Willingen. Wildpinkeln und co: Die Vorfälle rund um „Viva Willingen“ sorgen für Zoff in der Politik. Wird Willingen weiter gegen das Party-Image kämpfen?
Wildpinkeln, aus Gärten verschleppte Einrichtung und Nacktbadende im Kurgartenteich: Das Wochenende rund um das Festival „Viva Willingen“ hat dem Weltcuport reichlich Gesprächsstoff und Bilder in den sozialen Medien beschert. Das Wochenende und das Festival im Allgemeinen wurden denn auch Thema in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses.
Genau die Auswirkungen, vor der die Politik gewarnt hat
„Viva Willingen“ habe genau die Außenwirkung, vor der die Freien Wähler gewarnt hätten, eröffnete Friedrich Engelbracht: „Das ist Reklame für das, was wir nicht mehr wollen“, bezog er sich auf das Party-Image, welches das Festival pflege und von dem der Ort sich lösen wolle. Das würde alle Konzepte marginalisieren – und nicht mal die Betten belegen. Der Ausschuss-Vorsitzende Karl Leyhe (CDU) sprach sich dafür aus, in der für die Gastronomie sehr anstrengenden Zeit zwei Wochen lang die Gemüter abkühlen zu lassen, um dann zu analysieren. Das sei so geplant, erklärte Bürgermeister Thomas Trachte: Alle Beteiligten treffen sich Mitte Juli.
Lesen Sie auch:Hochsauerland ist aktuell in Deutschland ein Corona-Hotspot
Lesen Sie auch:Impressionen aus Canstein: So war’s bei den Highland Games
Bereits in der Sitzung hielt er fest: „Es ist nicht so, dass wir uns nicht um die Veranstaltung gekümmert hätten. Es gab Konzepte, die genehmigt und eingehalten wurden. Ordnungskräfte waren präsent und es wurde viel eingeschritten.“ Doch es seien viele Vorfälle zu bewältigen gewesen. Es sei nicht wegzureden: „Es gab Missstände.“ Aber nicht alles sei durch die Gemeinde zu lösen. „Der Veranstalter hat alles so gemacht, wie es genehmigt wurde, und gibt sich Mühe“, hielt Trachte fest. Aber wenn der Ort schon voll sei und dann einige Tausend Gäste vom Festival dazukämen, funktioniere das nicht: „Dafür ist Willingen zu klein.“ Viele hätten sich auch keine Gedanken über die Rückreise gemacht, das dann im Ort ausgesessen und teils draußen geschlafen.
„Das gehört nicht in unseren Ort“ - heißt es seitens der Politik
FDP-Fraktionschef Dieter Schütz berichtete, dass viele schon betrunken aus dem Zug gestiegen seien. „Das gehört nicht in unseren Ort“, hielt er fest. Er habe derweil den Eindruck, dass viele junge Leute in den vergangenen zwei Jahren verpasste Erlebnisse nachholen wollten.
Als weiteren Punkt, der zu den Zuständen beitrug, machten Karl Leyhe und Karin Pidel (CDU) mangelnde Kapazitäten bei der Bahn aus: Ein Sonderzug habe gefehlt; schon tagsüber hätten manche Gäste keinen Platz im Zug gefunden. Sabine Herms vom Nordhessischen Verkehrsverbund erklärt auf Anfrage, dass wie vor Corona zusätzliche Züge, mehr Kapazitäten zur Abreise und zusätzliche Busse zur Verfügung gestellt wurden. Darüber hinaus sei der Partyzug von Müller-Touristik mit 9-Euro-Ticket nutzbar gewesen. „Dabei handelte es sich bis auf eine Ausnahme um fünf Züge in Doppel- oder Dreifachtraktion, zwei Richtung Brilon und drei Richtung Korbach. Einer der Züge war nur als einfache Garnitur unterwegs, da sind gegen 21.30 Uhr einige Fahrgäste nicht mitgekommen. Bei allen anderen war das Angebot ausreichend.“ Das Veranstaltungsende war für 22.30 Uhr angesetzt, letzte Züge mit Anschluss fuhren demnach um 23.16 Uhr nach Brilon, um 23.29 nach Korbach.
In den Sozialen Medien werde über Willingen hergezogen
Kritik fand der Umgang mit den Geschehnissen in sozialen Medien: Leute aus aller Welt zögen über den Ort her, befand Karin Pidel – auch über Feuerwehr, Polizei und Ortspolizei. Das Foto der Nacktbadenden machte die Runde, ergänzte Trachte – dass die Polizei die Situation aufgelöst habe, erwähne aber niemand.
Die Frage, ob das Festival eine Zukunft habe, wurde in der Sitzung angeschnitten: Für 2023 gibt es noch einen Vertrag, erläuterte Bürgermeister Thomas Trachte – ob an den Auflagen etwas geändert werden müsse, werde in den anstehenden Gesprächen analysiert. Ob es eine Zukunft darüber hinaus gebe, sei eine politische Entscheidung. „Ich persönlich bin der Meinung, dass die Veranstaltung unter Marketinggesichtspunkten nicht nach Willingen gehört“, hielt er fest. Da müsste jeder zu seiner Meinung kommen – wer den Standpunkt vertrat, der „Viva Willingen“ einst ermöglicht habe, müsse sich aber auch nicht schämen: „Die Politik will Impulse setzen – für den Ort, den Tourismus und das Gastgewerbe. Da kommt es auch vor, dass Entscheidungen getroffen werden, die nicht ideal ausgehen.“