Brilon/Bestwig. „Wer rastet, rostet.“ Drei Rentner, 69, 77 und 83 Jahre alt, halten Ordnung auf der Bodendeponie bei Brilon-Wülfte. Ein besonderer Besuch.

„Bin eigentlich schon seit Anbeginn dabei.“ Der 83-Jährige nickt bekräftigend. Er sitzt auf einem Bürostuhl, trägt orangene Weste, blaue Strickjacke, kariertes Hemd. Im Fenster hinter ihm ist Bauschutt zu sehen, mehrere Meter aufgetürmt. Franz-Josef Franke ist einer von drei ‘Rentnern’, die die Bodendeponie der Firma Relit Meschede GmbH betreiben, die bei Wülfte liegt.

Deponie bei Wülfte von drei ‘Rentnern’ betrieben

„Schmücker, Franz-Josef. So heißen nicht viele“, sagt der 69-Jährige, grinst breit und nickt in die Richtung seines Kollegen. Dieser nickt, sagt: „Franz-Josef Franke, mit Bindestrich.“ Wilhelm Hillebrand (77) macht das Trio komplett. Sie sitzen in einem kleinen Containerhäuschen. Zwei Container zusammengestellt, mit Holz verkleidet. Ein gemusterter Teppich liegt auf dem Boden, ein Tisch mit drei Stühlen steht in der einen Ecke, ein Schreibtisch mit Computerbildschirm und Drucker am Fenster. Auf dem Bürostuhl liegt ein altes Schaffell für einen warmen Rücken. Ein Radio spielt.

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Jennifer Tillmanns Vater betreibt die Firma Friedel Tillmann Straßen- und Wegebau GmbH in Bestwig, sie selbst ist Bauingenieurin in der Firma. Relit Meschede GmbH ist eine Tochterfirma des Unternehmens, das von Jennifer Tillmanns Großvater und Vater aufgebaut wurde. Sie sagt: „Franz-Josef Franke ist seit der ersten Stunde an mit dabei.“ Seit 2003 in Brilon-Wülfte, genauer gesagt. Franz-Josef Franke spricht über seinen damaligen Senior-Chef liebevoll, nennt ihn „den Oppa“, wenn er mit Jennifer Tillmann spricht. Bald feiert er 20-Jähriges Jubiläum auf der Deponie. 20 Jahre, in denen sich einiges verändert hat. „Früher kam der Bauschutt einfach rein, jetzt geht er wieder raus“, sagt Franz-Josef Franke. Damit spielt er auf das Recyclingverfahren an, das die Firma nun betreibt, um den Baustoff wieder in den Verwertungskreislauf zu geben. Jennifer Tillmann hakt ein: „Nicht nur das, nicht jeder Mensch in diesem Alter kann so gut mit einem Computer umgehen.“ Franz-Josef Franke winkt ab. Als wäre das selbstverständlich.

Bei den dreien stimmt die Chemie: Die ‘Rentner’ von der Deponie in Wülfte bei Brilon. In einem Häuschen, gebaut aus zwei Containern, sitzen sie tagsüber und organisieren die Abladung von Boden. Für das Foto haben sie noch schnell die Bank abgestaubt.
Bei den dreien stimmt die Chemie: Die ‘Rentner’ von der Deponie in Wülfte bei Brilon. In einem Häuschen, gebaut aus zwei Containern, sitzen sie tagsüber und organisieren die Abladung von Boden. Für das Foto haben sie noch schnell die Bank abgestaubt. © WP | Jana Naima Schopper

Jeden Morgen um acht Uhr ist einer der drei da, öffnet das Tor

Jeden Morgen ist einer der drei Männer um acht Uhr auf dem Grundstück. Öffnet das Tor, fährt den sich schlängelnden Waldweg hinauf. Öffnet die Tür zum Container. „Mal sind’s 30, mal 15 LKWs, ist ein Glücksspiel“, brummt Wilhelm Hillebrand. Jeder Tag sei anders. Kommt jemand, um Boden- und Baustoffe abzuliefern, betätigen sie die Waage, kontrollieren das Material, geben die Anweisung wo es abgeladen werden muss und stehen dabei, während das geschieht. „Oft sieht’s oben ganz wunderbar aus, dann ist aber drunter was versteckt, was gar nicht da hingehört“, sagt Franz-Josef Franke über die Ladung. „Die Versuche sind da, dann liegen auch mal zwei Rigipsplatten irgendwo versteckt. Die werden dann zurückgewiesen und es heißt dann oft“, Franz-Josef Schmücker hebt grinsend die Hände, „das haben wir ja gar nicht gewusst. Die meisten sind aber einsichtig und nehmen das Material wieder mit.“ Zu den Kunden gehören kleine Gewerbebetriebe oder Tiefbauunternehmen. „Ja, aber auch die Briloner sind froh, dass sie hier privat anliefern können, wenn sie zum Beispiel ihr Bad renovieren“, sagt Franz-Josef Schmücker. Franz-Josef Franke hebt die Hand. „Außerdem schont die Deponie die Umwelt.“

Franz-Josef Franke holt ein Fotobuch heraus, extra dabei

Die drei lieben die Arbeit, vielleicht können sie deswegen nicht damit aufhören. Für Jennifer Tillmann sind sie ein Geschenk. „Wir könnten niemand besseren finden. Hier sieht es immer ordentlich aus, die drei steigen auch auf den Radlader und räumen auf. Wenn die Schranke im Winter zugefroren ist, kümmern sie sich selbst darum“, sagt sie. Mal säen sie ein wenig Rasen für etwas Farbe auf der Deponie, direkt neben der Waage. Mal sammeln sie den anfallenden Kleinkram auf, um für Ordnung zu sorgen. Franz-Josef Franke holt ein Fotobuch hervor. Relit 2020 steht darauf. Jennifer Tillmann hat es ihnen zu Weihnachten geschenkt, er hat es dabei. Er zeigt Fotos, mal mit der Drohne aufgenommen. Auf manchen sind die drei auch zu sehen.

„Wer rastet, der rostet“ sagt Franz-Josef Schmücker, „Ist doch so“

„Es ist abwechslungsreich“, sagt Franz-Josef Schmücker, „die Waage, den Radlader fahren, die Fahrzeuge beladen, mal nimmt man auch Schippe und Besen in die Hand.“ „Arbeitsscheu darf man nicht sein“, sagt der andere Franz-Josef. „Es kommen viele Leute zusammen, man kennt die Leute“, ergänzt Schmücker noch. Wie lange wollen sie das noch machen? Die Arbeit als Rentner auf der Deponie. „Wer rastet, der rostet. Ist doch so“, sagt Franz-Josef Schmücker. Von Aufhören spricht keiner der drei. „Die Chemie stimmt einfach bei uns, woll?“