Hildfeld. Das Sauerland ist für Bier bekannt, aber zwei Männer aus Bochum möchten in Winterberg Wein anbauen. Ihr Enthusiasmus wird auf die Probe gestellt.

Was haben Wein und ein Steinbruch gemeinsam? Eigentlich nichts. Außer in Hildfeld. Hier gibt es seit dem Pfingstwochenende auf einer Schieferhalde im Diabas-Steinbruch das wohl erste Weinanbaugebiet im Hochsauerland. Angepflanzt haben es Andre Mauer (34) und Maximilian Hackert (31) aus Bochum.

Weinanbau im bier-affinen Sauerland auf rund 750 Höhenmetern. Das hört sich im ersten Moment ziemlich schräg an, geben die beiden lachend zu. Die Rahmenbedingungen beim Pflanzen der 100 Rebstöcke am Pfingstsamstag - angeseilt im gefühlt senkrecht abfallenden Steilhang mit Sturmböen, peitschendem Regen und Temperaturen um 5°C - stellen ihren Enthusiasmus zudem auf eine erste harte Probe. Sie stammen beide aus dem Ruhrpott, sind seit der Kindheit befreundet und in der Bau- und Immobilienbranche tätig.

Viel Zeit im Sauerland verbracht

Durch familiäre Verbindungen haben sie von klein auf viel Zeit im Sauerland verbracht. Neben dem Segeln verbindet sie das gemeinsame Hobby Jagen. Und natürlich die Vorliebe für Wein, Andre Mauer betreibt z.B. seit acht Jahren den Glühwein-Stand „Kuhstall“ auf dem Bochumer Weihnachtsmarkt. Er ist Jagdpächter des Reviers am Steinbruch, daher rührt die Beziehung zu Hildfeld. Durch persönliche Kontakte im Dorf kam die Möglichkeit zustande, für das Weinprojekt auf dem Steinbruch-Gelände eine Halde aus Schiefer zu nutzen, einem Nebenprodukt des dortigen Diabas-Abbaus.

Der Weinberg von unten. In der Bildmitte sind die Sicherungsleinen zum Anseilen zu sehen.
Der Weinberg von unten. In der Bildmitte sind die Sicherungsleinen zum Anseilen zu sehen. © Unbekannt | Rita Maurer

Ganz so blauäugig, wie diese Idee vom Weinberg im Hochsauerland im ersten Moment klingt, gehen die beiden Neu-Winzer jedoch nicht ans Werk. In den vergangenen Monaten haben sie sich ausführlich in das Thema eingelesen und sich in einer Rebschule – das Pendant zu Baumschulen – beraten lassen, welche Weinsorte sich für das eher raue Klima in den Sauerländer Hochlagen eignen könnte. Dabei haben sie sich für „Solaris“ und „Cabaret noir“ entschieden – eine Weißwein- und eine Rotwein-Rebsorte, die beide schon vergleichsweise früh gegen Ende August oder Anfang September reifen und gut Frost vertragen können. Im Frühjahr haben sich Andre Mauer und Maximilian Hackert zudem mit einem Winzer in der Pfalz getroffen, der genau diese beiden Rebsorten anbaut, und dort beim Rückschnitt geholfen. Geplant ist auch die Mithilfe bei der Lese und beim Keltern im Herbst, um praktische Erfahrungen zu sammeln.

Erste Weinlese erst im Herbst 2023 in Hildfeld

Bis in Hildfeld der erste Wein gelesen werden kann – die sogenannte „Jungfernlese“ – dauert es, wenn alles wie erhofft klappt, noch bis zum Herbst 2023. In den ersten zwei Jahren nach der Pflanzung tragen die Reben noch nicht, sondern sollen erst einmal Wurzeln und einen kräftigen Trieb als späteren Stamm ausbilden, der im kommenden Frühjahr dann wieder herunter geschnitten wird, um ihn zum richtigen Wuchs zu „erziehen“.

Der Standort gegenüber vom Clemensberg-Gipfelkreuz auf der Hochheide mit einem herrlichen Blick über Hildfeld, Grönebach bis hin nach Winterberg wirkt zwar auf den ersten Blick sehr ungewöhnlich, doch Schiefer kann gut Wärme speichern, zudem ist der Hang nach Südwesten ausgerichtet und hat dadurch fast den ganzen Tag Sonne, wenn sie denn scheint. Es steckt also offensichtlich viel durchdachte Recherche in der Aktion: „Mit diesem, zugegeben etwas optimistischen, Projekt wollen wir neben der Renaturierung der durch den Steinbruch geprägten Landschaft auch die Hoffnung vermitteln, dass man mit neuen Ideen und Konzepten der gravierenden Veränderung der Kulturlandschaft im Sauerland begegnen kann“, sagt Andre Mauer.

Weinanbau ist nicht wirtschaftlich

Die jetzt gerade frisch verpflanzten Rebstöcke bestehen aus einem Untergrund eines amerikanischen Rebstocks, auf den die Solaris- bzw. die Cabaret-Noir-Reiser aufgepfropft worden sind. Klingt kompliziert, ist aber ein gängiges Verfahren, weil sich die amerikanischen Unterlagen als sehr resistent gegen Rebläuse erwiesen haben, erklären die beiden Initiatoren. Die Wurzeln werden noch einmal angeschnitten, dann wird ein gut 30 Zentimeter tiefes Pflanzloch in den Hang gebohrt und der Rebstock so hineingesetzt, dass nur noch ein handbreites Stämmchen herausguckt.

Die frisch verpflanzten Rebstöcke.
Die frisch verpflanzten Rebstöcke. © Unbekannt | Rita Maurer

Könnte man den Rebstöcken in dem kargen, steinigen Boden nicht eine Handvoll Mutterboden spendieren? Nein, denn so werden die Wurzeln am besten zum Wachsen in die Tiefe angeregt und können mehrere Meter lang werden. Zum Wässern werden demnächst noch Schläuche verlegt, die bei Trockenheit mit dem aus dem Steinbruch abgepumpten Wasser gespeist werden können. Wenn die Rebstöcke gut anwachsen, wollen Mauer und Hackert eventuell noch weitere pflanzen. Wobei sie jedoch realistisch an die Sache herangehen: „Das Ganze ist ein Liebhaberprojekt und wird nie wirtschaftlich sein, schon weil aufgrund des steilen Geländes alles in reiner Handarbeit gemacht werden muss.“

Wie der Wein „made im Hochsauerland“ einmal heißen wird, ist noch nicht klar. Auf jeden Fall soll Hildfeld im Namen vorkommen. Und wahrscheinlich August und Ludwig, die Namen der Großväter. Maximilian Hackert kann sich auch künftig ein Weinfest im Dorf vorstellen: „Wer weiß, vielleicht gibt es bald die erste Hildfelder Weinkönigin!“