Marsberg. Wie kam es dazu, dass die Stadt Marsberg 2,5 Millionen Euro bei der Greensill-Bank anlegte? Bürgermeister und Kämmerer antworten auf WP-Fragen:
Bürgermeister Thomas Schröder (CDU) und Kämmerer Antonius Löhr übernehmen die Verantwortung für den Verlust der 2,5 Millionen Euro für die Stadt Marsberg nach der Pleite der Greensill-Bank. „Die Verantwortung tragen letztendlich der Bürgermeister und der Kämmerer“, heißt es in einer Antwort auf einen Fragenkatalog, den die WP-Redaktion an die Stadt Marsberg geschickt hat.
Der Fall
In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass die Stadt Marsberg 2,5 Millionen Euro bei der Greensill-Bank angelegt hatte – nur zwei Wochen, bevor die Bank insolvent wurde. Das Geld ist vermutlich verloren. Bei den heimischen Kreditinstituten hätte die Stadt Negativzinsen zahlen müssen. Bei der Greensill-Bank sah das anders aus. „Es handelt sich um einen leicht positiven Zinssatz“, so die Stadt gegenüber der WP.
Verantwortung der Verwaltung
Grundlage für die Anlage von Kapitalanlagen bei der Stadt Marsberg ist die Dienstanweisung zur Abwicklung von Finanzgeschäften aus 2017 – also aus der vergangenen Legislaturperiode. Laut Auskunft von Bürgermeister Schröder und Kämmerer Löhr handelt es sich um eine Dienstanweisung des Bürgermeisters für den Abschluss und die Abwicklung von Finanzgeschäften.
Demnach wurden am 19. Februar 2021 die eingegangenen Angebote für Festgeldanlagen „von mehreren Personen im Rathaus ausgewertet und sich einstimmig für die Festgeldanlage bei der Greensill Bank AG in Höhe von 2,5 Millionen Euro entschieden“. Zu dem Zeitpunkt seien trotz Recherche und Berücksichtigung vom Rating keine Risikofaktoren gegenüber der Greensill Bank AG im Rathaus bekannt gewesen. Von Finanzdienstleistern habe es ebenfalls keinerlei Hinweise auf etwaige Risiken und es seinen auch keine Bedenken anlässlich der mittlerweile ausgelaufenen Festgeldanlage aus dem Jahr 2020 gegenüber der Greensill Bank AG bekannt geworden. „Im Vertrauen auf das deutsche Bankenwesen und die damit verbundene Aufsicht durch die BaFin steht bewusst die Entscheidung für eine deutsche Bank. Gleichzeitig wird eine diversifizierte Anlagestrategie verwendet“, so Schröder und Löhr in ihrer Antwort.
Verantwortung der Politik
Das Fachmagazin „Der neue Kämmerer“ hatte allerdings schon 2018 Ausfallrisiken beschreiben. Die Greensill-Bank selbst wies auf ihrer Internetseite darauf hin, dass Einlagen von Kommunen bei ihnen nicht gesichert sind. War der Stadt Marsberg bewusst, dass die Einlage bei der Privatbank nicht abgesichert sind? „Ja, dieses grundsätzliche Vorgehen bezüglich der Geldanlage bei Privatbanken wurde bereits in einer Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 16. Mai 2019 mit der Politik abgestimmt. In einer weiteren Sitzung des HFA am 26. November 2020 wurde über eine Geldanlage bei der Greensill-Bank berichtet und die Details wie gewünscht kommuniziert. Es gab keine Abstimmung des Gremiums. „Das fällt auch nicht in dessen Zuständigkeit laut unserer Dienstanweisung. Die gibt es aber auch bei keiner Geldanlage“, so Löhr.
Die Risikoeinschätzung
Eine tatsächliche Gefahr, dass die Kapitalanlage verloren gehen könnte, sah die Verwaltungsspitzeoffenbar nicht. „Da kein Risiko gesehen wurde und die Verwaltung gleichzeitig bestrebt ist – wie im Übrigen bei allen anderen städtischen Transaktionen auch – die entstehenden Aufwendungen zu minimieren. Alternativ hätten sich die Steuergelder durch die Negativzinsen ohne Gegenleistung auf dem Bankkonto reduziert“, schreiben Bürgermeister und Kämmerer. Und: „Als Konsolidierungsmaßnahme wurden durch Festgeldanlagen in den vergangenen Jahren Belastungen durch Negativzinsen minimiert.“
Weitere Anlagen
Die Stadt Marsberg hat auch bei anderen Privatbanken Geld angelegt. Darüber seit der Stadtrat am 18. März bereits informiert worden. Die Ratsmitglieder würden darüber hinaus in der Rechnungsprüfungsausschusssitzung am 20. April über alle Finanzbeziehungen zu Privatbanken inklusive der Vertragslaufzeiten, der jeweiligen Beträge und den dazugehörigen Zinssätzen ausführlich informiert. „In der Öffentlichkeit dürfen diese Vertragsdetails leider nicht vollumfänglich offengelegt werden“, so Schröder und Löhr.
Ob die Stadt auch in Zukunft Geld bei Privatbanken anlegen wird, darüber entscheidet der Rat. Eine entsprechende Vorlage wird gerade erarbeitet.
Folgen für Bürger
Ob die Bürger der Stadt Marsberg durch den Millionenausfall mit Konsequenzen rechnen müssen z.B. in Form von Erhöhung von Abgaben oder Steuern beziehungsweise in Form von Investitionen, die nicht, eingeschränkt oder erst zu einem späteren Zeitpunkt getätigt werden können, darüber wollten Schröder und Löhr keine Auskunft geben und verweisen auf ein mögliches Klageverfahren, in dem es darum gehen könnte, das Geld zumindest teilweise zurückzuerhalten. Ob dies Aussicht auf Erfolg hat, ist ungewiss. Die Stadt lasse sich derzeit anwaltlich beraten und beraten und beteilige sich in einem Netzwerk der betroffenen Kommunen, das von der Stadt Monheim koordiniert wird.
Information der Bürger
Es vergingen rund 14 Tage bis der Bürgermeister der Stadt Marsberg die Öffentlichkeit über das Greensill-Desaster informierte. Thomas Schröder hält diesen Zeitrahmen für angemessen. Die Mitglieder des Rates seien mit einer schriftlichen Vorlage vom 5. März über das Moratorium der BaFin bezüglich der Greensill Bank AG und die e Geldanlage der Stadt Marsberg informiert worden. Am 11. März sei der aktuelle Sachstand mit den Fraktionsvorsitzenden erörtert worden. Dass es bis zum 18. März dauerte, bis die Stadt in einer Mitteilung einräumte, dass 2,5 Millionen Steuergelder vermutlich durch die Greensill-Pleite verloren wurde, liege daran, dass an diesem Tag die Ratsmitglieder ins der Ratssitzung informiert worden seien, um „damit auch konkret Stellung zu den Fragen der Bürger nehmen zu können.“