Brilon/Marsberg. 1,5 Kilo Amphetamin stellte die Kripo in einer Wohnung in Marsberg sicher. Der Mieter bestritt, etwas damit zu tun zu haben - aus gutem Grund.

Er konnte die Finger nicht von den Drogen lassen: Gerade einmal vier Wochen, nachdem ein 33 Jahre alter Mann aus Marsberg wegen wiederholten Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zwei Jahre Knast auf Bewährung kassiert hatte, nahm ihn die Kripo in seiner Wohnung mit 1,5 Kilo Amphetamin hoch. Dafür bekam er am Donnerstag am Schöffengericht Brilon weitere zweieinhalb Jahre aufgebrummt, dieses Mal ohne Bewährung.

Glimpflicher kam ein 22 Jahre alter Kumpel davon. Ihn verurteilte das Gericht wegen gemeinschaftlichen Handelns mit Drogen in nicht geringer Menge zu anderthalb Jahren Freiheitsentzug, setzte die Strafe aber zur Bewährung aus. Grund: Im Gegensatz zu seinem Kumpel, der bereits neun Vorstrafen angesammelt hat, hat er noch keinen Eintrag im Bundeszentralregister.

Lakonischer Kommentar: „Dumm gelaufen.“

Und genau das wollten die beiden Angeklagten nach Ansicht des Gerichts und Staatsanwältin Sandberg in der Gerichtsverhandlung ausnutzen. Denn dort nahm der Jüngere alles auf seine Kappe. Er habe den Stoff mitgebracht, als er sich, wie öfter, für ein paar Tage bei dem Älteren einquartierte, um dort zu zocken und dabei auch „Nasen zu ziehen“.

Von wem er das Rauschgift bezogen habe, wollte der 22-Jährige nicht sagen. Er habe es „auf Kommission“ erhalten, etwa ein Viertel wollte er bei Bedarf im Bekanntenkreis verticken, der Rest sei für den Eigenbedarf gewesen. Um stets verkaufsbereit zu sein, habe er alles, was man zum Portionieren so brauche, im Rucksack dabei gehabt. Deshalb seien die ganzen in der Wohnung des vorbestraften Bekannten sichergestellten Utensilien auch seine. Sein Kommentar zu den Vorwürfen: „Dumm gelaufen.“

Nicht Menge, sondern Wirkstoffgehalt entscheidend

Die sichergestellte Amphetamin-Menge von 1,5 Kilo hatte einen Wirkstoffgehalt von 190 Gramm AmphetaminbaseGrenzwert für eine „nicht geringe Menge“ liegt bei 10 Gramm Amphetaminbase.Bis zu dieser Marke gilt eine Tat als Vergehen, darüber als Verbrechen; bei einem Verbrechen sieht das Gesetz als Mindeststrafe ein Jahr Haft vor.

Diese Version brachte ein als Zeuge geladener Bekannter aus dem Marsberger Drogenmilieu allerdings ins Wanken. Dem soll der 33-Jährige unmittelbar nach der Hausdurchsuchung gesagt haben, dass sein bis dahin nicht vorbestrafter Kumpel für alles den Kopf hinhalte, denn „der kann das locker verkraften“. Dass der 22-Jährige darauf eingegangen sei, habe er getan, „um sich selbst zu schützen“. Der Zeuge schildert den 33-Jährigen als Kopf der Szene.

Bei Aussage mit dem Tod gedroht

Wenn sich jemand in der Wohnung des 33-Jährigen Stoff abholte, habe zwar der 22-Jährige die Ware portioniert und ausgehändigt, das Geld dann aber immer sofort dem Älteren weitergegeben. Der Zeuge: „Die rufen dort an und kommen dann von überall her.“ Der 33-Jährige schrecke auch vor Gewalt nicht zurück, ihm selbst habe er angedroht, ihn nach der Verhandlung umzulegen, falls er aussage. Der Zeuge hatte die Angeklagten auch in Verdacht, bei ihm eingebrochen zu sein und sein Auto beschädigt zu haben.

Ein Kripo-Beamter, der an der Hausdurchsuchung teilgenommen hatte, sagte, dass der jüngere Angeklagte den Rucksack mit dem Rauschgift „fest umklammert“ habe. Ein anderer sagte, dass der ältere bei der Vernehmung zu Protokoll gegeben habe, dass die in dem Rucksack mitgeführten Kindersocken seiner Tochter gehörten. Im Gericht allerdings behauptete der 33-Jährige, dass er schon „seit fünf Jahren keinen Kontakt“ mehr mit ihr habe - „Nur Fotos, das war’s.“

Vier Wochen nach Verurteilung erneut erwischt

Staatsanwältin Sandberg stützte ihr Plädoyer auf die Aussage des Bekannten. Die sei zwar „mit Vorsicht zu genießen“, doch trotz der „erheblichen Belastungstendenzen“ stufte sie sie vom Grund her als glaubhaft ein. Außerdem würden einschlägige szene-typische Chat-Verläufe die Aussagen erhärten. Für die Angeklagten spreche eigentlich nur, dass der Stoff noch nicht in den Verkehr gelangt sei. Doch auch so sei laut bundesgerichtlicher Entscheidung der Tatbestand des verbotenen Handelns bereits erfüllt.

Für den bisher unbescholtenen Angeklagten forderte sie eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten Haft auf Bewährung (drei Jahre) sowie eine Geldauflage von 3000 Euro. Für den älteren, in dessen vorigem Verfahren sie auch schon die Anklage vertreten hatte - „Wir hatten Ihnen viel Vertrauen entgegengebracht.“ - forderte sie drei Jahre Haft.

Rechtsanwalt Entrup, der den 22-Jährigen verteidigte, meinte, dass es sich hier nur um die Vorbereitung eines Drogendeals gehandelt habe und sein nicht vorbestrafter Mandant ein umfassendes Geständnis abgelegt habe. Er bat um eine milde Strafe. Rechtsanwalt Zillikens sagte, dass die Zeugenaussage des Bekannten „nicht Grundlage für eine Verurteilung“ sein dürfe: Der habe seinen Mandanten „nur ans Messer liefern“ wollen. Angesichts des vorliegenden Geständnisses des Mitangeklagten käme für ihn nur Beihilfe in Betracht. Er habe gar nicht gewusst, was der 22-Jährige mit dem mitgebrachten Stoff vorgehabt habe. Zillikens plädierte auf eine Freiheitsstrafe von „deutlich unter“ den von der Staatsanwältin geforderten drei Jahren.

Geld für soziale Einrichtung im HSK

Auch das Gericht unter Vorsitz von Richter Neumann bezeichnete die Zeugenaussage als „nicht ganz unproblematisch“. Die Belastungstendenzen seien deutlich geworden, allerdings habe der Zeuge „Detailwissen aus der Wohnung“ gehabt und „sehr plastisch“ das Verhalten und das Verhältnis der beiden zueinander geschildert.

Im Wesentlichen habe der ältere „die Aktionen gesteuert“, der jüngere sei „eine Art Mitläufer“, der allerdings „in die Strukturen eingebunden“ und deshalb auch Mittäter war. Dem 33-Jährigen, der zurzeit die zweijährige Haftstrafe absitzt, droht nun unter Einbeziehung dieser Reststrafe eine neue Gesamtstrafe. Der 22-Jährige muss eine Drogenberatung aufsuchen und 1400 Euro an eine soziale Einrichtung im Hochsauerlandkreis zahlen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig