Winterberg. Durch möglichst viele Corona-Schnelltests erhoffen sich Handel, Gastronomie und Tourismus weitere Lockerungen. NRW schaut dabei auf Winterberg.
Wird der Corona-Schnelltest vorübergehend zum ständigen Begleiter? Bringt er uns mehr Freiheiten? Und kann er dafür sorgen, dass zum Beispiel Handel, Tourismus und Gastgewerbe wieder einen Schritt in Richtung Normalität gehen dürfen? Vor allem im touristisch geprägten Winterberg setzt man große Hoffnungen auf möglichst viele Testungen. „Die Franziskus-Apotheke plant mit der Stadt, mit Ärzten, der Wirtschaftsförderung Winterberg, der Praxis Dr. Taberski und weiteren Protagonisten ein kommunales Schnelltestzentrum, das hoffentlich schon nächste Woche an den Start gehen kann“, sagt der Sprecher der Apotheker im Altkreis Brilon, Jürgen Schäfer. Heute soll es dazu ein Treffen geben.
In engem Austausch mit Düsseldorf
Die Stadt, so Bürgermeister Michael Beckmann, stehe in engem Austausch mit dem Wirtschaftsministerium in Düsseldorf. Durch den derzeit möglichen Wintersport-Betrieb blicke man auf den Kurort und durch viele Testungen wolle man beispielhaft belegen, dass auf Dauer weitere Lockerungen ohne Risiko möglich seien. Der Corona-Schnelltest dient in erster Linie der Erkennung von Infizierten. Er ist aber zugleich auch ein Instrument, das ein Stück mehr Sicherheit und Gleichbehandlung bedeuten kann. „Bevor zum Beispiel in Österreich der Gang zum Friseur oder zur Fußpflege ansteht, ist der Weg ins Schnelltestzentrum obligat. In Deutschland ist das noch nicht so“, sagt Jürgen Schäfer. Er kann sich aber gut vorstellen, dass die Tests gerade in einer touristisch geprägten Region wie Winterberg einen ganz anderen Stellenwert bekommen werden. „Daher ist die Stadt sehr an einer Zusammenarbeit mit den gesundheitlichen Dienstleistern interessiert, um ein Schnelltestzentrum für unsere Bürger, aber auch für Touristen zu errichten. Wir sind keine geschlossene Gruppe; wer mitmachen möchte, kann sich melden.“
Schutzverordnung ist maßgeblich
Zwischen Stadt und Ministerium in Düsseldorf gibt es schon seit geraumer Zeit Gespräche mit dem Hintergrund, gewisse Lockerungen zu ermöglichen. „Wir können hier nur Empfehlungen und Vorschläge an die Politik machen. Jede Änderung oder Lockerung muss Aufnahme in die Allgemeine Corona-Schutzverordnung des Landes finden. Aber uns liegt natürlich viel daran, verantwortungsvolle Lösungen zu finden“, so der Bürgermeister.
Keine Zwei-Klassen-Gesellschaft
„Das ist wichtig, denn wir laufen ansonsten Gefahr, eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zu bekommen. Wir werden den Geimpften auf Dauer nicht verbieten können, in Urlaub zu fahren. Die werden jetzt schon von Fluggesellschaften umworben. Und auch hier bei uns kann man künftig dann Geimpften nicht mehr den Zugang zu Restaurants verweigern“, mutmaßt Schäfer. Denkbar wäre es für ihn, dass Personen mit einem negativen Test-Ergebnis z.B. einen Kinobesuch buchen können. „Es gibt einen grünen Punkt auf der App oder einen Ausdruck, der den Negativ-Test bestätigt. Ob er 24 oder 48 Stunden gültig ist, das muss der Gesetzgeber noch festlegen“, so Schäfer.
Dienstleistern eine Sorge nehmen
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Bislang hätten die Kosten für einen Schnelltest noch viele davon abgehalten, einen Test „nur“ für den Restaurantbesuch zu machen. Dank der Kostenübernahme durch den Bund eröffnen sich aber ganz neue Möglichkeiten nach umfangreicheren Testungen, die man in Winterberg auch intensiv nutzen möchte. Für Jürgen Schäfer ist klar, dass Zahlen über Infektionen und Tests dokumentiert und ausgewertet werden müssen, um Effekte belegen zu können. Neben einem Testzentrum in der Innenstadt sind für ihn auch mobile Stationen in Bussen oder Zelten in Skigebieten oder an besonderen touristischen Anlaufpunkten denkbar. Dass trotz allem die Corona-Schutzauflagen eingehalten werden müssen, sei selbstverständlich.
Für Schäfer hat der Schnelltest aber noch eine Dimension. „Man kann dadurch dem Dienstleister eine Belastung abnehmen. Für den Friseur ist es auch angenehmer, wenn er weiß, da kommt ein Kunde, der negativ getestet ist.“
Kommentar:
Ich höre die Kritiker schon: „Als gäbe es nichts Wichtigeres, als einen Freifahrtschein für einen Restaurant- oder Kinobesuch!“ Es geht nicht nur um Freizeitspaß. Es geht um den sehnlichen Wunsch nach einem Stückchen Normalität. Und dabei muss jeder von uns verantwortungsbewusst und nicht inflationär mit dem Instrument „Schnelltest“ umgehen.
Vielleicht müssen wir unseren Alltag vorübergehend so planen: Freitag habe ich frei. Dann möchte ich einen Verwandten im Altenheim besuchen. Wenn ich um 10 Uhr einen Schnelltest machen lasse und der negativ ausfällt, könnte ich um 12 Uhr zum Friseur und danach noch einen Kaffee trinken gehen. Einmal „frisch getestet“ könnte ich am Abend sogar versuchen, für meine Frau und mich einen Platz im Restaurant zu buchen - sofern die auch den „grünen Stempel“ hat. Wir kämen beide mal raus, und das Lokal könnte etwas verdienen. Natürlich achten wir trotzdem auf die AHA-Regeln.
Tests könnten auch Neidern den Wind aus den Segeln nehmen, die jetzt schon auf bestimmte Alters- oder Berufsgruppen schielen, weil jene schneller als sie an der Piks-Reihenfolge sind. Kann man nicht eigentlich auch mal gönnen und sich für andere freuen?
Zumindest für ein paar Stunden könnte der Test uns das Pandemie-Geschehen vergessen lassen. Normalität wird ohnehin erst wieder einkehren, wenn viele geimpft sind. Aber wir müssen schrittweise wieder dahin kommen, dass wir bei zwei Menschen, die zusammen im Café sitzen nicht an Leichtsinn oder Gefahr denken, sondern an Normalität. Thomas Winterberg