Brilon. Das Drama um die überforderte Mutter aus Winterberg, deren zweijähriger Sohn verhungerte, ist im HSK noch präsent.

Im vergangenen Jahr sind die vier Jugendämter des Hochsauerlandkreises im Rahmen ihres Schutzauftrags insgesamt 381 Fällen einem Verdacht auf Kindeswohl-Gefährdung nachgegangen. Das sind 25 Fälle mehr als im Jahr zuvor, aber 39 weniger als noch 2013. Das geht aus dem am Montag veröffentlichten Bericht von Information und Technik NRW hervor.

In 183 Fällen Einschreiten erforderlich

In 21 Fällen war eine akute Kindeswohl-Gefährdung festgestellt worden, das waren sieben mehr als noch in 2018. In 43 Fällen konnte bei der Überprüfung die Frage, ob eine Kindeswohl-Gefährdung vorliegt, nicht eindeutig bejaht, aber auch nicht ausgeschlossen werden, in 183 Fällen war das Kindeswohl zwar nicht gefährdet, allerdings ein Hilfebedarf für erforderlich angesehen worden. Keine Maßnahmen waren in 134 Fällen nötig.

Drei kommunale Jugendämter

Kreisweit gibt es vier Jugendämter.

Arnsberg, Sundern und Schmallenberg unterhalten für ihr Hoheitsgebiet jeweils ein eigenes.

Für die anderen neun Kommunen ist der HSK zuständig.

In Brilon fordert die BBL schon seit langem die Einrichtung eines kommunalen Jugendamtes.

In 100 Fällen waren die Jugendämter durch Polizei, Gerichte und die Staatsanwaltschaft auf die familiären Missstände aufmerksam gemacht worden, in 60 Fällen waren es Bekannte oder Verwandte und in 55 Fällen Schulen oder Kindertagespflegeeinrichtungen. In 166 Fällen kamen die Hinweise von anderen Seiten. Die häufigsten Indizien waren Anzeichen von Vernachlässigung, sowie körperlichen oder psychischen Misshandlungen. Wie IT. NRW mitteilt, sei landesweit jeder zehnte Hinweis anonym eingegangen.

Kreisweit gibt es vier Jugendämter. Arnsberg, Sundern und Schmallenberg unterhalten für ihr Hoheitsgebiet jeweils ein eigenes, für die anderen neun Kommunen ist der HSK zuständig.

Vervierfacht

Im Jahresvergleich von 2019 und 2018 zwar von 191 auf 161 zurückgegangen, gegenüber 2015 mit seinen 43 Fällen jedoch fast vervierfacht haben sich die Sorgerechtsmaßnahmen der Familiengerichte im Altkreis Brilon. Einen derartigen prozentualen Zuwachs hat es landesweit in keinem anderen Kreis gegeben. Eine mögliche Erklärung: 2015 war es in Winterberg zu einem bundesweit für Schlagzeilen sorgenden Familiendrama gekommen. Eine mit der Erziehung überforderte Mutter von zehn Kindern hatte eines ihrer Kinder, einen zwei Jahre alten Sohn, verhungern lassen.

Urteil mit Signalwirkung

Nach einem durch mehrere Instanzen gehenden Prozess war sie zu dreieinhalb Jahren Haft wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt worden. Die für die Familie zuständige Mitarbeiterin des HSK-Jugendamtes musste sich ebenfalls vor Gericht verantworten. Nach einem ebenfalls durch mehrere Instanzen gehenden Verfahren war sie wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zu einer Geldstrafe von 3500 Euro verurteilt worden. Wie in dem Verfahren bekannt wurde, hatte die zuständige Clearing-Stelle des Jugendamtes keine Einschätzung auf eine Gefährdung des Kindeswohls gegeben.

Personal aufgestockt

Damals hatte die Bundesgemeinschaft Allgemeiner Sozialer Dienst kommentiert das Thema aufgegriffen. Die Reihe der Strafverfahren gegen Sozialarbeiter reiße offenbar nicht ab. Aus aktuellem Anlass kritisierte sie damals, dass fachliche Erwägungen zulasten der Schuldfrage weitgehend unberücksichtigt bleiben. Der damalige HSK-Fachbereichsleiter Martin Stolte hatte in diesem Zusammenhang die Frage gestellt: „Will man ein kontrollierendes oder ein unterstützendes Jugendamt?“

Bis zu jenem Vorfall bestand das Kreisjugendamt aus 15,1 Planstellen. Die, so HSK-Sprecherin Carolin Fisch, seien mittlerweile um vier Vollzeitstellen auf 19,1 angehoben worden. Von den 381 im vergangenen Jahr gemeldeten Verdachtsfällen waren 202 in die Zuständigkeit des Kreisjugendamtes gefallen.

In 161 Fällen das Sorgerecht übertragen

Von den 161 Fällen übertrugen die Familiengerichte kreisweit in 78 vollständig und in 83 teilweise die elterliche Sorge auf das Jugendamt oder einen Dritten als Vormund. In insgesamt 27 Fällen waren das die Jugendämter. Zum Vergleich: 2015 war in sieben Fällen das sogenannte Personensorgerecht wie die Bestimmung der Schulbesuchs, des Aufenthalts, des Umgangs wie auch die Verantwortung für die Gesundheit, auf eines der Jugendämter übertragen worden.

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Es geht zwar nicht ohne Gericht, aber harmonischer: Kreisweit fielen 374 Sorgeerklärungen an, 98 mehr als im Jahr 2013. Dabei handelt es sich um die spezielle Willenserklärung nicht miteinander verheirateter Eltern, die elterliche Sorge für ein Kind gemeinsam ausüben zu wollen