Altkreis Brilon. Beim WP-Heimat-Check im Altkreis Brilon bewerten die Bürger im Altkreis Brilon die medizinische Versorgung. Wo es gut läuft und wo nicht.

Beim großen WP-Heimat-Check haben die Menschen im Altkreis Brilon für die medizinische Versorgung die Gesamtnote 2,4 vergeben. „Das ist ein guter Wert“, findet Dr. Hans-Heiner Decker, Bezirksstellenleiter der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen Lippe. Im Gespräch mit der WP erklärt er, wo es mit Blick auf die ärztliche Versorgung in Brilon, Olsberg, Marsberg, Winterberg, Medebach und Hallenberg gut läuft und wo es noch Verbesserungsbedarf gibt.

In keinem Bereich gibt es eine Unterversorgung

Hausärztemangel, weite Wege zu Fachärzten, lange Wartezeiten auf Termine – das sind Probleme, die gerade bei uns im ländlichen Raum immer wieder kritisiert werden. Wie beurteilen Sie die medizinische Versorgung im Altkreis Brilon?

Das Abschneiden beim WP-Heimat-Check zeigt, dass die Bevölkerung die medizinische Versorgung insgesamt positiv bewertet hat. In diesen Bereich spielen natürlich nicht nur die Haus- und Facharztversorgung, sondern auch die Krankenhausversorgung und die Abdeckung mit Apotheken hinein. Die KVWL vertritt die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten. Nur für diesen Bereich kann ich letztendlich sprechen. Ich freue mich, dass die Menschen im Altkreis Brilon trotz bestehender struktureller Refinanzierungsprobleme der Krankenhäuser in der ländlichen Region die medizinische Versorgung als gut bewerten. In keinem Sektor der ambulanten medizinischen Versorgung, also niedergelassene Haus- und Fachärzte, besteht eine Unterversorgung. Zwar können nicht alle Facharztgruppen in einer ländlichen Region wirtschaftlich existieren, so dass für besondere Spezialisten längere Wege in Kauf genommen werden müssen. Die hausärztliche Versorgung und die fachärztliche Grundversorgung (Gynäkologie, Augenheilkunde, Neurologie, Urologie und Chirurgie) sind jedoch im Altkreis vorgehalten und tragen zu einer gleichmäßigen Versorgung bei. Probleme gibt es im Nachwuchsbereich der Psychiatrie, so dass hier auch im niedergelassenen Bereich Probleme zukünftig zu erwarten sind.

Dr. Hans-Heiner Decker, Bezirksstellenleiter der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe.
Dr. Hans-Heiner Decker, Bezirksstellenleiter der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. © Martin Schwarz | Martin Schwarz

Besonders der Raum Hallenberg-Medebach schneidet bei den Heimatcheck-Teilnehmern gut ab. Wo sehen Sie die Gründe dafür?

Ganz entscheidend war die Einführung der Notfalldienstreform 2011. Gerade im Bereich Hallenberg-Medebach betrug die Dienstbelastung damals teilweise bis zu 50 Notfalldienste im Jahr. Unter solchen extremen Bedingungen kleinster Notfalldienstzirkel wäre es heute unmöglich, junge Ärzte zu bewegen, sich dort nieder zu lassen, zumal das mit einer Familie kaum vereinbar ist. Inzwischen hat sich die Situation grundlegend verändert. Die Ärzte haben die gleiche Notfalldienstfrequenz wie zum Beispiel in Arnsberg, Lippstadt oder Soest. Die Folge ist, dass sich in Medebach eine junge Praxisgemeinschaft mit Dependancen in Hallenberg und Winterberg etabliert hat. Das sorgt natürlich bei den Patienten für eine große Zufriedenheit mit der ärztlichen Versorgung und macht Mut, auch an anderen Orten solche Konzepte umzusetzen. Die besonders guten Werte für Hallenberg und Medebach, die beide nicht über Krankenhäuser verfügen, zeigen aber auch, dass hohe Zufriedenheitswerte möglich sind, wenn eine gute, wohnortnahe Erreichbarkeit der Hausärzte gesichert ist. Das ist in dieser Region zweifelsohne gegeben und stellt meines Erachtens die Basis einer gelungenen medizinischen Versorgung dar.

Wichtig: Krankenhaus erhalten

Wie sieht die Versorgungssituation in den anderen Städten im Altkreis Brilon aus? Winterberg schneidet zum Beispiel im Vergleich mit den anderen Städten etwas schlechter ab.

In Winterberg liegt die Zahl der Hausärzte über 100 Prozent. Die Stadt ist zurzeit für weitere hausärztliche Niederlassungen gesperrt. Trotzdem ist zuletzt viel Unruhe durch die ungesicherte Krankenhausversorgung in der Bevölkerung entstanden. Da sich in den letzten Jahren auch die fachärztliche Versorgung durch Niedergelassene zunehmend an das Krankenhaus verlagert hat, gefährdet eine drohende Krankenhausschließung zusätzlich auch den Bestand vorhandener Facharztpraxen und insbesondere die Anwerbung weiterer junger Ärzte bei Praxisaufgabe. Dies gilt insbesondere für die Fortexistenz des medizinischen Versorgungszentrums am St.-Franziskus-Hospital. Insofern liegt es auch im Interesse der Kassenärztlichen Versorgung, den Krankenhausstandort Winterberg zu erhalten. Wenn Winterberg beim Heimatcheck hier weniger gut abgeschnitten hat, ist es meines Erachtens ein Beleg dafür, dass viele Faktoren in die Beurteilung hineinspielen.

Und wie sieht es in den übrigen Altkreis-Städten aus?

In Marsberg ist die hausärztliche Versorgung seit Jahren gut. Im Bereich der fachärztlichen Versorgung hängt auch für die Zukunft viel von der Existenzsicherung des Krankenhauses ab. In der Stadt Brilon ist die Abdeckung insgesamt nicht so gut. Hier liegt der hausärztliche Versorgungsgrad seit Jahren nur unter 80 Prozent. Deshalb kann es dort für die Patienten bei Praxisschließungen zu Problemen kommen, rasch einen neuen Hausarzt zu finden. Inzwischen deutlich besser ist die Situation in der Stadt Olsberg. Dort hat sich gerade mit Blick auf die Altersstruktur der Ärzteschaft in den vergangen Jahren einiges verbessert. Mit einem Weiterbildungsverbund in Brilon und Olsberg wird gemeinsam mit den regionalen Krankenhäusern für eine Anwerbung junger Assistenzärzte geworben.

Gute Rahmenbedingungen für Familien sind wichtig

Warum ist die Altersstruktur der niedergelassenen Ärzte so wichtig?

Mit Blick in die Zukunft ist es wichtig, nicht nur den aktuellen Versorgungsgrad zu sehen, sondern auch dafür zu sorgen, dass es bei der Altersstruktur ein gutes, ausgeglichenes Verhältnis von jungen und älteren Kollegen gibt. Fehlt ein ,harmonischer Nachwuchs’, können beinahe über Nacht in kleineren Gemeinden durch oft zeitgleiche Praxisaufgabe aus Altersgründen, Krankheit oder Tod älterer Kollegen sehr rasch Versorgungsprobleme entstehen. Damit sich aber junge Ärzte, die in deutlich zunehmender Zahl weiblich sind, hier ansiedeln, müssen die Rahmenbedingungen stimmen: Es bedarf vor Ort einer guten Infrastruktur für junge Familien, was Schulen, Kinderbetreuung, Kulturangebote und Mobilität angeht. Auch Arbeitsmöglichkeiten für Ehepartner müssen wohnortnah vorhanden sein. Da sind die ländlichen Regionen gegenüber den Ballungszentren grundsätzlich benachteiligt. Günstigere Mieten, niedrigere Grundstückskosten, Bauland und viele Freizeitmöglichkeiten in gesunder Natur gleichen diese Standortnachteile zunehmend aus.

Lange Anfahrtswege gibt es für viele Menschen im Sauerland, wenn Sie einen Facharzt benötigen. Wie beurteilen Sie die Situation?

Natürlich können nicht alle Facharztdisziplinen in der ländlichen Region vorgehalten werden. Insgesamt ist jedoch die Präsenz der fachärztlichen Grundversorgung – gemessen an den Bedarfszahlen – überall als gut zu bezeichnen. Die fachärztliche Versorgung im Bereich Orthopädie, Chirurgie, Urologie, Gynäkologie, HNO, Innere Medizin und Pädiatrie ist überall gesichert. Probleme können dann entstehen, wenn ohne hausärztliche Steuerung und Zuweisung ungeregelter Zustrom zu Fachärzten und Psychotherapeuten geschieht. Dies verursacht dort längere Zeiten in den Wartezimmern und kürzere Behandlungszeiten in den Sprechzimmern.

>>>HINTERGRUND<<<

Die Umfrage zum Heimat-Check haben wir geplant, als von der Corona-Krise und ihren Auswirkungen noch nichts zu spüren war. Und doch haben wir uns bewusst dazu entschlossen, Ihnen weiterhin die Möglichkeit zu geben, ihr Wohnumfeld zu benoten. Beim Heimat-Check handelt es sich um eine nicht-repräsentative Umfrage. Er soll ein Stimmungsbild wiedergeben.MEHR ZUM THEMAHier gibt es mehr Artikel und Bilder aus dem Altkreis BrilonHier gibt es mehr Artikel und Bilder aus dem Altkreis BrilonLaut Dr. Ana Moya, die für die Auswertung zuständige Statistik-Expertin, funktioniert das: „Der Heimat-Check liefert wegen der großen Beteiligung ein gutes Stimmungsbild. Es wurde darauf geachtet, dass in jedem Ort eine ausreichende Teilnehmerzahl erreicht wurde, um aufschlussreiche Aussagen treffen zu können.“Moya vermutet,dass unter den Teilnehmern diejenigen Personen in der Mehrzahl waren, für die ihr Ort eine eher wichtige Bedeutung hat. In diesem Fall fiele das Zeugnis bei einer repräsentativen Befragung wohl etwas anders aus als beim Heimat-Check.