Brilon. Die Spannungen in Familien sind spürbar. Corona, Lockdown und Kontaktverbote - das nervt. Die Familienberatung der Caritas bietet Hilfe an.

Der Name klingt sperrig: Erziehungsberatungsstelle. Dabei ist das Angebot weitaus vielfältiger. Es geht um Hilfestellungen. Wenn es in Familie, Schule oder mit dem Studium nicht klappt. Wenn der Antrieb fehlt. Wenn mal jemand von außen auf das verkorkste Innen schauen sollte. Wenn man als Frau oder auch als Mann an dem Anspruch scheitert, auf ganzer Linie als Erzieher, Arbeitnehmer, Partner, Sohn, Tochter und einfach nur als Individuum zu 100 Prozent seinen Mann bzw. seine Frau stehen zu wollen.

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Beratungsstelle hat geöffnet

Damit Menschen bei all diesen Problemen nicht allein gelassen werden, gilt der Corona-Lockdown nicht für Beratungsstellen. Doch die Menschen scheinen verunsichert, ob der Anlaufpunkt des Caritasverbandes Meschede in Brilon trotz der Pandemie weiter für sie da ist. Zu Unrecht: „Denn unabhängig von Corona stellt der Alltag die Menschen vor Herausforderungen, denen sie allein nicht gewachsen sind“, sagt die Leiterin der Beratungsstelle für Kinder, Eltern und Jugendliche, Christiane Treeck.

Werden Sie gerade im Lockdown von Anfragen überrannt, wie man trotz Home-Schooling und Home-Office den Familienfrieden wahren kann oder scheuen die Menschen eher eine Kontaktaufnahme?

Aktuell nimmt die Zahl an Anfragen wieder deutlich zu. Normalerweise nehmen die Leute auf Empfehlung eines Familienzentrums, Kindergartens, einer Schule oder eines Bekannten Kontakt mit uns auf. Mal verweisen auch Ärzte, Rechtsanwälte oder das Jugendamt an uns. 2020 waren die Zahlen unserer Fälle im Vergleich zum Vorjahr trotz Corona stabil. Es waren rund 350 Fälle im Altkreis Brilon – um die 200 sind Neuanmeldungen gewesen. Manche nehmen unsere Hilfen einmal in Anspruch, andere aber auch mehrfach oder über das ganze Jahr verteilt. Das Interesse und der Bedarf sind da. Aber der Lockdown jetzt hat die Leute und auch die Einrichtungen verunsichert. Sie fragen sich: Darf ich in diesen Zeiten überhaupt das Haus verlassen und eine Beratungsstelle aufsuchen und ist da überhaupt jemand? Beide Fragen kann man klar mit Ja beantworten. Viele haben aber auch jetzt gerade ihre Kinder zu Hause, müssen gucken, wie sie die Situation handeln und daher müssen andere Probleme und persönliche Beratungen erstmal hintenanstehen.

Spannungen eskalieren immer häufiger

Durch die Bewegungseinschränkungen hängen die Menschen ja viel enger aufeinander. Hat sich das Konfliktpotenzial dadurch verschärft?

Nachdem wir das bis vor Kurzem nicht so eindeutig wahrgenommen haben, habe ich derzeit tatsächlich den Eindruck, dass die Spannung steigt und es bei vielen Familien immer häufiger eskaliert. Viele unserer Fälle befassen sich mit Trennung und Scheidung; das ist nichts Neues. Wir haben allerdings keine Statistik geführt, ob Paare in den letzten zwölf Monaten häufiger aneinandergeraten sind als in den Vorjahren. Natürlich knistert es häufiger, wenn Eltern in die Lehrerrolle schlüpfen oder sie ihre Kinder zu mehr Selbstständigkeit anhalten müssen. Da knallt es auch schon mal, wenn Kinder nicht rauskommen und sich nicht austoben können. Das gilt aber auch für Erwachsene. Oft liegt die Dynamik eher in der Familienstruktur begründet und nicht unbedingt an den jetzigen Umständen. Der Unterschied ist der, dass die Probleme jetzt fast ausschließlich im Inneren, sprich: zu Hause, geklärt werden müssen.

Kontakt

Der anhaltende Lockdown verstärkt die Belastungen von Familien. Die Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche in Brilon bietet daher in diesen besonderen Krisenzeiten kurzfristig Termine an. Diese können auf unterschiedlichen Kanälen stattfinden: Erstgespräche und Folgetermine sind persönlich in der Beratungsstelle in Brilon möglich – mit den bekannten Hygienevorschriften. Das Team berät auch über Telefon, in geschützten Video-Gesprächen und online über die ebenso geschützte Plattform des Deutschen Caritasverbandes.Terminvereinbarung für den gesamten Altkreis Brilon unter 02961/2489. Online Beratung: https://beratung.caritas.de/ Bei der Anmeldung bitte PLZ angeben. Die Anfrage wird der jeweiligen Beratungsstelle zugeleitet und eine Antwort erfolgt zeitnah. In der Regel haben die Ratsuchenden immer denselben Ansprechpartner.

Erklären Sie doch bitte einmal für jemanden, der mit Ihrer Einrichtung noch keinen Kontakt hatte, welche Aufgaben Sie wahrnahmen?

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Im Grunde ist es eine kommunale Verpflichtung, eine Beratungsstelle für Eltern, Kinder, Jugendliche und ihre Bezugspersonen anzubieten. Früher hieß das in der Tat Erziehungsberatungsstelle. Das trifft es aber nicht, weil es nach erhobenem Zeigefinger und Versäumnissen in der Erziehung klingt. Die Ratsuchenden kommen, weil sie irgendwie verunsichert sind, weil sie Fragen haben. Aber es geht nicht nur um Erziehung. Wir sind da für Eltern, die sich Gedanken oder Sorgen um ihre Kinder machen, weil die vielleicht in irgendeiner Art auffällig sind. Es gibt aber auch andere Bereiche.

Auch für Heranwachsende da

Können Sie das noch mal konkretisieren?

Wir sind auch für Heranwachsende da – bis 27. Auch sie und Jugendliche könne zu uns kommen, natürlich dann auch ohne Eltern. Bei den Heranwachsenden geht es zum Beispiel um Verselbstständigungs-Themen, um Konflikte mit den Eltern. Manche können in puncto Studium keine Entscheidungen treffen, können sich nicht konzentrieren. Andere brauchen einfach jemanden zum Reden, um sich klar zu werden, was sie wollen. Wir helfen aber auch bei psychischen Auffälligkeiten wie selbstverletzendem Verhalten. Und da gucken wir auch als Beratungsstelle, inwieweit wir selbst helfen können oder an externe Hilfen verweisen. Wir in unserem Team sind Psychologen bzw. systemische Familientherapeuten. Wichtig ist: Wer zu uns kommt, kann sicher sein, dass das, was im Raum besprochen wird, nicht nach außen gelangt. Es sei denn es gibt eine Schweigepflichtsentbindung.

Kann denn eigentlich jeder zu Ihnen kommen. Wer zahlt das, muss ich dafür eine Überweisung oder so etwas haben?

Christiane Treeck, Leiterin der Familienberatungsstelle der Caritas in Brilon.
Christiane Treeck, Leiterin der Familienberatungsstelle der Caritas in Brilon. © WP | wp brilon

Nein, das ist der Vorteil unserer Beratungsstelle. Das Angebot ist niederschwellig. Man kann einfach anrufen und einen Termin ausmachen. Man braucht kein Rezept, es kostet gar nichts. Wir werden finanziert vom Land NRW und über den Kreis. Die übernehmen die Personalkosten und die Sachkosten zahlt der Caritasverband als Träger. Für den gesamten Altkreis sind wir nicht nur in Brilon ansprechbar. Wir bieten auch seit geraumer Zeit in den Familienzentren Außensprechstunden in allen sechs Städten des Altkreises an. Dadurch, dass es kein Betretungsverbot für Kindertagesstätten oder Familienzentren gibt, sind die meisten Einrichtungen auch daran interessiert, die Sprechstunden weiter anzubieten.

Ist es eigentlich eine gewachsene Struktur oder hat man das Feld irgendwann einmal aufgeteilt: Wie kommt es, dass der Caritasverband Meschede im Bereich Brilon tätig ist?

Genau, der Caritasverband Meschede kümmert sich seit rund 50 Jahren um die beschriebene Familienberatung. Der Briloner Verband betreibt im Gegenzug auch im Raum Meschede die Suchtberatung. Anfangs hatte jeder Verband in seiner Stadt eine Hauptstelle und in der anderen Stadt eine Außenstelle. Aber dann war die Nachfrage irgendwann so groß, dass man jeweils eigene Beratungsstellen eingerichtet hat. Wir sitzen in Brilon in der Gartenstraße 33 und sind dort von montags bis freitags mit vier Fachkräften, einer Team-Assistentin und einem Kollegen, der sich über ein Landesprojekt um Familien mit Fluchterfahrung kümmert. Die Kontakte sollten immer nach Voranmeldung erfolgen. Wir sind aber zeitlich sehr flexibel – auch früh morgens oder in den Abend hinein.

Gibt es auch Online-Beratung?

Wir haben uns 2019 vom Caritasverband Deutschland schulen lassen, der eigens dafür eine geschützte Plattform anbietet. Wenn man die entsprechende Postleitzahl eingibt, wird man an die nächst-zuständige Caritas-Stelle weitergeleitet, die Online-Beratung anbietet. Das machen noch nicht alle Beratungsstellen. Wir sind zwar für den Altkreis Brilon zuständig. Wir in Brilon bearbeiten aber darüber hinaus auch die Anfragen der„ Weiße-Flecken-Beratungsstelle“ an. Das sind all die Postleitzahlen, die noch nicht an lokale Beratungsstellen angebunden sind. Dadurch haben wir auch Anfragen aus Stuttgart, Chemnitz oder anderen Orten.

Mehrfachbelastungen nehmen zu

Früher war angeblich vieles besser und die Welt noch in Ordnung. Gibt es Probleme, mit denen Sie konfrontiert werden, die durch einen gewissen Zeitgeist hervorgerufen werden?

Was ich immer wieder feststelle, ist die Mehrfachbelastung einmal Elternteil und berufstätig zu sein und sich dabei selbst noch irgendwie zu finden, ohne sich aufzuopfern. Man merkt, dass die Erwartungen an die jeweiligen Rollen noch sehr historisch belegt sind. Eine Frau muss bitteschön eine gescheite Mutter sein, den Haushalt gebacken kriegen und gleichzeitig möchte sie im Beruf erfolgreich sein. Man merkt das an manchen Erstberatungen, die mit der Sorge „Mein Kind macht Probleme“ beginnen. Oft läuft es dann darauf hinaus, dass ein Elternteil für eine ganz Weile allein kommt, um einiges loszuwerden. Dabei ist es dann wichtig, dieses Elternteil so zu stabilisieren, dass es ihm oder ihr besser geht, um dann das Befinden oder das Bedürfnis des Kindes nochmal anders betrachten zu können.

Gibt es diese Problematik bei Männern auch?

Ich glaube, dass auch die Erwartung an Väter mehr und mehr steigt. Gleichzeitig scheint es den Männern aber einfacher zu fallen, für ihre Bedürfnisse einzustehen und sich tatsächlich ihre Freiräume zu nehmen.