Liesen/Hesborn. Natascha Becker aus Liesen und Tobias Bierwas heiraten am Samstag. Statt großer Feier mit 85 Leuten werden sie danach allein auf dem Sofa sitzen.
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Seit zwei Jahren ist klar: Natascha Becker und Tobias Bierwas werden heiraten. Aber wann? „Vergangenes Jahr wurden die Planungen konkreter, dann kam Corona und wir haben uns gesagt: Lass es uns auf Frühjahr 2021 verschieben, damit gehen wir auf Nummer sicher. Aber falsch gedacht“, erzählt die 29-jährige. An diesem Samstag ist es nun soweit: standesamtlich und kirchlich auf einen Schlag. Aber die lang ersehnte Hochzeitsparty mit 85 Gästen, Musik, Tanz, Pauken, Trompeten und geschmückter Schützenhalle wird so nicht stattfinden.
In kleiner Runde
„Letzten September haben wir die Einladungen verschickt. Der DJ war gebucht. Eine Floristin sollte die Halle in Hesborn dekorieren. Das Essen und die Getränke waren ausgewählt. Ich bin ein Familienmensch und habe meine Leute gerne um mich. Das wäre eine schöne Gelegenheit gewesen. Aber dann kam der Lockdown im Dezember und wir haben uns von Monat zu Monat zunächst damit getröstet: Es sind ja noch ein paar Wochen. Mitte März war uns dann aber klar. Aus der Hochzeit, wie wir sie geplant hatten, wird nichts“, berichtet die 29-Jährige. Vergangene Woche kam der Anruf vom Hallenberger Standesamt. Inklusive Brautpaar dürfen acht Leute bei der Trauung im Kump dabei sein.
Ohne Oma ging gar nicht
Natascha Becker arbeitet als 24-Stunden-Intensivpflegerin und betreut zum Beispiel zu Hause Patienten, die beatmet werden müssen. Nicht zuletzt aufgrund ihres Berufs hat sie Respekt vor dem Corona-Virus und kann zumindest die meisten Beschränkungen gut nachvollziehen. „Wenn auch so langsam nicht mehr alles wirklich Sinn macht. Aber da müssen wir wohl durch.“
Wenn die Feier abgesagt werden muss
In NRW sind Trauungen weiterhin erlaubt. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Gäste die aktuellen Corona-Regeln beachten. Partys und ähnliche Feierlichkeiten sind untersagt. „Juristisch betrachtet liegt daher in diesem Zeitraum die Unmöglichkeit der Leistungserbringung vor“, sagt die Leiterin der Verbraucherzentrale Arnsberg, Petra Golly. Für Verbraucher bestehe daher keine Pflicht zur Zahlung. Entsprechend dürfe zum Beispiel der Vermieter einer Hochzeits-Lokalität bei einer Absage auch keine Stornokosten verlangen oder Gutscheinlösungen anbieten. Das Thema beschäftigt die Verbraucherberater immer wieder. Gerade auf dem Land, so Petra Golly, ließen sich solche Probleme oft einvernehmlich lösen. Da die Verfügungen laufend angepasst werden und sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden, sollte man sich stets aktuell erkundigen.Die Verbraucherzentrale berät zurzeit nur kontaktlos. Sie ist erreichbar unter 02932 51097-01 oder https://www.verbraucherzentrale.nrw/beratungsstellen/arnsberg
Noch einmal verschieben – das kam für das Brautpaar nicht in Frage. „Am 8. Mai hätten meine Eltern ihren 30. Hochzeitstag gefeiert; mein Vater ist aber leider schon verstorben. Allein ihm zum Gedenken kann es nur dieser Tag sein“, sagt die sympathische Sauerländerin. Sie ist zwar traurig, dass nicht alle engen Freunde und Verwandten beim Standesamt dabei sein dürfen. Manche haben aber auch von sich aus aus Sorge vor dem Virus abgesagt. Doch sie und ihr Mann – ein 37-jähriger Energieelektroniker für Betriebstechnik bei Mannesmann Line-Pipe aus dem Siegerland, der der Liebe wegen nach Liesen ziehen und den Nachnamen seiner Frau annehmen wird - wollen das Beste aus der Situation machen.
Erst Standesamt, dann Kirche
Um 10.30 Uhr geht es Samstag in den Hallenberger Kump. Natascha Becker wird ein petrol-farbenes Kleid tragen. Mit dabei sein wird auf jeden Fall ihre 91-jährige Oma. Die ist zweifach geimpft. „Und wenn wir den Rollator motorisieren müssten – meine Oma gehört dazu. Sie freut sich schon so lange auf den Tag. Ohne sie ginge das gar nicht. Dann werden noch Mutter, Stiefvater, Schwester und Trauzeugen dabei sein und das war’s.“ Einen Sektempfang vor dem Kump wird es nicht geben: Kein Alkohol im öffentlichen Raum! Und Mittagessen im Restaurant ist schließlich auch tabu. „Vielleicht können wir wenigstens draußen im allerengsten Familienkreis und streng coronakonform eine Kleinigkeit essen und die Zeit bis zum Nachmittag überbrücken“, hofft Natascha Becker. Denn um 14.30 Uhr läuten die Hochzeitsglocken der Hesborner St.-Goar-Kirche. Und bis dahin muss die Braut in das creme-farbene Kleid geschlüpft sein, das glücklicherweise etwas größer ausgefallen ist als eigentlich geplant. Dazu später mehr. „Von einer zahlenmäßigen Beschränkung in der Kirche weiß ich nichts. Aber es werden auch dort nur so viele Leute rein dürfen, wie es die Regeln zulassen.“
Foto-Shooting mit Hunden
Danach steht noch der Termin mit der Hochzeitsfotografin („Alles verderben lassen wollte ich mir ja auch nicht“), dem Gatten und den beiden eigenen Hunden Oskar und Yoshi an, die mit aufs Bild sollen. Und das war’s. Hochzeit vorbei. „Zu unseren Flitterwochen sollte es am 13. Mai nach Bad Hindelang in die Berge gehen. Das haben wir auch storniert. Wir werden wohl am Samstag ab 17 Uhr zu zweit auf dem Sofa sitzen, Fernsehen gucken und uns Pizza bestellen.“ Traumhochzeit geht anders. Aber egal.
Nach vorne gucken, lautet die Devise. Im September - eigentlich aus ärztlicher Sicht nicht für möglich gehalten – hat sich Nachwuchs bei den Beckers angesagt. Dann könnte die Taufe gefeiert werden und im November der 30. Geburtstag von Natascha Becker. „Wer weiß, was bis dahin alles wieder möglich ist? Dann holen wir das Feiern eben nach.“
Lebenselixier für die Oma
Für ihre Oma sind all diese Ereignisse nach einem überstandenen Oberschenkelhalsbruch regelrechtes Lebenselixier. Die Hochzeit der Enkelin wollte sie auf jeden Fall erleben. Ab Samstag erledigt. Das Urenkelchen möchte sie noch im Arm halten. Sollte klappen. Den runden Geburtstag der Enkeltochter feiern. Ist gebongt. Und bestimmt wird sie auch noch das Ende von Corona erleben...
Liebe Beckers, für Samstag trotz aller Einschränkungen einen schönen Hochzeitstag!