Scharfenberg. Es ist eins von nur sechs bewilligten EU-Corona-Aufbauprojekten und soll in Brilon Naturtourismus und die Biodiversität fördern. Darum geht es:

Bisher ist das langgezogene, keine 40 Meter breite Tal hinter der Scharfenberger Schützenhalle wohl nur den Einwohnern des Briloner Ortsteils als Spazierweg bekannt. Das soll sich ändern. Und das lässt sich das Land 560.834,02 Euro kosten. Geld, das aus der Corona-Aufbauhilfe der EU stammt und mit dem „naturtouristische Angebote“ in NRW geschaffen werden sollen. Projektname der in Scharfenberg geplanten Maßnahme: „Wiedervernässung des Kloßsiepentales als siedlungsnaher Naturerlebnisraum“. Beim Ortstermin stellt sich dem Außenstehenden spontan die Frage: Wofür so viel Geld? Ist doch auch so schon schön hier, schön abgeschieden und ruhig. Und: Wo überhaupt ist hier der Bach?

. Der Kloßsiepen-Bach soll zurück in die Mitte der Brüggenwiese gelegt werden. Es geht um Biodiversität, Hochwasserschutz und touristische Aufwertung
. Der Kloßsiepen-Bach soll zurück in die Mitte der Brüggenwiese gelegt werden. Es geht um Biodiversität, Hochwasserschutz und touristische Aufwertung © Stadt brilon

Aber Adriane Plewka, Bauingenieurin bei den Stadtwerken Brilon und Planerin des Projektes, kann aufklären. Ziel ist, den strack am Südhang des Tales bis zu zwei Meter tief eingegrabenen und deshalb nur im Bereich der Brücke am Prozessionsweg aus zu sehenden Bach in flachen Mäandern in die Mitte des Tales zu verlegen. Dorthin, wo er nach der Preußische Uraufnahme, der zwischen 1830 und 1865 vorgenommenen Landvermessung, auch früher her verlief.

Wiesental besser nutzen

Irgendwann habe man den Bach an den Rand verlegt, um das schmale Wiesental besser nutzen zu können, erklärt die Expertin. Im Laufe der Jahrzehnte habe sich der Bach dort dann immer tiefer eingegraben und in etlichen Bereichen von der Aue abgekoppelt. Folge: Die Aue wurde nicht mehr durchfeuchtet, sondern zum Bach hin entwässert und der Boden trocknete aus.

Das Tal von oben. zurzeit fließt der Kloßsiepen rechts am Rand. Rund 560.000 Euro hat der RP für die
Das Tal von oben. zurzeit fließt der Kloßsiepen rechts am Rand. Rund 560.000 Euro hat der RP für die "Wiedervernässung des Feuchtwiesenkomplexes" bei Scharfenberg bewilligt. © Stadt brilon

Durch die Verlegung sollen der Bach bei Hochwasser entschleunigt und beim Anfall extremer Niederschlagsmengen die Wiesen überflutet werden. Das am Wiesenrand als Puffer für die Kläranlage angelegte unterirdische Regenrückhaltebecken bleibt erhalten.

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Das bisherige Bachbett wird mit Bodenmaterial von der Möhneburg verfüllt. Unmittelbar neben der B 516 werden die früheren Auen wiederhergestellt. Nachdem bereits vor einiger Zeit in der Brüggenwiese ein Baumbestand beseitigt wurde, sei, so Adriane Plewka, das gesamte Tal von Scharfenberg über das Bermecketal bis zur Möhneburg für Luftströme und Insekten durchgängig.

Eigentümerin der Talfläche ist die Stadt. Künftig sollen im oberen, ortsnahen Bereich Schafe und Ziegen weiden und im weiteren Verlauf die Wagyu-Rinder eines Scharfenberger Züchters. Adriane Plewka: „Neben einer ökologischen Verbesserung der Pflanzengesellschaft wirkt sich die Beweidung auch positiv auf die Insektenvielfalt aus. Das wiederum ist unter anderem gut für die Vogelwelt.“

Besenbinder-Hütte ganz in der Nähe

Ortsvorsteher und CDU-Ratsherr Lukas Wittmann ist genauso wie SPD-Ratsherr Heinz-Gerd Gehling von den Maßnahmen zur touristischen Aufwertung der Brüggenwiese angetan. So werden zwei Rundwege angelegt, die zunächst an dem Wiesental entlang und dann auf den Höhenrücken in Richtung Rabenknapp und Alte Burg führen. Den Kloßsiepen selbst sowie kleinere Quellbäche können die Spaziergänger auf Trittsteinen passieren, für die Rast zwischendurch werden Bänke und Tische aufgestellt, vorgesehen sind auch Info-Tafeln und ein Steg. Ganz in der Nähe liegt die Besenbinder-Hütte, der legendäre Grill- und Feierplatz des Dorfes.

Nur sechs Projekte

Bis 30. September konnten die Förderanträge für das React-EU-Programm gestellt werden.

Im Regierungsbezirk Arnsberg sind 19 Anträge eingegangen, von denen sechs bewilligt wurde.

Der Geldsegen der Europäischen Union beschert der Stadt Brilon ein Luxusprobleme. Denn ursprünglich sollte diese Maßnahme aus dem sogenannten Ersatzgeld mit- und aus dem EU-Programm nur kofinanziert werden. Gut zwei Millionen Euro kamen durch den Bau der Windräder auf Briloner Stadtgebiet als Ausgleichsabgabe zusammen. Das Geld soll vorrangig dort für Öko-Maßnahmen ausgegeben werden, wo es angefallen ist. Allerdings sind die Genehmigungshürden hoch - und die Zeit knapp. Deshalb will der Kreis sogar im Bereich de Unteren Naturschutzbehörde zwei Stellen zusätzlich schaffen.