Hallenberg. Daniela Hundelshausen führt eine Apotheke. Wenn sie in den Ruhestand geht, würde sie die Apotheke verschenken - ein ernst gemeintes Angebot.
Kopf tut weh, Nase läuft, Großmutters Blutverdünner ist alle – Apotheken versorgen Menschen mit Medikamenten und beraten sie in Gesundheitsfragen. „Ein spannender Job, der alles hat: Physik, Chemie, Botanik, Umgang mit Menschen...“, sagt Daniela Hundelshausen, Inhaberin der Brunnen-Apotheke in Hallenberg. Das Team in ihrer Apotheke sei zudem prima und die Kundschaft überwiegend sehr liebenswürdig.
Doch wie viele Apotheker sieht sie ein Problem auf sich zukommen: Wer soll das Geschäft weiterführen, wenn sie in Ruhestand geht? Daniela Hundelshausen und ihr Ehemann, der in Medebach die Marien-Apotheke führt, haben noch wenige Jahre Zeit bis dahin.
Aber der Gedanke beschäftigt sie längst, und so hat sie sich frühzeitig auf die Suche gemacht. Und dabei ein Statement abgegeben, das aufhorchen lässt: Sie würde ihre Apotheke einem passenden Interessenten schenken. Das ist weniger exotisch, als es klingt: In Fachmagazinen finden sich etliche ähnliche Fälle kreativer Nachfolgerwerbung im Apothekenbereich.
Absolventen suchen andere Wege
Manche sehen den Grund für den Nachwuchsmangel in der angeblich zu geringen Zahl der Pharmazie-Absolventen an den Unis. „Aber das stimmt nicht“, widerspricht Hundelshausen, und tatsächlich sprechen die Zahlen dagegen.
Studierten in den Jahren 2007/2008 erst 11.700 junge Menschen in Deutschland Pharmazie, so ist ihre Zahl seitdem stetig gestiegen und lag 2018/19 bei fast 16.000. Auch die Zahl der Approbationen ist heute höher als noch vor einigen Jahren: 2017/18 waren es 2233; in den Jahren 2012/13 lediglich 1929.
Zahl der Apotheken geht zurück
Die Zahl der öffentlichen Apotheken in Deutschland ist seit vielen Jahren rückläufig. Im Jahr 2009 waren es noch 21.548, zehn Jahre später noch 19.075.
Bis 2004 durfte jeder Apotheker nur eine Apotheke betreiben (Mehrbesitzverbot). Dies wurde gelockert: Heute dürfen neben der Haupt- bis zu drei Filialapotheken dazukommen.
Betreiber einer Apotheke darf nur ein approbierter Apotheker sein (Fremdbesitzverbot).
Beide Verbote sollen bewirken, dass die persönliche Verantwortung und Haftung des Inhabers stets gewährleistet ist.
Allerdings: Längst nicht alle Absolventen entscheiden sich für eine eigene Apotheke. „Bundesweit gehen 85 Prozent der Staatsexamen-Studenten in die Apotheke, in Tübingen sind es nur noch 55 Prozent. Der Rest sucht sein Glück in der Industrie, im akademischen Bereich, in der Verwaltung“, sagte Ende 2019 der damalige Präsident der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft, Stefan Laufer, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Als Hauptprobleme, warum Apothekeninhaber keinen Nachfolger finden, nennt er unattraktive Arbeitszeiten, Lagen und Gehälter.
Konkurrenz aus dem Internet
Das sieht Daniela Hundelshausen ähnlich. „Man verkauft sein Leben“, sagt sie. In Apotheken gilt Anwesenheitspflicht, das bedeutet: Ein Approbierter muss anwesend sein. Ist ein solcher nicht unter dem angestellten Personal, muss der Inhaber selbst ständig vor Ort sein. So ist es auch in der Brunnen-Apotheke.
Die Pflicht wird streng ausgelegt: Selbst ein Einkauf im Laden gegenüber oder ein Spaziergang in der Mittagspause ist verboten, wenn die Apotheke derweil geöffnet ist. Urlaub – oder selbst mal krank sein – ist nur möglich, wenn eine Vertretung bereitsteht. Dazu kommen regelmäßig zu leistende Notdienste.
Ihren 1991 wenige Tage nach der Eröffnung geborenen Sohn hat Daniela Hundelshausen von Anfang an oft mit zur Arbeit genommen. „Eigentlich haben wir drei Kinder“, sagt sie und meint damit ihren Sohn und die beiden Apotheken der Familie.
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Was sie oft ärgert, sind zum einen die vielen gesetzlichen Vorgaben teils bis ins kleinste Detail. So dürfe sie zum Beispiel seit einiger Zeit Kunden mit Rezept keine Packung Taschentücher und kein Stück Traubenzucker mehr schenken. Das sei nur noch beim Verkauf rezeptfreier Ware erlaubt. Nur ein Beispiel von vielen.
Auch der Boom der Internetapotheken stört sie. „Die Leute bedenken nicht, dass damit auch Steuereinnahmen und Arbeitsplätze in Hallenberg und Deutschland verloren gehen.“ Die wohnortnahe Versorgung mit Medikamenten gerate dadurch in Gefahr.
Generell seien für selbstständige Apotheker die Arbeitszeiten lang, die Vorschriften streng, die Wertschöpfung niedrig, die Pflichtabgaben und die Serviceansprüche der Kunden hoch. Mit ihrer Äußerung „Lieber verschenken als ausräumen“ will sie vor allem aufrütteln und auf die aus ihrer Sicht unattraktiven Bedingungen aufmerksam machen.
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Vielleicht klappt es doch noch mit einem Nachfolger – sie weist alle ihre beruflichen Kontakte auf das Angebot hin und es gibt auch erste Interessensbekundungen. Ideal fände sie, wenn sich zum Beispiel ein Paar oder Freunde fänden, die zusammen Brunnen- und Marienapotheke übernehmen und den Hundelshausens dafür geben, was sie für fair halten.
„Mit den beiden Apotheken kann man Synergien zum Beispiel beim gemeinsamen Einkauf nutzen und sich gegenseitig unterstützen. Mein Mann und ich würden auch mal Vertretungen übernehmen“, lacht sie.
Denn trotz verschiedener Ärgernisse liebt Daniela Hundelshausen ihren Beruf und ihr Geschäft. Sie hat auch den Menschenschlag vor Augen, dem sie eine Übernahme zutrauen würde: taff, willensstark, mit dem unbedingten Drang zur Selbstständigkeit und der Fähigkeit, diese trotz des hohen Aufwands als Wert an sich zu erkennen. „Jemand, der sagt: Es ist keine Goldgrube, aber es ist meins. Dann funktioniert das, auch hier in Hallenberg.“