Brilon/Marsberg. Der 21. Juli ist Gedenktag für verstorbene Drogenabhängige. Dazu gibt es aktuelle Zahlen und Fakten rund um Sucht und deren Behandlung

Die Zahl der Drogentoten liegt im Hochsauerlandkreis deutlich unter dem Landesdurchschnitt. Wie IT.NRW anlässlich des heutigen nationalen Gedenktags für verstorbene Drogenabhängige mitteilt, starben im Jahr 2019 kreisweit 32 Menschen unmittelbar an den Folgen von übermäßigem Drogenkonsum, das waren sieben mehr als im Jahr 2018. Bei 30 Todesfällen war Alkohol die Todesursache, bei zwei die Einnahme von psychotropen Substanzen oder Betäubungsmitteln. Zum Vergleich: Für das Jahr 2009 führen die Statistiker kreisweit 43 Todesfälle durch Drogenmissbrauch auf, von denen 34 auf Alkohol zurückzuführen waren.

Die drogenbedingte Sterbefallquote lag im Jahr 2019 im Hochsauerlandkreis bei 1 Prozent. Auch hier der Vergleich: Im Regierungsbezirk und auf NRW-Ebene lag sie bei 1,3 Prozent. Die höchste Quote weist mit 1,95 Prozent Oberhausen auf, Hagen kommt auf 1,88 Prozent. Die niedrigsten Quoten liegen in Südwestfalen, und zwar in den Kreisen Olpe mit 0,61 Prozent und Siegen-Wittgenstein mit 0,64 Prozent.

Initiative von Eltern eines Opfers

Das durchschnittliche Sterbealter der nicht an Alkohol verstorbenen Drogentoten ist zwischen 2009 und 2019 von 45,3 auf 50,2 Jahre gestiegen.

Der nationale Gedenktag für verstorbene Drogenabhängige wurde 1998 eingeführt. Der Landesverband der Eltern und Angehörigen für humane und akzeptierende Drogenarbeit NRW hatte ihn ausgerufen, um gegen die repressive Drogenpolitik in Deutschland zu protestieren, die - so der Verein für innovative Drogenselbsthilfe Vision - durch „jahrelange Stigmatisierung und Ausgrenzung verbunden mit permanentem Verfolgungsdruck .... in vielen Fällen zu einem so schlechten Allgemeinzustand“ führe, dass „die Gefahr einer unbeabsichtigten Überdosierung massiv steigt“. Die akzeptierende Drogenarbeit versteht sich als „Gegenbewegung zu bevormundender, ausschließlich abstinenz-orientierter Arbeit mit Konsumenten illegaler Drogen“, so der Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik akzept.ev (www.akzept.eu)

Überdosis Heroin Haupt-Todesursache

Im vergangenen Jahr starben bundesweit 1237 Menschen an den Folgen ihres Drogenkonsums.

529 Menschen verloren durch eine Überdosis Heroin ihr Leben, weitere 326 in Verbindung mit einer anderen Substanz.

944 Drogentote waren 30 Jahre und älter.

Am 21. Juli 1994 war in Gladbeck ein Drogenabhängiger gestorben, dessen Mutter mit großem persönlichem Engagement auf die soziale und persönliche Not Drogenabhängiger hingewiesen und sich für eine menschliche Drogenpolitik eingesetzt hatte. Das führte dazu, dass die Stadt Gladbeck einen Gedenkstein für die Opfer von Drogenmissbrauch installierte. Mittlerweile beteiligen sich bundesweit rund 60 Städte an diesem Aktions-, Trauer- und Präventionstag im Bereich illegalisierter Drogen. Mittlerweile haben auch andere Länder diesen Gedenktag im Jahresablauf installiert.

Forderung: Nationale Drogenpolitik ändern

Auch im Altkreis Brilon findet anlässlich des Gedenktages heute eine Aktion statt, und zwar in Marsberg. Von 8.30 bis 11 Uhr ist die Sucht- und Drogenberatungsstelle des Caritasverbandes Brilon dort auf dem Marktplatz mit einem Info-Stand präsent. Neben Vertretern des Beratungsstellen-Teams ist auch ein Vorstandsmitglied des Bundesverbandes JES vor Ort. Das Netzwerk setzt sich - daher die Abkürzung - für die Belange von Junkies, Ehemaligen und Substituierten ein. Vorrangiges Ziel ist „die grundsätzliche Neuorientierung der deutschen Drogenpolitik, um ein menschenwürdiges Leben mit Drogen zu ermöglichen“. Dazu gehören unter anderem „Respekt und Akzeptanz gegenüber einer jeden Entscheidung, mit oder ohne Drogen leben zu wollen“, die „Beendigung der menschenunwürdigen Unterdrückung und Verfolgung“ von Drogengebrauch und Drogengebrauchenden und die „Abkehr vom Abstinenzideal“.

Langer Weg aus der Abhängigkeit

Die Suchtberatung der Caritas arbeitet hochschwellig und abstinenzorientiert, wie die Leiterin Liliane Schafiyha-Canisius gegenüber der WP sagte. Man will Konsumenten Wege aus der Abhängigkeit aufzeigen. Dabei ist die psychosoziale Begleitung von Substituierten ein wichtiger Baustein. Manchmal, so Suchttherapeutin Sabine Becker, erstrecke sich die Unterstützung „über Jahrzehnte“.

Das Jahr 2020 mit seinen corona-bedingten Einschränkungen und den Lockdowns sei für viele Klienten „eine große Belastung“ gewesen. Gespräche waren lange nur per Video möglich, und je länger die Einschränkungen und existenzielle Auswirkungen - weniger Kontakte, Kurzarbeit, Schließung von Warenkörben und Geschäften, Angst vor Covid 19-Infektion - dauerten, desto mehr Klienten hätten dem Druck nicht mehr standgehalten und sich in Alkohol- und Drogenkonsum geflüchtet. Negativen Einfluss habe auch „die permanente Katastrophen-Berichterstattung der Medien“ gehabt, die „erfahrene Traumata unbewusst reaktiviert“ hätten.