Detmold/Olsberg. Bankkunden im Glauben zu lassen, der Geldautomat hätte kein Bares hergegeben und es sich selbst einzustecken. Ein Täter-Duo war so erfolgreich.

Leuten mit einer gestohlenen EC-Karte und ergaunerter PIN das Konto leerzuräumen, ist schon fies. Eine noch üblere Masche ist es, Bankkunden im Glauben zu lassen, der Geldautomat hätte gar kein Bares hergegeben, und es sich dann selbst einzustecken. Für diese Masche muss ein Mann aus Dortmund, der auch in Olsberg „tätig“ gewesen war, jetzt für fast vier Jahre hinter Gitter.

„Vielleicht ist das nur die Spitze des Eisbergs“, stellte Vorsitzender Richter Karsten Niemeyer in seiner Urteilsbegründung fest: Die erste große Strafkammer des Landgerichts Detmold verurteilte den 23 Jahre alten Familienvater, der sich vorwiegend in Dortmund aufgehalten hatte, am Montag zu drei Jahren und neun Monaten Haft – wegen dreifacher räuberischer Erpressung und neunfachen Diebstahls, begangen im vergangenen Sommer quer durch den Nordwesten der Republik.

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Die Taten hatte der 23-Jährige gemeinsam mit seinem Kumpan unter anderem in Bad Sassendorf, Hamm, Recklinghausen, Gütersloh, Coesfeld, Düsseldorf und in den Kreisen Paderborn und Lippe begangen. In Olsberg trat der Angeklagte am Volksbank-Geldautomaten in der Bahnhofstraße am 6. August in Erscheinung. Die Beute hätten genau 2000 Euro sein können, wenn der Bankkunde nicht pfiffig gewesen wäre: Er bemerkte, dass etwas an der Situation faul war und schaffte es, dem Täter den Weg zu verstellen, der gerade nach dem Geldausgabe-Schlitz griff. Das Duo suchte sofort das Weite.

10.000 Euro ergaunert

Insgesamt waren es knapp 10.000 Euro, die bei den angeklagten Taten zusammenkamen. Die Masche war immer dieselbe. Das Duo wartete in unmittelbarer Nähe des Geldautomaten, bis allein auftauchende Kunden beim Geldabheben ihre PIN eingegeben hatten – dann wurden sie abgelenkt, indem zum Beispiel eine Zeitung auf die Automatentastatur flatterte und einer der Ganoven behauptete, der Automat sei defekt. War die Aufmerksamkeit der Geschädigten dann anderweitig gebunden, drückte einer der beiden Männer auf dem Bildschirm schnell die Taste für den Geldbetrag und gab die dann wieder ausgespuckte EC-Karte zurück. Dann nahm einer das Geld aus dem Ausgabeschlitz und beide machten sich davon. Mehrmals wurden Geschädigte auch durch sanften Druck vom Geldautomaten „wegbugsiert“, damit die Täter freie Bahn hatten.

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Insgesamt zwölf solcher Taten waren dem Duo anhand von Videoaufzeichnungen an den verschiedenen Tatorten zuzuordnen. Der Kumpan des 23-Jährigen wurde im vergangenen August in Bad Salzuflen (Kreis Lippe) geschnappt, nachdem Passanten aufgrund von Hilferufen einer bestohlenen Frau die Verfolgung aufgenommen hatten und den Täter bis zum Eintreffen der Polizei festhalten konnten. Er wurde im vergangenen Dezember vom Detmolder Schöffengericht zu einer Haftstrafe von 33 Monaten verurteilt – und gab seinen Mittäter preis. Dieser wurde schließlich aufgrund eines internationalen Haftbefehls Mitte Februar in Rumänien dingfest gemacht und später nach Deutschland ausgeliefert: Er war in sein Heimatland gereist, um Unterlagen zu beschaffen, weil er in der Bundesrepublik Kindergeldanträge für seine drei kleinen Kinder stellen wollte.

Täter identifiziert sich selbst

Der 23-Jährige gab in dem Prozess alle Taten zu, identifizierte sich teils sogar selbst auf den Fotos der Überwachungskameras. Ein kleiner Streitpunkt zwischen Staatsanwalt Stefan Fölling und Verteidiger Axel von Irmer war die kriminelle Energie des Angeklagten: „Aufs absolut Tiefste verwerflich“ fand der Staatsanwalt den Umstand, dass sich das Duo auf „ältere und gebrechliche Personen“ konzentriert habe, während der Verteidiger entgegenhielt, man sei ja nun als Jahrgang 1953 nun noch nicht zwangsläufig wehrlos. Der Vorsitzende Richter stellte schließlich im Urteil fest, es habe sich um „in der Regel ältere Bankkunden, aber nicht besonders hilflose“ gehandelt. „Die konnten alle noch aus eigener Kraft an den Geldautomaten gehen.“