Brilon. Brilon-Wald ist um eine touristische Attraktion reicher. Wie ein Rundgang die Stadt erlebbar macht und wieso das für andere Dörfer so wichtig ist
Den nächsten längeren Spaziergang einmal durch Brilon-Wald machen? Das lohnt sich jetzt und auch für Briloner wird ein Rundweg angeboten, bei dem viele längst vergessene Erinnerungen wach werden. Für Kinder wird das Heimatkunde-Programm mit einem Picknick im kleinen Park von Brilon-Wald aufgepeppt.
„Ich hätte nicht gedacht, dass so ein großes Interesse am Dorfrundgang in Brilon-Wald besteht“, staunt Ortsvorsteherin Ariane Drilling darüber, dass fast 40 Teilnehmer zum Alten Bahnhof gekommen sind, um sich bei einem Rundgang über die neuen „Blauen Schilder“ an geschichtsträchtigen Gebäuden zu informieren. Dank gilt Willi Otto, Dorfverein „Brilon-Wald aktiv“, der für die blauen Schilder informative Texte geschrieben und Flyer erarbeitet hat – sowie Winfried Dickel, Vorsitzender des Heimatbund Semper Idem. Er sorgt dafür, dass alle 16 Briloner Dörfer blaue Schilder bekommen. „Das ist eine enorme touristische Aufwertung der Dörfer. Und auch für alle, die da leben, hochinteressant bewusst durch die Dörfer zu gehen.“
Bürgermeister spricht Dank aus
Begrüßt wird die Gruppe auch von Bürgermeister Dr. Bartsch, der den Initiatoren ebenfalls seinen Dank ausspricht. Winfried Dickel informiert über das Schilderprojekt, das der Heimatbund durch Fördermittel aus dem Leader-Programm, eigenen Mitteln und Spenden finanziere.
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„Besser kann man das Geld nicht anlegen. Aber für die Durchführung braucht man „Kümmerer“ wie Ariane und Willi. Alme und Scharfenberg haben die Schilder schon, Hoppecke, Messinghausen und Thülen sind in Arbeit und an den Aamühlen hat sie der Heimatbund gerade aufgestellt.“
Ende August 2020 wurden in Brilon-Wald an elf Stationen blaue Info-Schilder mit Texten und historischen Fotos der Gebäude angebracht. Willi Otto nimmt die Besucher jetzt mit auf einen 5,5 Kilometer langen Rundgang, der die elf Stationen verbindet. Er erklärt, dass das langgezogene Straßendorf Brilon-Wald zwar erst eine kurze, aber interessante Geschichte hat.
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Im unbesiedelten Hoppecketal errichtete ein Briloner Gerbereibesitzer 1845 eine Lohmühle und ab 1847 baute die Stadt Brilon die Chaussee von Brilon nach Willingen. Die Straße nach Bruchhausen und Elleringhausen wurde 1859 fertiggestellt. „Die Entwicklung von Brilon-Wald hängt eng mit dem Bau der Eisenbahn zusammen“, betont Otto. 1872 entstand das erste Bahnhofsgebäude und drei Wohnhäuser für die Arbeiter. Der Tunnel nach Elleringhausen war fertig und die ersten Güter- und Personenzüge fuhren Anfang 1873 durch Brilon-Wald. Der Bahnhof wurde bald zu einem lebhaften Knotenpunkt mit Zugverbindungen in vier Richtungen. Schnell siedelte sich hier namhafte Industrie an.
Chemische Fabrik gegründet
1880 errichtete die Hüstener Gewerkschaft eine chemische Fabrik mit bald 300 Mitarbeitern. Bis zur Betriebseinstellung 1995 trug das Werk verschiedenste Firmennamen, wobei „Degussa“ die geläufigste ist.
Heimatbund appelliert an Dörfer
Winfried Dickel (Vorsitzender Heimatbund Semper Idem e.V) appelliert an die Dörfer in Brilon: Das „Leader“-Förderprogramm läuft Ende Oktober aus. Wenn weitere Dörfer die Blauen Schilder mit Informationen und Fotos zu historischen Gebäuden haben wollen, sollten sie sich bald melden. Der Heimatbund bietet Hilfe bei der Beantragung der Fördermittel an.
Brilon-Wald liegt im Naturpark Sauerland-Rothaargebirge im Tal des Flusslaufes Hoppecke zwischen Brilon im Norden und dem hessischen Willingen im Süden und grenzt an den Naturpark Diemelsee. Dadurch ist der Ort für Naturfreunde, Wanderer und Radfahrer interessant.
Als bis 2003 alle Werksanlagen abgebrochen wurden, blieb nur der Essigturm (1904) als Industrie-Denkmal stehen. Die Besucher des ersten Rundgangs dürfen auch einen Blick in das gut erhaltene Innere des Turms werfen.
Eine kürzere Geschichte schrieb die Westdeutsche Holzindustrie (1905-1925), die Wäscheklammern und Besenstiele herstellte. Das Gebäude an der Korbacher Straße 89 und weitere acht Firmenimmobilien kauften der Caritasverband (Diözese Münster) und die LVA Westfalen und eröffneten 1926 die Lungenheilstätte „Johannesstift“ für Tuberkulosekranke Frauen und bauten noch (Haus II) an. Diese wurde 1933 um die Heilstätte Hoheneimberg erweitert, sie galt als erstes deutsches Tuberkulose-Krankenhaus mit Entbindungsabteilung. Hier kamen über 6.000 Babies zur Welt, darunter einige Schauspieler. Seit 1983 dient die Klinik der Rehabilitation von Suchtkranken. Das ehemalige Haus II an der Korbacher Straße 89 war zuletzt Kloster für Nonnen des Karmeliterordens und steht seit 2013 leer.
Großzügiger Park auf Fabrikanlage
Durch einen großzügigen Park, der auf der abgerissenen Fabrikanlage der Holzindustrie angelegt wurde und noch immer gepflegt wird, führt Otto die Teilnehmer weiter zum „Alten Forsthaus“, einem der ältesten Häuser des Dorfes, heute im Privatbesitz. Aber auch zur alten Volksschule, Katholischen Kirche, Evangelischen Kapelle (heute in Privatbesitz) und die Schützenhalle führte der Weg. Denn auch hier informieren jetzt „Blaue Schilder“ darüber, dass Brilon-Wald eine bewegte, sehr interessante Geschichte hat.
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