Brilon. Heftige Kritik aus Brilon muss sich der NRW-Bau- und Liegenschaftsbetrieb gefallen lassen. Warum hatte er so viel Geduld mit dem Finanzamtkäufer?
Die Stadt Brilon prüft, ob es nach dem Rückzug des Finanzamt-Erwerbers für sie grundsätzlich eine Möglichkeit gibt, in das Verkaufsverfahren einzugreifen. Das sagte Bürgermeister Dr. Christof Bartsch auf Anfrage der WP. Wie berichtet, hatte der landeseigene Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) am Freitag gegenüber dieser Zeitung mitgeteilt, dass der Höchstbietende aus dem 2020 durchgeführten Bieterverfahren zum Jahresende von seinem Kaufinteresse Abstand genommen hat. Zu den Gründen wollte der BLB-Sprecher aufgrund der Vertraulichkeit des Verfahrens nichts sagen.
Für Bürgermeister Dr. Christof Bartsch kam der Rückzug nicht wirklich überraschend: „Die Zögerlichkeit in den Kaufverhandlungen und der offenbar nicht klare Plan des Investors deuteten darauf hin.“
Auf Facebook private Geldgeber gesucht
Klare Vorstellungen dürfte der Investor aus dem Süden in der Tat nicht von dem Objekt im Hochsauerland gehabt haben. Darüber hätte die Redaktion gerne mit ihm gesprochen. Hatte er doch am 28. November 2020, also unmittelbar nach dem Zuschlag, in der Immobilien-Entrepreneur-Community auf Facebook nach privaten Geldgebern gesucht und dabei das Ensemble am Steinweg wie folgt beschrieben: „Das Haus ist schön und die Substanz gut. Viele Bereiche sind neuwertig.“
Das dürfte in Brilon kaum jemand unterschreiben. Und der BLB selbst hatte in seinem Exposé von einem „teilweise erheblichen Instandhaltungsbedarf“ gesprochen. Das 1925 errichtete Stammhaus immerhin hält auch Bürgermeister Dr. Christof Bartsch für ein „das Stadtbild prägendes Bauwerk, dessen Erhalt sehr wünschenswert“ wäre.
Von eigener Immobilie in Mietgebäude
Das Hauptgebäude wurde 1925 gebaut, die beiden Seitenflügel kamen 1956 hinzu, die beiden in der Oberen Mauer angedockten Wohnhäuser stammen aus den 30er Jahren.2012 bezog das Finanzamt am Almerfeldweg ein Mietgebäude; damals hatten ein Investor aus dem Ausland und eine Briloner Unternehmerfamilie für das 2111 qm große Areal interessiert.2016 sollten die beiden oberen Etagen des Gebäudes zu Flüchtlingsunterkünften für bis zu 80 Personen umgebaut werden.
Die Sprecher von CDU und SPD, Eberhard Fisch und Hubertus Weber, haben allerdings Zweifel, ob eine Sanierung des Hauptgebäudes finanziell darstellbar ist. Weber: „Wenn es sich nicht rechnet, müssen wir eben in den sauren Apfel beißen. Das kann man einem Investor nicht verdenken.“
Wie berichtet, muss sich der Käufer gegenüber dem BLB verpflichten, 30 Prozent der auf dem Areal entstehenden Geschossfläche auf 25 Jahre dem sozialen Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen. Und was der BLB zudem von einem Käufer erwartet: Auf Verlangen hat der künftige Erwerber eine belastbare Finanzierungsbestätigung einzureichen.
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Um die hatte sich der Geschäftsmann aus München bereits im November vorletzten Jahres gekümmert - ebenfalls per Facebook: Da wollte er wissen, ob es „generell sinnvoll“ sei, private Kapitalgeber in das Projekt einzubeziehen und zu welchen Zinskonditionen Gruppenmitglieder einsteigen würden.
CDU-Sprecher Fisch findet es fragwürdig, wie viel Zeit der BLB gebraucht habe, um das Konzept des Investors und die Finanzierung zu prüfen: „Das kann doch nicht über ein Jahr dauern. Da muss man zielorientiert verhandeln und Fristen setzen.“
Gutachterwert 210.000 Euro
SPD-Sprecher Hubertus Weber hofft, dass es „jetzt zügig weitergeht“. Seiner Meinung nach sollte sich die Stadt nach wie vor aus dem Verfahren heraus halten: „Wohnungen bauen können andere besser.“
Über die Identität des zweithöchsten Bieters, mit dem der BLB nun Kontakt aufnehmen will. hüllt sich der BLB in Schweigen - auch der Stadt gegenüber, wie Bürgermeister Dr. Bartsch sagt. angeblich hat es aber auch Interesse bei heimischen Investoren gegeben.
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Die Stadt hat bekanntlich ihr Vorkaufsrecht verfallen lassen, als das gesamte Areal für den vom BLB ermittelten Gutachterpreis von 210.000 Euro zu haben war. Das war auch im anschließenden Bieterverfahren das Einstiegsgebot für das „repräsentative Gebäude mit Geschichte“ geworden.
Die CDU hält dort nach wie vor die Einrichtung eines Azubi-Wohnheims für sinnvoll. Auf jeden Fall sollte die Stadt einen Fuß im Verfahren haben und auf die Gestaltung des Areals Einfluss nehmen. Verändern wird sich am Kreisverkehr mit seinem Europa-Brunnen in naher Zukunft einiges: Der baufällige Turm der Evangelischen Stadtkirche wird abgerissen, durch einen freistehenden Glockenturm ersetzt und die Kirche erhält an dieser Stelle einen neuen Eingangsbereich.