Medebach. Heinz Huneck ist „Kümmerer“ für Flüchtlinge in Medebach. Wie er die Zeit seit 2015 beurteilt und was sich gut und weniger gut entwickelt hat.

Auch vor Corona gab es besonders herausfordernde Zeiten. Dazu gehörte auch die große Flüchtlingsbewegung nach Deutschland, insbesondere 2015. Auch nach Medebach kamen damals viele Schutzsuchende. Was wurde aus ihnen? Einer, der das Thema und die Menschen besonders gut kennt, ist Heinz Huneck.

Herr Huneck, wenn Sie sich 2015 in Erinnerung rufen: Was haben Sie damals eigentlich erwartet?

Am Anfang gab es so viel zu tun – Wohnungen beschaffen und ausstatten, bei 1000 Fragen mit Behörden und Papieren helfen – dass wir kaum Zeit hatten, zu fragen, was wir erwarten. Im Hintergrund habe ich sicher erwartet, dass wir gut zusammenarbeiten mit den Flüchtlingen, dass wir helfen können und dass die Menschen sich einleben. Aber diese Gedanken kamen später.

Zur Person: Heinz Huneck

Seit vielen Jahren engagiert sich Heinz Huneck ehrenamtlich im Jugendtreff im Kolpinghaus, der 2015 zu einem wichtigen Anlaufpunkt für Geflüchtete jedes Alters wurde. Seit vier Jahren ist Huneck zusätzlich in einem Minijob bei der Stadt als „Kümmerer“ für die Flüchtlinge beschäftigt. 2015 wurde in Medebach zudem ein ehrenamtlicher Koordinator für Flüchtlingsfragen benannt, der die Anstrengungen von Stadt und den vielen Ehrenamtlichen vernetzen sollte. Auch dieses Ehrenamt übt Huneck, gemeinsam mit Ex-Bürgermeister Heinrich Nolte, aus.

Was ist aus Ihrer Sicht seitdem besser gelaufen als gedacht?

Das Zusammenleben generell. Am Anfang war eine gewisse Anspannung bei allen Beteiligten da: Was sind das für Menschen? Wie kann man mit denen umgehen? Kleines Beispiel: In vielen Herkunftsländern ist der Begriff von Pünktlichkeit ein anderer als bei uns. Aber wenn man den Leuten erklärt, dass bei uns eben Wert darauf gelegt wird, dann geht es ohne Probleme. Anderes Beispiel: Am Anfang hatten viele der jungen Männer ein Problem damit, dass in unserem Jugendtreff eine Frau die Leitung hat. Gelingendes Zusammenleben ist ein langer Weg, aber es klappt – wenn man Zeit investiert und miteinander spricht. Dummköpfe gibt es unter Flüchtlingen genau wie unter Deutschen. Aber sie sind hier wie dort eine kleine Minderheit.

Heinz Huneck
Heinz Huneck © Privat

Und was lief schlechter als gedacht?

Ich hätte es mir leichter vorgestellt, dass die Menschen sichere Arbeit finden. Da hatten und haben viele Schwierigkeiten, bekommen zum Beispiel nur unsichere Zeitarbeitsstellen. Auch mit den Integrationskursen lief es zäher als erhofft. Bis heute ist es so, dass Geflüchtete mit schlechter Bleibeperspektive diese 700-stündigen Kurse nicht bekommen. Diese Leute sind aber trotzdem oft lange hier, weil sie geduldet sind oder ihr Widerspruchsverfahren noch läuft. Dann hätte man besser in den Kurs zu Beginn investiert. Allerdings haben die drei Südkreis-Städte aus Landesmitteln einen inhaltlich gleichen Kurs über die Volkshochschule organisiert, an dem solche Personen freiwillig teilnehmen und auch die beiden Prüfungen ablegen können.

Nochmal zurück zum Thema Arbeit: Gab es auch Erfolgsgeschichten?

Im Regelfall haben die, die Arbeit gesucht haben, welche gefunden. Allerdings nicht unbedingt das, was sie sich erhofft hatten. So sind zum Beispiel Anerkennungsverfahren für ausländische Ausbildungen und Abschlüsse eine äußerst komplizierte Odyssee.

Wie viele sind es denn, die Arbeit suchen?

In Medebach leben derzeit um die 130 Personen, die entweder anerkannte Flüchtlinge sind oder deren Verfahren noch läuft. Davon sind etwa 50 minderjährig, der große Rest zwischen 18 und Mitte 30. Bis auf die, die Kinder betreuen, sucht diese Gruppe sicher Arbeit. Denn einerseits kann man mit staatlichen Leistungen keine großen Sprünge machen, andererseits wollen die meisten entweder ihre Familie im Herkunftsland unterstützen oder sie hoffen und sparen auf den Nachzug ihrer Angehörigen.

Welche Zukunftspläne haben die Geflüchteten – sehen sie ihre Zukunft in Medebach oder zieht es sie anderswo hin?

Die Pläne gehen quer durch den Garten. Aus Gesprächen weiß ich, dass es den meisten in Medebach gefällt: Sie bekommen viele Infos, die Stadt ist übersichtlich und wenn zum Beispiel die Kinder in der Schule Freunde finden, bestehen auch Bindungen. Gut ist auch, dass bei uns alle Flüchtlinge eigenen Wohnraum haben; es gibt keine Massenunterkunft. Also: Die meisten möchten meines Wissens bleiben und hoffen auf feste Arbeit. Ein Teil ist aber auch weggezogen, meist aus zwei Gründen. Erstens weil das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration nicht darauf achtet, wo Angehörige der Personen in Deutschland leben. Zweitens, weil manche dank Bekannten in Ballungsräumen dort Arbeit gefunden haben.

Hat das mit dem Wohnraum immer geklappt wie gehofft?

Stellenweise war es sehr, sehr schwer. 2015 sind wir Wohnungen quasi händeringend hinterher gelaufen. Dank der Stadt hat es immer irgendwie geklappt; die Zusammenarbeit läuft generell sehr gut. Geflüchtete, die nach Medebach kommen, bekommen eine Wohnung zugewiesen. Ein Problem ist, dass der Vorlauf kurz ist: Ob uns zum Beispiel drei Alleinstehende oder eine Familie zugewiesen werden, erfahren wir erst sieben bis 14 Tage vor der Ankunft der Personen.

Kann man die Menschen, die im Zuge der Massenankünfte 2015 nach Deutschland kamen, fünf Jahre später überhaupt noch als Flüchtlinge bezeichnen?

Im Grunde schon. Denn keiner von ihnen hat bisher eine langfristige Perspektive in Deutschland. Subsidiärer Schutz beispielsweise wird für ein Jahr gewährt und dann neu geprüft. Auch eine Anerkennung als Flüchtling oder Asylberechtigter ist auf drei Jahre begrenzt, dann wird wieder geprüft. Eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis kann erst nach frühestens fünf Jahren beantragt werden und ist mit hohen Anforderungen verbunden.