Altkreis. Der HSK hat einen Fleischereibetrieb im Kreisgebiet wegen Corona getestet. Der Familienbetrieb ärgert sich über schwarze Schafe in der Branche.
„Die Arbeitsbedingungen in der groß-industriellen Fleischverarbeitung sind nicht immer menschenwürdig. Die Leute haben einfach keine Lobby.“ Deutliche Worte, die Hans-Jörg Scharfenbaum ausspricht. Der Fleischermeister aus Madfeld will keinen Keil zwischen große und kleine Betriebe treiben; und auch will er längst nicht alle über einen Kamm scheren. Aber er hofft, dass die derzeitige Diskussion um die Arbeits- und Wohnbedingungen von einigen Beschäftigten in der industriellen Fleischverarbeitung zum Nachdenken anregt.
Und er betont, dass der Kunde es letztlich selbst in der Hand habe, wie gut, hygienisch einwandfrei und unbelastet Fleisch produziert werde. Discountpreise könnten nur gehalten werden, wenn man an bestimmten Stellen spare; der Kunde möge zum Fleischer seines Vertrauens gehen.
Kontrollen angeordnet
Bundesweit wird derzeit über Miss-Stände in der Fleischindustrie berichtet. In mehreren Großbetrieben der Branche kam es zu Corona-Ausbrüchen. Ein Grund dafür sind mitunter prekäre Produktions- und Unterbringungsbedingungen von Mitarbeitern, die oft nur als Saisonkräfte oder mit Werksverträgen eingestellt werden. Die Landesregierung hat das zum Anlasse genommen, um über die Bezirksregierung und dann wiederum über die Kreise die Schlachtbetriebe zu kontrollieren. „Anfangs war überhaupt nicht klar, welche Betriebe gemeint waren: Sollte jeder kleine Metzgerei untersucht werden oder nur Großbetriebe? Und ab wann ist das Unternehmen groß?“, umschreibt Kreissprecher Martin Reuther die anfängliche Problematik.
Nur ein Betrieb getestet
Für den gesamten Hochsauerlandkreis blieb nach Abwägung aller Kriterien nur ein Betrieb übrig, dessen Mitarbeiter auf Corona untersucht wurden. Und das ist der Familienbetrieb von Ruth und Hans-Jörg Scharfenbaum in Madfeld. Vorab: alle acht in der unmittelbaren Fleischproduktion Beschäftigen am Standort des Schlachtbetriebes in Madfeld und auch der Kontrolleur des Kreises, der dort ein- und ausgeht, wurden getestet. Ergebnis: Negativ, alles in bester Ordnung. „Wir waren überrascht über die Prüfung, aber bei uns kann jeder jeden Tag zum Testen kommen. Wir haben nichts zu verbergen und immer wieder Besuchergruppen hier, die sich von den Arbeitsabläufen und unseren Produkten ein Bild machen können.“
Handwerksbetriebe
„Viele kleine Handwerksbetriebe schlachten noch selbst oder beziehen das Fleisch von Betrieben ihres Vertrauens“, sagt der Obermeister der Fleischerei-Innung im HSK, Heinrich Veh aus Arnsberg. Betriebe in der Größenordung der Firmen, die momentan in der Kritik stehen, gebe es im Kreisgebiet gar nicht. Die Innung hat 38 Mitgliedsbetriebe.
Der Politik wirft der Obermeister eine gewisse Scheinheiligkeit vor. So müssten kleine Betriebe für die Fleischbeschau ein Vielfaches an Gebühren bezahlen als große Betriebe. Rund zehn Euro pro Schwein zahlt der Familienbetrieb Scharfenbaum, ein noch kleinerer Betrieb 19 Euro, in Industriebetrieben sollen es 5 Cent pro Schwein sein.
Er sehe ja ein, dass es bei der Kosten-Nutzen-Berechnung günstiger sei, auf einen Schlag das Fleisch von 1000 Tieren als von zehn zu untersuchen. Dies trage aber nicht dazu bei, kleine Handwerksbetriebe zu fördern oder zu unterstützen.
Schon vergangene Woche, als das Thema Corona und Fleischindustrie aufs Tapet kam, hat der Familienbetrieb Scharfenbaum, der 80 Beschäftigte an acht Standorten hat, einen Flyer in Umlauf gebracht und sich klar von den Rahmenbedingungen aus der Großindustrie distanziert. „Unsere Mitarbeiter liegen uns am Herzen. Sie sind zum Teil schon über zehn Jahre bei uns beschäftigt. Klar, hier wird hart gearbeitet, aber zu fairen Bedingungen“, betont Hans-Jörg Scharfenbaum. Die nächsten Großbetriebe sind weit weg. In Madfeld werden 100 Schweine und zehn bis zwölf Rinder pro Woche geschlachtet und verarbeitet. In der Fleischindustrie sind es 1000 - in der Stunde.
Fleisch aus der Region
Das Fleisch komme aus der Region, wo bei der Haltung mehr und mehr auf Tierwohl geachtet werde. Ein Fleischer-Fließband gibt es bei Scharfenbaums ohnehin nicht. „Wir haben einen Tag in der Woche, an dem geschlachtet wird. Unsere Mitarbeiter kommen alle aus der Region; sie sind sehr qualifiziert und arbeiten nicht nur im Zerlegen oder Verarbeiten des Fleisches, sondern auch beim Wursten, Verpacken und Etikettieren. Es ist eine abwechslungsreiche Beschäftigung und nach der Arbeit wird auch schon mal ein Bier zusammengetrunken.“ Um Azubis für einen schweren Job zu bekommen, verdoppelte der Betrieb sogar das Lehrlings-Salär - wenn die Leistung stimmt.
Steigender Pro-Kopf-Verbrauch
Der steigende Pro-Kopf-Verbrauch beim Fleisch (allein von 1961 bis 2009 ist er von 64 auf 90 Kilo in Deutschland gestiegen), die Abschaffung von Schlachthöfen in den Städten und der Wunsch nach immer billigerer Ware hat nach Ansicht von Scharfenbaum zur Industrialisierung der Fleischverarbeitung geführt. Er vermisse generell in vielen Bereichen eine Wertschätzung von Lebensmitteln. „Zwei Euro pro Kilo muss der Bauer für ein Schwein haben, sonst geht das nicht. Wir als Handwerksbetrieb wollen letztlich ein gutes Produkt abliefern – zu fairen Bedingungen, an dem alle auch noch was verdienen können.“ Scharfenbaum würde sich wünschen, dass die Mitarbeiter in den Großbetrieben eine ähnlich starke Lobby bekommen wie in der Automobilindustrie. Viele fahren Auto, aber auch viele essen Fleisch…