Verhältnis zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten wusste sie zu dem Zeitpunkt noch nichts. Das Fahrzeug des Angeklagten stand mitten auf der Fahrbahn und hatte laut Aussage der Beamtin einen erheblichen Schaden. Der Angeklagte habe bei der Befragung klar und deutlich gesprochen. Auffälligkeiten an seiner Person habe sie nicht feststellen können.

Zum Abschluss des ersten Verhandlungstages gab ein Unfallanalytiker Einblicke in den Unfall und den verursachten Schaden. Das Fahrzeug des Angeklagten steuerte auf weiträumige Linkskurve zu bevor es zur Kollision mit dem anderen Auto kam. Laut den Berechnungen des Experten muss der Pkw des Angeklagten circa die auf der Strecke erlaubten 100 km/h gefahren sein, während das zweite Fahrzeug beim Aufprall ungefähr 80 Stundenkilometer schnell fuhr.

Keine technischen Mängel an den Fahrzeugen

Technische Mängel konnten bei der späteren Analyse an keinem der beiden Autos festgestellt werden. Auch der Gutachter hat auf der Fahrbahn keinerlei Verunreinigungen gefunden, die einen Unfall hätten auslösen können. Für ihn war somit klar: „Es muss ein aktives lenken nach links durch das Fahrzeug gegeben haben. Es fand kein Bremsvorgang statt. Und somit wurde mit Absicht in den Gegenverkehr gelenkt.“

Normalerweise wäre es zu einem Frontal-Crash gekommen, allerdings hat die Geschädigte den Wagen offenbar um circa einen halben Meter nach rechts gelenkt, um das zu verhindern. Auch so wurden die Vorderräder beim Zusammenprall abgerissen, allerdings kam es nicht zu einer Verkeilung der Fahrzeuge. „Wenn es 20 Zentimeter weniger gewesen wären, dann hätte es einen Frontalkontakt gegeben. Das wäre fatal gewesen. Das ist als würde man mit 90 km/h gegen eine Betonwand fahren. Es gibt Gründe, warum man schon keine Crash-Versuche mit 70 Stundenkilometern macht. Bereits da ist die Überlebenschance gering.“

Bedenken höchstens im allerletzten Moment

Der Analyst erklärte aber auch, dass es durchaus sein kann, dass der Unfallverursacher im letzten Moment Bedenken hatte und das Lenkrad wieder nach rechts gedreht hatte. Allerdings hätte das in der letzten hundertstel Sekunde geschehen müssen, damit es bei der Analyse nicht auffällt und in dem Moment würde es auf den Unfallausgang auch keinen Einfluss mehr nehmen können.

Denkbar sei aber genauso, dass das andere Fahrzeug zum Beispiel Schlangenlinien fuhr und das andere Fahrzeug deswegen in den Gegenverkehr fuhr, um dem Auto auszuweichen. Diese Theorie ließe sich aber nicht testen, da der Sachverständige lediglich die letzten drei bis vier Sekunden vor dem Aufprall rekonstruieren kann. Ebenso gibt es keine Daten darüber, ob eines der beiden Fahrzeuge vielleicht beschleunigt haben könnte.

Schwierig die Fahrzeuginsassen zu erkennen

Darauf angesprochen, ob es möglich ist auf die ungefähren 60 Meter, die beide Fahrzeuge beim ersten Sichtkontakt trennten, die Fahrzeuginsassen zu erkennen, erklärte der Analyst, dass er das für sehr unwahrscheinlich hält.

Der nächste Verhandlungstag ist am Montag, 29. August. Dann werden unter anderem die Geschädigten angehört.