Winterberg. Eine Winterberger Familie geht mit Kind und kleinem Gepäck auf große Reise. Dafür machen sie einen radikalen Schnitt zu ihrem bisherigen Leben.

Die Wohnung ist leergeräumt, der Job gekündigt, der Wohnsitz abgemeldet. Auto, Waschmaschine und Hausrat sind verkauft - in wenigen Tagen werden Carina und Nico von Kölln gemeinsam mit ihrer siebenjährigen Tochter Marla in ein neues Leben starten. Die Winterberger Familie will mit kleinem Gepäck auf große Reise gehen und muss sich dafür von vielen lieb gewonnen Dingen trennen.

Der Countdown läuft

Am 3. November geht es los: Wenn alles so wie geplant klappt, wird der Flieger um 13.45 Uhr vom Frankfurter Flughafen aus in Richtung Thailand abheben. In den vergangenen Monaten hat sich die Familie sehr intensiv um die Vorbereitung ihrer großen Abenteuerreise gekümmert. Urlaub gemacht haben sie in Thailand schon mehrmals, doch diesmal wollen sie länger bleiben und anschließend nicht den Heimflug antreten.

Von Ballast trennen

Carina von Kölln war bis Ende September im Hauswirtschaftsbereich der Mutter-Kind-Klinik beschäftig, ihr Mann Nico hat in der Gastronomie gearbeitet. Schritt für Schritt haben sie sich in den vergangenen Monaten „von sehr viel Ballast getrennt“. Viele Sachen haben sie verschenkt oder weggegeben und an zwei Tagen haben sie in ihrer Wohnung einen Flohmarkt veranstaltet. Übrig geblieben sind nur einige wenige Kartons mit sehr persönlichen Dingen wie Foto-Alben, Erinnerungsstücken oder wichtige Unterlagen, die sie unterstellen können bei einem „lieben Menschen , der uns auf dem Weg zur Weltreise unterstützt hat wo er nur konnte” . Nico von Kölln erzählt: „Ich besitze praktisch nur noch mein technisches Equipment, das ich unterwegs zum Arbeiten benötige, meinen Hochzeitsanzug und eine Grundausstattung Kleidung: zwei Hosen, sieben T-Shirts, zwei Paar Socken und Unterwäsche.“

Start in ein neues Leben

Seiner Frau Carina fällt es allerdings nicht ganz so leicht, sich von vielen liebgewonnen Sachen zu trennen. und nur mitzunehmen, was in einen Rucksack passt. Doch sie hat die Erfahrung gemacht: „Je mehr wir abgegeben haben, desto leichter wurde es. Irgendwann ist es dann richtig befreiend, wenn aller Ballast weg ist. Es ist wirklich kaum zu glauben, was man alles ansammelt und gar nicht braucht.“ Für die beiden ist der Start ihrer Reise, deren Länge noch offen ist, auch ein Start in einen komplett anderen Lebensstil. „Jeder von uns dreien hat Wünsche und Ziele formuliert, die wir umsetzen wollen“, erzählt Nico von Kölln. Er möchte künftig gerne gesünder und bewusster leben, abnehmen und erleben, wie Menschen an anderen Orten dieser Welt leben. Unterwegs wird er als Suchmaschinen-Optimierer arbeiten, wodurch der Familie auch ein regelmäßiges Einkommen zur Verfügung stehen soll.

Marla (7) wird unterwegs unterrichtet

Carina möchte etwas für ihre Kondition und Fitness tun und hofft, unterwegs auch ihre Höhenangst zu überwinden. Auch sie möchte nach Möglichkeiten suchen, zum Lebensunterhalt beizutragen. Tochter Marla hat ganz viele Ideen, was sie erleben möchte: Tauchen, mit Delfinen schwimmen, Koalas streichen. „Es ist schön, wie unbeschwert sie an die Reise herangeht“, freut sich Nico von Kölln. Eigentlich wäre die Kleine in diesem Jahr eingeschult worden. Doch nach Rücksprache mit dem Schulministerium hat die Familie eine Lösung gefunden: Marla ist bis zum Reiseantritt von der Schule beurlaubt. Und wenn die Familie ihren Wohnsitz in Deutschland aufgibt, unterliegt die 7-Jährige nicht mehr der Schulpflicht.

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Trotzdem soll Marla Lesen und Schreiben lernen. Die Eltern wollen sie unterwegs selbst unterrichten: „Wir haben uns entsprechende Materialien besorgt und werden jeden Tag Zeit für den Unterricht einplanen“, erklärt Nico von Kölln. Ihr erklärtes Ziel ist es, Marla den Grundschulstoff zu vermitteln. „Wir planen zwischen zwei und vier Jahren unterwegs zu sein“, erklären Nico und Carina. Dann können sie sich gut vorstellen, sich irgendwo niederzulassen und ihre Tochter in eine ganz normale weiterführende Schule zu schicken. Wo das sein wird, sei noch komplett offen.

Abschied nehmen

Und so heißt es nun natürlich nicht nur Abschied nehmen von vielen materiellen Dingen, sondern auch von Freunden und Familie. Und da fließt dann trotz aller Reisevorfreude doch die eine oder andere Träne, erzählt Carina von Kölln. Um so mehr freut sie sich, dass sie und ihr Mann im Sommer den Weg zum Standesamt gegangen sind und noch einmal mit allen gemeinsam gefeiert haben. Unterwegs wollen die beiden noch einmal ganz romantisch am Strand nach einer buddhistischen Zeremonie heiraten. Brautkleid und Anzug sind bereits in einem Karton verpackt, der später für sie auf die Reise geschickt werden soll.

Bangen: Kommt das Einreise-Zertifikat rechtzeitig?

Für Stress sorgt kurz vor der Abreise allerdings noch die thailändische Bürokratie: Aufgrund der Corona-Pandemie benötigen sie neben einem Drei-Monats-Visum, das sie längst haben, ein Einreise-Zertifikat. Es ist, so Nico von Kölln ebenfalls schon lange beantragt, liegt aber noch immer nicht vor. Nachweisen mussten die Backpacker dafür, dass sie eine Corona-Krankenversicherung mit einer Mindestdeckung abgeschlossen haben und eine Hotelbuchung für die ersten Tage in einem zertifizierten Hotel, das bestimmte Corona-Standards erfüllt.

Impfungen und Behörden-Marathon

Auf der langen To-do-Liste für die Reise standen neben der Corona-Impfung auch eine ganze Reihe weiterer Schutzimpfungen für die Winterberger Familie an. Bis zum Reiseantritt werden noch die restlichen verkauften Sachen abgeholt: Das Auto, die Waschmaschine, der Trockner usw. Für den Fall, dass später noch wichtige Post eintrudelt, haben die von Köllns eine digitale Postbox eingerichtet. Dabei wird die Papierpost digitalisiert und in einer App zur Verfügung gestellt. „Es ist unglaublich, woran man alles denken muss“, so der Familienvater.

Gute Fahrt!

Seine Einschätzung: „Ganz ehrlich: Im Moment überwiegt noch der Stress die Vorfreude. Wir müssen unglaublich viel bedenken und organisieren. Um so mehr freuen wir uns darauf, wenn die ganze Anspannung dann von uns abfällt.“ Seine größte Sorge ist es, dass das Einreise-Zertifikat nicht mehr rechtzeitig eintrifft. Und was dann? Dafür gibt es Plan B: „Dann fliegen wir ganz spontan nicht nach Phuket, sondern nach Mexico und ziehen diesen Teil unserer Reise vor.“ Als weitere Reise-Etappen sind Kambodscha, Laos, Vietnam, Indonesien, die Philippinen, Australien, Neuseeland und Amerika geplant.

Da bleibt nur eins zu wünschen: Gute Fahrt!