Brilon. Während der Corona-Pandemie verschieben viele Patienten ihren Zahnarztbesuch. Ein Zahnarzt aus Brilon erklärt, warum das keine gute Idee ist.
„Bitte weit öffnen“ ist ein Satz, den die meisten vermutlich jedes Jahr mindestens ein Mal hören, wenn sie zum Zahnarzt gehen. Mundschutz? Eine einseitige Angelegenheit. Abstand? Näher könnten sich Patient und Arzt kaum sein. Wie sicher ist also ein Besuch beim Zahnarzt in Brilon angesichts der Corona-Zahlen im HSK? Dr. Albert Franke klärt auf.
Schon immer hohe Hygienestandards
„Wir müssen immer davon ausgehen, dass Patienten etwas haben. Nicht nur Corona. Und wir müssen uns davor schützen können, egal, was es ist, auch wenn das nicht zu 100 Prozent geht. Da haben Zahnärzte schon ein erhöhtes Risiko“, sagt Dr. Franke, der in Brilon praktiziert. Das führt dazu, dass es in Praxen ohnehin schon hohe Hygienestandards gibt, um Ärzte und Personal bestmöglich vor einer Infektion zu bewahren. „Daher war die Pandemie für uns ein nicht so einschneidendes Ereignis, aber eben für die Patienten, die sehr verunsichert waren und stellenweise noch sind.“
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Alles ist neu, keiner weiß, was genau es mit diesem Corona auf sich hat, als die Pandemie langsam ausbricht. Die Krankheitsverläufe sind unterschiedlich und sorgen für noch mehr Unsicherheit in der Bevölkerung. Studien fehlen. Im April und Mai diesen Jahres war es daher ungewöhnlich ruhig in der Praxis, aber das blieb nicht so. Die eigentlich ruhigen Monate im Juni und Juli waren dann plötzlich von mehr Patienten geprägt. Eine Studie habe gezeigt, dass Kontrollen wichtig seien, weil eine gute Mundhygiene zum Schutz vor Corona beisteuern könne. Eine Zahnreinigung trägt laut Franke dazu bei und schützt nicht nur vor Karies, sondern säubert auch die die Schleimhäute und hat einen positiven Einfluss auf alle Bakterien im Mund.
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Besondere Schutzmaßnahmen
Die Zahnärztekammer versorgt Praxen wöchentlich mit neuen Informationen, um das gewährleisten zu können. Die Patienten werden direkt ins Behandlungszimmer gebeten. Bei den Behandlungen gibt es neben den FFP2-Masken auch Visiere für das Personal für den bestmöglichen Schutz, denn nicht selten werden Aerosole freigesetzt, beispielsweise bei Schleifarbeiten am Zahn. Geschliffene Füllungen, Prothetik und andere rotierende Arbeiten am Zahn stellen daher ein Risiko dar.
Damit der nächste Patient dem nicht ausgesetzt wird, geht es in der Praxis von Dr. Franke zunächst ins Badezimmer zum Hände waschen. Das Behandlungszimmer wird ausgiebig gelüftet, bevor ein neuer Patient den Raum betreten darf. 15 Minuten Pause herrschen zwischen dem Willkommen heißen der Patienten. Wo sonst in größeren Praxen 10 bis 12 Besucher parallel vor Ort sind, sind es jetzt ein bis zwei simultan. Das Wartezimmer wird entzerrt. „Die Zahnarztpraxen sind sicher. Aber eben nur mit diesen Modifikationen. Der Vorteil ist: Wir kennen unsere Leute und mit dem Terminkalender ließe sich zur Not alles prima nachvollziehen“, erklärt Dr. Franke. Wer auf dem Stuhl Platz nimmt, spült zunächst den Mund mit Alkohol. Sonst wurde mit Chlorhexidin zur Bakterienbekämpfung gespült.
Infektionsrisiko?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte zuletzt empfohlen, Zahnarzttermine wegen erhöhter Infektionsrisiken aufzuschieben. Gegen diese pauschale Aussage hatte bereits die Bundesvereinigung der Zahnärzte protestiert. Die Aussage erhöhter Infektionsrisiken gelte nicht für alle Lagen und Länder gleichermaßen, hieß es.
Termine werden verschoben
Aber so mancher Patient bleiben dennoch fern. Deutschlandweit. Ein Anzeichen dafür sind die durchgeführten Wurzelbehandlungen, die laut Dr. Franke durch die Decke gehen. Hier wurden Zahnprobleme zu lange unbehandelt gelassen. Wo eine Füllung zuvor noch ausreichend gewesen wäre, muss jetzt die Kavallerie im Mund anrücken. „Das betrifft auch nicht nur die Angstpatienten, sondern geht durch die Bank. Viele sagen ihre Behandlungen ab. Bei älteren Patienten, wo es nur um die Jahreskontrolle ging, konnten wir das bequem über den Sommer langsam nacharbeiten.“
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Corona-Patienten werden in Kliniken behandelt
Doch was ist, wenn der Zahn drückt und ich weiß, dass ich mich mit Corona infiziert habe? Vor der Praxis von Dr. Franke steht klar, dass ein Zutritt nicht gestattet ist. Unter Schmerzen ausharren muss deswegen aber niemand. Die Ärzte verweisen nämlich in solchen Fällen an Kliniken, wie beispielsweise in Dortmund, die sich der Sache annehmen. Dort sind die Teams noch besser ausgestattet. „Natürlich kann dennoch jemand in der Praxis gewesen sein, der noch nicht wusste, dass er erkrankt ist, aber dafür haben wir dann unser Hygienekonzept“, ergänzt Dr. Franke.
Der Medizinier kann sich vorstellen, dass die Coronakrise auch Auswirkungen auf die Branche haben könnte. Einen Rettungsschirm gibt es für sie nicht, die Lage sei aber dennoch gut bei ihm, die Patienten bleiben treu. An Schließung in der Krise ist nicht zu denken. Das erlaubt ein sogenannter Sicherstellungsantrag nicht. Dr. Franke findet das nur richtig: „Als Arzt ist man immer einem Risiko ausgesetzt. Das weiß man vorher schon.“ Aber das Problem liegt in der Altersstruktur der Mediziner.
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Blick in die Zukunft
Es gibt viele ältere Ärzte laut Dr. Franke und in der Coronakrise ist der um wenige Monate vorgezogene Weg in die Rente vielleicht verlockend. Der Nachwuchs kommt nur schleppend nach, zieht dann in die Großstadt und weniger aufs Land. Ein bekanntes Problem unter Medizinern in jeder Fachrichtung. „Hier im Sauerland hat uns das noch gut verschont und wir werden denke ich immer gut zu tun haben. Auch nach Rücksprache mit Kollegen. Die Frage ist, wie es mit der Bereitschaft für Zuzahlungen aussieht, wenn die Leute beispielsweise in Kurzarbeit sind“, merkt er an. Von Krankenkassenleistungen alleine könne eine Praxis nicht überleben. Sie seien angewiesen auf die Zuzahlungen. „Wenn das wegfällt, wird es ein vermehrtes Praxissterben geben.“
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