Brilon. Von der Übernahme der Anliegergebühren partizipiert vor allem Brilon. Sie zog fünf Maßnahmen durch. Andere Kommunen legten ihre Projekte auf Eis.
Für den heimischen CDU-Landtagsabgeordneten Matthias Kerkhoff (Olsberg) ist es „eine gute Botschaft in Zeiten, in denen die Menschen ohnehin stark belastet sind.“ Das sieht sein Herausforderer um das Direktmandat in Düsseldorf, Hubertus Weber aus Brilon, genauso, wobei er sich eine kleine Spitze nicht verkneifen kann: „Schön, dass die Landesregierung schon vor der Wahl SPD-Politik macht“. Nach jahrelangem Hin und Her haben CDU und FDP in der vergangenen Woche nun doch die Abschaffung der sogenannten Straßenausbaubeiträge versprochen. Im Sommer 2020 war die SPD mit ihrem Vorstoß noch am Widerstand der Landesregierung gescheitert.
Bürgermeister fordern verlässliche Finanzierung
Mit ihrem aktuellen Regierungsantrag wollen CDU und FDP zunächst aber lediglich die Anlieger von der Zahlungsverpflichtung befreien, indem das Land ihnen diese Kosten auf dem Förderungswege abnimmt. Und genau das finden die heimischen Bürgermeister halbherzig, denn: „Wenn das Land NRW bereit ist, die Anwohneranteile vollständig zu übernehmen, wäre es aus kommunaler Sicht wünschenswert, diese Anteile komplett abzuschaffen. Dies wäre eine echte Erleichterung nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für die Kommunen“, sagt Wolfgang Fischer, Bürgermeister von Olsberg.
Dieser Meinung ist auch Brilons Bürgermeister Dr. Christof Bartsch (SPD). „Im Ergebnis“ sei die vollständige Entlastung der Anlieger von der Beitragspflicht „gut und richtig“, aber da nach wie vor das Förderverfahren abgearbeitet werden muss, werde der miterhoffte Entbürokratisierungseffekt nicht erzielt.
Brilon vorne dabeí
In der Briloner Stadtverwaltung, darauf weist SPD-Landtagskandidat Weber, im Rat Brilon Sprecher seiner Fraktion, hin, seien für Abrechnung und Förderung anderthalb Stellen eingeplant.
Später Erfolg für Volksbegehren
Bei einer 2018 vom Bund der Steuerzahler, dem Verband Haus & Grund und anderen Organisationen in NRW initiierten Volksbegehren hatten 437.202 Bürger für die Abschaffung der Anliegerbeiträge gefordert.
Mit der in der vergangenen Woche erklärten 100prozentigen Förderung der Anliegerbeiträge durch das Land müssen die jeweiligen Kommunen nun die Übernahme für jeden beitragspflichtigen Bürger beim Land beantragen.
Unterm Strich hat sich das für die Stadt des Waldes bisher ausgezahlt. Gehört Brilon doch zu jenen Kommunen, die mit rund 380.000 Euro ordentlich von der 50-Prozent-Förderung partizipiert haben. Das hört sich angesichts des mit 65 Millionen Euro gefüllten Fördertopfs zwar nicht viel an, erhält aber eine andere Dimension, wenn man - worauf Hubertus Weber hinweist - berücksichtigt, dass landesweit von den 396 Kommunen insgesamt lediglich elf Millionen Euro abgerufen worden sind.
Gesprächsbedarf sehen mehrere Bürgermeister bezüglich der in dem von CDU und FDP eingebrachten Regierungsantrag angesprochene Vermeidung von Konnexitätsfolgen für das Land, wer also letztlich die bisher von den Anliegern getragenen Kostenanteile übernimmt. Thomas Grosche (CDU), Bürgermeister von Medebach, hält es für „elementar wichtig, dass das Land die wegfallenden Einnahmen zu 100 Prozent refinanziert“.
Förderquote verdoppelt
Aktuell hat die Regierungskoalition ja lediglich aus Landesmitteln die Förderquote verdoppelt und den Kommunen die Anliegerbeiträge erstattet. Deshalb fordert zum Beispiel Thomas Schröder (CDU), Bürgermeister von Marsberg: „Sollten die Beiträge zukünftig entfallen, müssen die entstehenden Einnahmeausfälle bei den Gemeinden ausgeglichen werden.“
Frist für Erschließung
Die sogenannten Erschließungskosten für die erstmalige Herstellung einer Straße sind nach wie vor umlagefähig, allerdings soll dafür laut Bundesverwaltungsgericht künftig eine Abrechnungsfrist von maximal zehn Jahren gelten.
Auch Hallenbergs Bürgermeister Enrico Eppner (FDP) hält „die Nachhaltigkeit eines solchen Beschlusses“ für unumgänglich. Die jetzt versprochene Übernahme diene immerhin einer „Entspannung der Gemütslage“.
Und auch Winterbergs Bürgermeister Michael Beckmann ( CDU) findet: „Letztlich darf es nicht über den Umweg des Landes zu einer Mehrbelastung der Kommunen kommen.“ Die Kommunen benötigen Planungssicherheit um, „auch künftig gezielt und sinnvoll für unsere Bürgerinnen und Bürger in unsere Straßen und damit in unser kommunales Eigentum zu investieren.“ „Hier besteht sicher noch Gesprächsbedarf zwischen den Kommunalen Spitzenverbänden und der Landesregierung“, sagt Brilons Bürgermeister Dr. Bartsch.
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Den Vorwurf, dass der Regierungsantrag vor diesem Hintergrund ein wahltagorientierter Taschenspielertrick sei, weist CDU-MdL Kerkhoff strikt zurück: „Das entbehrt jeder Grundlage.“
Drei Kommunen legten Maßnahmen auf Eis
Für Michael Dröge, stv. Landesvorsitzender des Verbandes Wohneigentum NRW, sind Straßenausbaubeiträge „ein unberechenbarer Kostenfaktor für Wohneigentümer“. Oft genug seien sie zur Existenzbedrohung geworden. Hinzu komme: „Mit den Beiträgen zahlen Eigentümer die Zeche, wenn Kommunen die Instandhaltung von Straßen über Jahre vernachlässigt haben.“ Angesichts der jahrelangen Hängepartie um die Straßenausbaubeiträge haben sich die Kommunen bei den beitragspflichtigen Maßnahmen sehr zurückgehalten. Hinzu kommt, dass corona-bedingt über einen langen Zeitraum keine Anliegerversammlungen.
Winterberg
In Winterberg gibt es keine Straßenbaubaumaßnahme, die vor dem Hintergrund der neuen Finanzierungsmöglichkeiten rückabgewickelt oder angepasst werden müsste. In diesem Jahr geht es in der Kernstadt mit einem Teilabschnitt des Erlenweges und der Planung der Buchenweg-Sanierung los, in Silbach steht das Knäppchen an
Medebach
Auch in Medebach gibt es keine Straße, die unter die jetzt vereinbarte Regelung fällt. Die letzte KAG-Maßnahme war der Glindfelder Weg - und das liegt mittlerweile acht Jahre zurück. Alle anderen hatten Stadt und Rat angesichts der unklaren Entwicklung zurückgestellt. Dazu gehören die Ahornstraße, die Mauritiusstraße, die Schützenstraße und der Südwall. Das Abarbeiten beginnt in diesem Jahr mit der Ahornstraße. Daneben, so Bürgermeister Thomas Grosche, falle in einigen Straßen der normgerechte Erstausbau, die sogenannte Erschließung, an. Das sind Maßnahmen, die nach dem Baugesetzbuch abgerechnet werden. Die, und darauf weist Thomas Grosche hin, seien nach wie vor zu 90 Prozent von den Anliegern zu tragen.
Hallenberg
In Hallenberg liegt die letzte KAG-Maßnahme fünf Jahre zurück. Das war 2017 die Antoniusstraße. Im vergangenen Herbst hat die Stadt ihr Straßen- und Wegekonzept auf Basis der im Juni verabschiedeten 50-Prozent-Regelung aktualisiert. In diesem Jahr betrifft das den Gehweg entlang der L617 in Hesborn. Das Besondere dabei: Für die Sanierung der Ortsdurchfahrt ist Straßen NRW in der „technischen und monetären Verantwortung“, so Bürgermeister Enrico Eppner. Der Gehweg allerdings fällt in die Zuständigkeit der Stadt und die Arbeiten daran wären für die Anlieger beitragspflichtig. Weitere KAG-Maßnahmen wären die Grabenstraße, die im nächsten Jahr saniert werden soll, sowie die Bürgersteige im Talweg (2025).
Olsberg
In Olsberg wären seit 2020 drei Maßnahmen rückabzuwickeln. Durchweg geht es dabei um den Obolus für die Straßenbeleuchtung - das sind insgesamt gerade einmal 7500 Euro, die den Anliegern erstattet werden müssten. Außerdem sind die Vorauszahlungsbescheide für die Sanierung der Bruchstraße bereits verschickt worden. In diesem Jahr stehen 21 weitere Straßenbeleuchtungsmaßnahmen mit einem Gesamtaufwand von 288.000 Euro sowie der zweite Bauabschnitt in der Bruchstraße an.
Marsberg
In Marsberg fällt eine Maßnahme unter die Regelung - aber die hat es in sich. Insgesamt 104.000 Euro sind dabei umlagefähig. Dabei, so die Verwaltung, reicht die Spannbreite bei den Grundstücken nämlich von rund 500 bis rund 42.000 Euro. Auf Basis der bisherigen Regelung hat die Stadt die 50-Prozent-Förderung beantragt. Jetzt kämen noch mal rund 52.000 Euro Entlastung hinzu. Wegen der ganzen Diskussion um die KAG-Beiträge hatte die Stadt Marsberg verschiedene Maßnahmen in Niedermarsberg, Bredelar und Oesdorf auf Eis gelegt und für das laufende Jahr keine vorgesehen.
Brilon
Brilon hat schon richtig von der 50-Prozent-Quote profitiert. Für fünf Maßnahmen - der Kapellenstein in Wülfte, das Freudental in Thülen sowie in der Kernstadt die Südstraße, die Rixener Straße und die Altenbriloner Straße - gab es rund 378.000 Euro zurück. Zwischen 56.16 Euro und 17.007,88 Euro bekamen die Anlieger aufs Konto. Sie dürften sich jetzt noch einmal auf diese Summen freuen. Zurückgestellt hatte die Stadt die Sanierung von drei Straßen in Gudenhagen-Petersborn (Breslauer Straße, Sudentenstraße, Triftweg), Im Siepen in Scharfenberg und Kreuzweg in Alme. Coronabedingt durften bis Mitte vergangenen Jahres ohnehin keine Anliegerversammlungen stattfinden. Bis auf die Almer Maßnahme sind die Projekte für dieses Jahr geplant, neu hinzu kommt als KAG-Maßnahme die Straße Auf der Wankel in Hoppecke an.