Scharfenberg. Zwei Hebammen haben im alten Pfarrhaus in Scharfenberg eine Praxis eröffnet. Sie wollen dort später eine Alternative zur Klinikgeburt etablieren.
Eine Karte auf dem Schreibtisch im Empfangszimmer zeigt, worum es Susanna Müller und Angelika Weimann geht: Sie wollen dafür sorgen, dass Schwangere die „Schönste Bauchsache der Welt“ auch tatsächlich als solche erleben. Die beiden Frauen haben im alten Pfarrhaus in Scharfenberg vor ein paar Monaten ihre eigene Hebammen-Praxis eröffnet, die später auch zum Geburts-Haus werden soll. Doch die Corona-Pandemie bremst diese Pläne zurzeit aus.
„Wohlfühlort“
Als Susanna Müller vor einiger Zeit das ehemalige Herrenhaus der Adelsfamilie von Weichs im Immobilienportal der Wirtschaftsförderung HSK entdeckte, wusste sich gleich: „Das ist der Wohlfühlort, den wir uns für unser Projekt vorstellen.“ Kennengelernt haben sich die beiden Hebammen bei ihrer dreijährigen Berufs-Ausbildung, die sie vor einem Jahr in Bochum abgeschlossen haben. Inzwischen haben sie das historische Gebäude am Junker 1 in Scharfenberg bezogen und die Praxis-Gemeinschaft „Nona“ (in Anlehnung an neun Monate Schwangerschaft) eröffnet. Seit September vergangenen Jahres betreuen sie Schwangere, die aus einem großen Einzugsgebiet kommen. Es reicht von Willingen über Brilon, Olsberg bis nach Schmallenberg und Arnsberg.
In Planung: Familienzimmer
Im unteren Geschoss des über 300 Jahre alten Gebäudes haben Susanna Müller und Angelika Weimann sich ihre Praxis-Räume im hellen, freundlichen Landhaus-Stil eingerichtet. Im Empfangszimmer, das durch einen Hauch von Rosa einen besonderen Baby-Charme bekommt, werden die schwangeren Frauen - und natürlich auch ihre Partner - beraten. Gleich nebenan ist ein gemütliches Untersuchungszimmer. Außerdem gibt es im Erdgeschoss eine Küche und ein Wartezimmer. „Das wird später, wenn wir Geburtshaus sind und Übernachtungs-Gäste haben, unser Speisesaal“, erklärt Angelika Weimann.
Geplant ist nämlich, dass künftig Frauen nach der Geburt dort übernachten können - mit dem Neugeborenen, mit ihrem Partner oder auch mit der ganzen Familie. Dafür entstehen im Obergeschoss Familienzimmer mit eigenem Bad. Ideal finden die beiden Hebammen den Standort in Scharfenberg auch wegen der Nähe zum Briloner Krankenhaus. So sei gewährleistet, dass die Schwangeren schnell in einer Klinik versorgt werden können, wenn es bei einer Geburt Komplikationen gebe.
Individuelles Erlebnis
Noch nicht fertig sind die zwei Geburtszimmer, die in dem weitläufigen Gebäude im unteren Bereich entstehen sollen. Fertig ist aber bereits der Kursraum im Keller. Entstanden ist ein heller, freundlicher Raum, in dem die verschiedenen Kursangebote stattfinden sollen; genutzt ist er aufgrund der Corona-Pandemie bisher allerdings kaum.
Ziel: Alternative zur Klinik-Geburt
„Die Kurse können wir zurzeit nur als Einzelstunden zum Beispiel zur Geburtsvorbereitung anbieten“, erklärt Susanna Müller. Beide Frauen finden es sehr schade, dass ihre Klientinnen die Schwangerschaft nicht so unbeschwert erleben können, wie man sich das eigentlich wünscht. „Viele Frauen sind verunsichert, möchten nicht in einer Klinik entbinden und haben Angst, dass ihr Partner ihnen nicht so zur Seite stehen kann, wie sie das gerne hätten“, erzählt Angelika Weimann. „Auch für die Männer ist es nicht schön, wenn sie zum Beispiel aufgrund der Corona-Vorgaben nicht mit zum Ultraschall beim Gynäkologen mitgehen können oder im Krankenhaus noch mal weggeschickt werden, weil sich die Geburt verzögert“, ergänzt ihre Kollegin.
Praxis-Gemeinschaft
Die 41-Jährige Susanna Müller lebt mit ihrer Familie in Arnsberg und bringt sehr viel persönliche Geburtserfahrung mit, denn sie hat selbst sieben Kinder im Alter von drei bis 18 Jahren. Viele Jahre hat sie in Holland gelebt und berichtet, dass dort Geburten außerhalb von Kliniken ganz selbstverständlich seien.
Um das Geburtsthaus-Projekt in die Tat umzusetzen, suchen die beiden Hebammen nun noch weitere Kolleg/innen, die in Scharfenberg mitarbeiten möchten. In eineinhalb Jahren wird auch der Mann von Susanna Müller in die Praxis-Gemeinschaft einsteigen. Er erlernt zurzeit ebenfalls den Hebammen-Beruf.
Pläne für Geburtshaus
Susanna Müller und Angelika Weimann wissen aus ihrer bisherigen Berufspraxis, dass sich viele Frauen eine außerklinische Geburt wünschen. Deshalb möchten sie künftig auch im Hochsauerlandkreis ein Geburtshaus etablieren. Genauso unterstützen sie aber jetzt und künftig selbstverständlich auch Frauen, die sich für eine Klinik-Geburt entscheiden. „Jede Frau sollte die Wahl haben, wie sie ihr Kind zur Welt bringen möchte. Das ist eine ganz individuelle Entscheidung“, erklärt Susanna Müller.
Zurzeit übernimmt die Hebammenpraxis die Schwangeren-Begleitung und natürlich auch die Nachsorge. Auch Hausbesuche werden - unter Einhaltung der Corona-Regeln - durchgeführt. „Uns ist es wichtig, dass die Frauen sich gerade in der derzeitigen Situation mit so vielen Unsicherheiten nicht allein gelassen fühlen“, so die beiden Hebammen.
Weitere Infos und Kontakt: www.hebammenpraxis-nona.de