Brilon. Das Sauerland spendet in der Adventszeit so fleißig, dass Maxi Borghoff seinen Autismus-Begleithund bekommt. Die rührende Geschichte:

Von Thomas Winterberg

Brilon. Unfassbar! Der Wahnsinn! Geschafft! Die Leser unserer Zeitung haben binnen vier Wochen 29.305 Euro an den Rehahundeverein in Rostock gespendet. Dadurch kann der neunjährige Maxi Borghoff im kommenden Jahr seinen Autismus-Begleithund in die Arme schließen. Schon am Mittwoch hat der einjährige Labrador-Rüde „Maddox from the yellow house“ seine Patenfamilie verlassen und ist bei seiner Trainerin eingezogen. Ab jetzt beginnt für ihn der Ernst des Lebens. Etwa neun Monate bis ein Jahr wird die Ausbildung dauern. Dann erst kann Maddox bei Maxi einziehen.

Ein Stein fällt vom Herzen

„Uns fällt ein Stein vom Herzen. Ehrlich gesagt hätte ich nicht geglaubt, dass wir das Geld überhaupt zusammenbekommen würden“, sagt Maxis Mutter Melanie Borghoff und bedankt sich bei den vielen Spendern. Maxi hat als Dankeschön eigens ein Bild gemalt – mit einem Vogel: „Ein elegantes Tier, um Danke zu sagen“, meint er. Maxi malt am liebsten Vögel, sie sind so schön bunt. Anders als sein Alltag, der ihn doch immer wieder traurig macht und ungewollt in eine trübe Welt einsteigen lässt. Autismus ist schlimm.

Mal waren es fünf Euro, die auf das Spendenkonto des Rehahundevereins überwiesen wurden, mal auch eine große Summe von einem Spender, der namentlich nicht genannt werden will. Mal haben Firmen auf Präsente verzichtet und stattdessen gespendet, mal wurde - wie im Sport Points in Brilon – eine Sammeldose aufgestellt. Das Therapiehaus Schindler aus Brilon, wo Maxi früher in Behandlung war, überreichte einen Scheck über 1000 Euro und mal waren es die Eltern der Briloner Engelbertschule, die über ihre Netzwerke Kontakte herstellten. Sie alle hat Maxis „Besonderheit“ berührt und nicht kalt gelassen. „Ich glaube sogar, dass die Leute durch Ihre Berichterstattung auf einmal Verständnis für Autismus und viel mehr Verständnis für manche Reaktionen von Maxi aufgebracht haben.“

Und so geht es nun weiter

Wie geht es nun weiter? Etwa fünf Wochen lang wird Maddox jetzt noch einmal auf seine Alltagstauglichkeit getestet: Ist er leinenführig, wie verhält er sich im Straßenverkehr und hält er Stressbelastungen durch? Maddox wird dann ganz individuell für die Bedürfnisse von Maxi geschult. Der Neunjährige neigt zum Beispiel nach wie vor dazu, einfach so auf die Straße zu rennen, weil er die Gefahren nicht sieht. Für den Fall ist Maxi demnächst zusätzlich mit einer Autismusleine über seine Hüfte mit seinem neuen Freund und dessen Geschirr verbunden. Sprintet der Junge einfach los, bleibt Maddox stehen. „Wir haben das schon zig Mal eingeübt und es ist immer wieder faszinierend zu beobachten. Sobald der Hund blockiert und stehen bleibt, akzeptiert das Kind diesen Impuls und rennt nicht weiter“, erklärt die Vorsitzende des Rehahundevereins, Astrid Ledwina.

Auch sie bedankt sich bei unseren Lesern für die unglaubliche Spendenbereitschaft und bei unserer Zeitung für die Unterstützung. Einige Leser haben direkt mit ihr Kontakt aufgenommen und sich über die Arbeit des Vereins informiert, der zum Beispiel auch traumatisierten Soldaten mit Therapiehunden wieder in ein normales Leben verhilft.

Alltagssituationen lernen

Für Maddox gibt noch viele andere Alltagssituationen, die er lernen muss. Ähnlich wie ein Diabetikerhund den Zuckerschock seines Herrchens oder Frauchens schon lange vorher spürt, merkt ein Autismus-Begleithund sofort, wenn bei seinem Schützling die mentalen Gewitterwolken aufziehen. „Die Hunde lesen diese äußeren Zeichen wie das Wippen mit den Beinen oder das ständige Kneten der Hände. Sie schnappen sich dann ein Spielzeug und legen es ihrem Menschen auf den Schoß oder stupsen ihn liebevoll an.“

Je nach Auffassungsgabe und Intelligenz wird es bis zu einem Jahr dauern, bis Maddox fertig ausgebildet ist. Dann wird seine Trainerin gemeinsam mit dem Hund zunächst für eine Woche lang den Alltag der Borghoffs begleiten und ihnen die Kommandos beibringen, die der Hund gelernt hat. Nach ein paar Monaten kommt der Trainer noch einmal in die Familie, um sich davon zu überzeugen, dass das Team auch wirklich funktioniert.

„Wir sehen in Maddox nicht nur ein vierbeiniges Mittel zum Zweck, er soll unser neues Familienmitglied werden und wir werden alles daran setzen, dass das klappt“, sagt Melanie Borghoff. Sie hofft zudem aber auch, dass der Hund dem Jungen mehr Sicherheit und Selbständigkeit gibt und sein Freund im Alltag wird. Der Rehahundeverein ist sich der Bedeutung dieses Mensch-Hund-Zusammenspiels bewusst. „Wir sind ein Leben lang für dieses Team verantwortlich und stehen mit Rat und Tat zur Seite.“

Woanders wird nicht so großzügig gespendet

Dass die 25.000 Euro so schnell erreicht würden, war nicht zu erwarten. Und leider ist die Spendenbereitschaft nicht überall so groß wie im Fall von Maxi und Maddox. Wir hoffen, dass es im Sinne unserer Leser ist, wenn das überschüssige Geld an Kinder verteilt wird, die schon viel länger auf einen Assistenzhund warten. Das sind z.B. der siebenjährige Lian und der 13-jährige Simon. Lian leidet seit Jahren an schweren Depressionen und vermag Geräusche nur mit Kopfhörer zu ertragen. Kann er Stress-Situationen nicht entkommen, wird er unruhig, wedelt mit den Armen und läuft schreiend im Kreis herum. Für Lian sind noch gar keine Spenden eingegangen. Etwas besser sieht es bei Simon aus, Aufgrund der Schwere seiner Krankheit (ADS und Störung des Sozialverhaltens) hat er seinen Assistenzhund, die Collie-Dame Jolly, schon bekommen; für ihn wurden erst 11.000 Euro gespendet.