Hochsauerlandkreis. Frauen haben im HSK nicht dieselben Chancen auf dem Arbeitsmarkt wie Männer. Eine Expertin erklärt, was sich jetzt für Frauen ändern muss.

Gender Pay Gap, Mutterschutz und Frauenquote – noch immer herrscht auf dem Arbeitsmarkt nicht überall Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern. Cornelia Homfeldt von der Agentur für Arbeit Meschede-Soest ist Ansprechpartnerin für Unternehmen und Frauen und Männer in Sachen Chancengleichheit im Hochsauerlandkreis . Im Interview erklärt sie, wo sich die Situation gebessert hat und wo noch Handlungsbedarf besteht – auch von Frauen selbst.

Was ist Ihre Aufgabe in der Arbeit für die Frauen im HSK?

Cornelia Homfeldt: Ich bin Beauftragte für Chancengleichheit von Männern und Frauen. Ich bin mit anderen Unternehmen am Markt aktiv und im Austausch über Maßnahmen und Möglichkeiten, die wir für die Chancengleichheit einrichten können.

 Cornelia Homfeldt ist Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt der Agentur für Arbeit Meschede-Soest .   
 Cornelia Homfeldt ist Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt der Agentur für Arbeit Meschede-Soest .    © WP | Agentur für Arbeit

Das mache ich zum einen intern in der Agentur für Arbeit, aber auch mit externen Partnern. Zusammen schauen wir, welche Handlungswege es für die Frauen auf dem Arbeitsmarkt braucht – wie zum Beispiel eine Teilzeitberufsausbildung. Das sind Themen, dich ich nicht allein bewegen kann.

Wie ist die Situation für Frauen in der Region? Haben Frauen im Hochsauerlandkreis einen Nachteil auf dem Arbeitsmarkt?

Von einem generellen Nachteil will ich nicht sprechen. Vielmehr haben wir hier Berufsbereiche, die besonders oft und generell von Frauen gewählt werden. Schwierig wird es eher, wenn Kinder kommen. Junge Frauen wollen dann nach kurzer Zeit schon in den Beruf zurück, sie steigen nicht mehr so lange aus wie das früher der Fall gewesen ist. Das Betreuungsangebot passt sich dem Trend an und schafft gute Rahmenbedingungen für einen schnellen Wiedereinstieg. Das haben die Unternehmen in Brilon erkannt und stellen sich sehr familienorientiert auf.

Was tun denn Unternehmen in Brilon dahingehend schon? Können Sie konkrete Maßnahmen nennen, wie beispielsweise Kitaplätze in Unternehmen?

Es gibt da ganz individuelle Lösungsansätze. Kita-Plätze für Unternehmen sind nicht die Regel, da das Betreuungsangebot in den einzelnen Ortschaften vielfältig aufgestellt ist und viele Eltern ihre Kinder lieber daheim in die Kita geben. Vielmehr geht es um individuelle Zeitsouveränität – flexible Arbeitszeiten, um das eigene Kind abholen zu können. Möglichst flexibel zu sein ist für beide Parteien die beste Lösung, zum Beispiel auch, wenn man ins Homeoffice wechseln kann, sollte das Kind krank werden. Unternehmen, die sich schon vor Corona dahingehend gut aufgestellt haben, haben jetzt einen großen Vorteil. In manchen Branchen ist es egal, wann ich meine Arbeit verrichte und die Arbeitgeber gehen auf die Bedürfnisse der Frauen ein. Da hat sich die Situation gerade für junge Frauen und Mütter verbessert.

Bleiben die älteren Frauen, die vielleicht länger aus dem Beruf ausgestiegen sind, da auf der Strecke?

Ältere Frauen, die für die Kinder lange aus dem Beruf ausgestiegen sind, müssen prüfen, ob sie ein Qualifizierungsdefizit haben. In der Beratung schauen wir gemeinsam, wo die Frauen sich weiterbilden können oder ob eine Neuorientierung sinnvoll ist. Das lohnt sich auch im mittleren Alter, denn der Arbeitsmarkt ist aufnahmefähig für diesen Personenkreis, denn Mütter von älteren Kindern sind nicht mehr an Betreuungszeiten gebunden.

Wie sieht das im Bereich der Einstellungen aus? Werden Frauen benachteiligt, wenn sie Kinder haben?

Ja, es gibt Schwierigkeiten. Die darf es natürlich nicht geben und kein Unternehmen würde oder dürfte kommunizieren, dass es eine Frau nur nicht einstellt, weil sie Kinder hat oder vielleicht bekommen wird. Aber besonders wenn Kinder schon da sind und die Frau auch noch alleinerziehend ist, ist es schwer. Dabei haben gerade diese Frauen einen hohen Grad an Motivation, Selbstmanagement und Organisationstalent. Oft setzen sie sich mit diesen Fähigkeiten trotzdem gut auf dem Arbeitsmarkt durch. Was für die Frauen arbeitet, sind Väter, die in Elternzeit gehen. Umso mehr Väter in Elternzeit gehen, desto weniger werden Frauen benachteiligt, denn die Unternehmen müssen zusehends damit rechnen, dass auch Männer für eine Zeit lang ausfallen. Es ist ja immer noch so, dass Frauen in Vorstellungsgesprächen danach gefragt werden, ob es Kinder gibt und wie sie betreut werden. Bei Männern wird davon ausgegangen, dass dieser eine Frau hat, die die Betreuung regelt. In Unternehmen in der Region beobachten wir aber, dass diese immer mehr auch Gespräche mit jungen Männern führen, wie sie Familie und Karriere unter einen Hut bekommen. Das war schon vor Corona so, weil viele junge Väter ihre Partnerinnen in dem Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit und adäquater Berufstätigkeit unterstützen möchten. Corona hat da noch mal viel bewirkt.

Wie meinen Sie das?

Frauen waren während der Corona-Krise plötzlich in systemrelevanten Jobs während Männer in Kurzarbeit daheim waren und auf die Kinder aufgepasst haben. Diese zwanghafte Rollenverschiebung hat dem Thema noch einmal einen Schub nach vorne gegeben und der Bedeutung der Berufstätigkeit der Frau als Verdienerin gefestigt.

Werden Frauen im Sauerland auch benachteiligt, was das Geld angeht?

Im HSK liegt das Einkommen ohnehin knapp unter dem bundesweiten Durchschnitt. Der Lohnunterschied zwischen Mann und Frau liegt bei 20 Prozent – zum Nachteil für die Frau. Die Gründe sind vielfältig. Ein hoher Anteil der Frauen im HSK arbeitet in Teilzeit, hat also die klassische Rolle der hinzuverdienenden Frau. Dieses Lebensmodell kann in Städten oftmals nicht gelebt werden, weil es nicht finanzierbar ist, in Städten sind die Lebenshaltungskosten sehr viel höher. Umso höher das Qualifikationsniveau desto mehr klafft die Einkommensschere zwischen Mann und Frau auseinander. Akademikerinnen müssen oft in Verhandlungen für ihr Gehalt gehen, in tariflich geregelten Berufen ist das natürlich kein Thema.

Oft wird gesagt, wir Frauen gehen mit zu wenig Selbstbewusstsein in eine Gehaltsverhandlung. Ist das etwas, was Sie auch beobachten? Welche Tipps haben Sie?

Frauen müssen in die Waagschale werfen, was sie dem Unternehmen für Vorteile bringen und was sie leisten können. Auf Erfolge verweisen. Ihr eigenes Licht nicht unter den Scheffel stellen. Trainings an Universitäten und Fachhochschulen helfen dabei, den eigenen Marktwert zu analysieren und diesen selbstbewusst zu vertreten. Zudem hilft es, wenn Frauen sich in diesen Trainings gegenseitig stärken, denn gerade uns Frauen sind oft andere Faktoren wichtiger als Geld.

Welche Faktoren meinen Sie?

Frauen sind oft schon zufrieden, wenn sie sich in der Situation gut aufgehoben fühlen. Dann ist es für sie auch nicht schlimm, wenn sie weniger Geld verdienen. Männer sind oft bereit, für mehr Geld den Job zu wechseln. Für Frauen ist Geld nicht alles, sie wertschätzen auch die Erfüllung im Beruf und das Vertrauen des Chefs, der sie früher gehen lässt um das Kind abzuholen. Zum Beispiel. Wenn Beruf und Familie gut vereinbar sind, die Situation passt, dann nehmen Frauen weniger Geld in Kauf. Da können Unternehmen mit familienfreundlicher Personalarbeit punkten, was natürlich nicht heißen soll, dass die Einkommen geringer sind.

Sind Führungspositionen für Frauen hier im HSK erreichbar? Gibt es da ein Defizit?

Oberste Führungspositionen sind oft männlich besetzt. Oft ist das branchenabhängig. Aber wir beobachten, dass die Zahlen weiblicher Führungskräfte auch hier ansteigen. Da ist zwar Luft nach oben, aber dank der demografischen Entwicklung werden Frauen in Zukunft mehr Chancen bekommen, nachzurücken wenn Führungspositionen altersbedingt vakant werden.

Sie beraten auch Frauen mit Migrationshintergrund. Welche Nachteile erfahren sie?

Es gibt zum einen auch Vorteile. Attraktive Stellen wo Mehrsprachigkeit entscheidend ist. Oft fehlen aber formelle Abschlüsse, kulturelle und familiäre Hintergründe können entscheidend sein, Sprachdefizite wirken nachteilig. Wir beraten und fördern dann individuell und begleiten diese Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Ohnehin ist die individuelle Beratung immer entscheidend. Allgemeinheiten lassen sich mittlerweile gut googeln, daher biete ich auch keine Gruppenangebote mehr an. Wer zu mir kommt, wird persönlich beraten – zugeschnitten auf die eigene Situation. Coronabedingt finden die Beratungsgespräche derzeit telefonisch statt, was den Vorteil hat, dass weder die Kundinnen noch ich eine Anreise haben.

Cornelia Homfeldt ist Ansprechpartnerin in der Agentur für Arbeit Meschede-Soest und zuständig für die Beratung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt im HSK. Sie ist erreichbar unter 0291-204609 oder per Mail unter meschede-soest.BCA@arbeitsagentur.de

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