Geistliche aus dem Altkreis Brilon wenden sich montags mit einem Wort zur Woche an unsere Leser. Heute: Dechant Richard Steilmann
In meiner Kinder- und Jugendzeit gab es ein Lied, das wir oft in Jugendgottesdiensten gesungen haben: „Danke, für diesen guten Morgen, danke für jeden neuen Tag.“ Die letzte Strophe dieses Liedes lautete: „Danke, ach Herr, ich will dir danken, dass ich danken kann!“
Ich kann mich noch erinnern, dass ich als Kind einige Probleme mit diesem Vers hatte. Für mich war Danken eine selbstverständliche und ganz leichte Sache. Ich konnte nicht verstehen, was daran schwer sein sollte und warum man dafür dankbar sein kann, wenn man danken kann. Heute weiß ich es besser. Auch unter uns wird es Menschen geben, denen das Danken schwer fällt. Sie haben eher Grund zu klagen als zu danken.
Wanderer auf dem Lebensweg
Es ist wahr: Die einen sind im Dunkeln, die anderen sind im Licht. Die einen überleben, die anderen nicht. Der Dank des Überlebenden zum Beispiel nach einem schweren Unfall ist verständlich, aber ohne die Solidarität mit den anderen kann er schnell zur Schadenfreude werden.
Deswegen ist das „Ach“ in der letzten Strophe unseres Liedes so wichtig: In ihm klingt der bittere Preis unseres Dankes an: „Danke, ach Herr, ich will dir danken, das ich danken kann!“ - und es tut mir Leid um die anderen, die nicht danken können.
Wir Menschen sind Wanderer auf unserem Lebensweg und stehen ständig in der Gefahr, uns zu verirren und das Ziel unseres Lebens zu verlieren. Auch wenn wir nicht hinter Gittern sitzen, können Angst und Enge unser Leben bestimmen.
Darauf achten, was Leib und Seele gut tut
Auf dem Meer unseres Lebens betreiben wir unser Leben mit all seinen Höhen und Tiefen so gut es geht. Aber oft genug haben wir Gegenwind, und unser Lebensschiff gerät ins Schwanken. Wir haben mit die beste Krankenversicherung der Welt und doch kann uns die modernste Medizin nicht vor Krankheit und Tod retten. Wie bewusst muss etwa ein Asthmatiker leben.
Nur wenn er darauf achtet, was seinem Leib und seiner Seele gut tut, kann er mit der Krankheit überleben. Im Unterschied zum Gesunden, der seine Gesundheit als selbstverständlich hält, ist der Kranke dankbar für jeden guten Tag, den er erleben darf.
Welche Rollen spielen Entbehrungen?
Vielleicht können nur die Menschen wirklich dankbar sein, die Leid und Entbehrung erfahren haben. Tiefe Dankbarkeit erlebe ich oft bei alten Menschen, die sich mit ihrem Leben und ihren Altersgebrechen ausgesöhnt haben und Ruhe und Gelassenheit ausstrahlen. Ein solcher Mensch war der alte jüdische Religionsphilosoph Martin Buber. Als alter Mann schrieb er: „Je älter man wird, umso mehr wächst in einem die Neigung zu danken. Vor allem nach oben. Das Leben wird als Gabe empfunden und jede restlos gute Stunde nimmt man als ein überraschendes Geschenk mit dankbaren Händen entgegen.“
Wie Recht er doch hat. Verlernen wir nie das Danken für alles Gute. Danken und Bitten gehören ganz eng zusammen.
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Die WP veröffentlicht jeden Montag ein geistliches Wort zur Woche.