Brilon. Mit Corona-Schutz sitzt der Angeklagte im Briloner Gerichtssaal. Viele Verhandlungen sind aktuell ausgesetzt. Dieser Prozess musste stattfinden.
Noch bevor er die Robe anlegt und die Verhandlung eröffnet, schaut Vorsitzender Richter Hans-Werner Schwens rein und bietet den Beteiligten Mundschutzmasken an. Grund: das Coronavirus . Die hält aber niemand für nötig. Der große Saal des Amtsgerichts Brilon bietet genug Abstandsflächen. Die Protokollantin sitzt ohnehin weit genug weg. Die beiden Schöffen links und rechts des Richters rutschen einen Stuhl weiter zur Seite. Zwischen dem Tisch des Staatsanwalts und der Anklagebank könnte ein Pkw parken. Und Verteidiger und Angeklagten hat das Gericht provisorisch mit einer Plexiglasscheibe getrennt – Corona-Schutz.
Wachmeister mit Spezialbrille, Latexhandschuhen und FFP3-Atemschutzmasken
Komplett geschützt, mit Spezialbrille, Latexhandschuhen und professionellen FFP3-Atemschutzmaske, betreten zwei Wachtmeister den Saal. Zwischen ihnen der Angeklagte. Auch er trägt Mundschutz und Handschuhe. Und Fußfesseln. Er wird aus der U-Haft vorgeführt. Und deshalb trat am Donnerstag trotz Corona-Krise das Schöffengericht zu einer Sitzung zusammen.
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Seit Mitte Dezember bereits befindet sich der 43 Jahre alte gebürtige Pole mit der doppelten Staatsbürgerschaft hinter Gittern. Er soll in der Nacht vom 23. auf den 24. Oktober vergangenen Jahres in der Bahnhofstraße in Brilon und in Marsberg in der Hauptstraße in ein Geschäft eingebrochen sein.
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Ein Komplize half ihm dabei, eine Frau stand Schmiere. Das jedenfalls hat der Komplize bei der Polizei ausgesagt, nachdem der später bei einer anderen Tat erwischt worden war und - so Staatsanwalt Sebastian Wirrwa - „reinen Tisch gemacht“ hatte.
Vorstrafenregister lang – Verurteilungen wegen Vergewaltigung
Das nutzte Verteidiger Lutz Pinner (Dortmund), um dem Gericht einen Deal, eine Absprache, schmackhaft zu machen. Wer weiß, meinte der Anwalt, ob der Kronzeuge hier überhaupt das wiederhole, was er damals unmittelbar nach seiner Festnahme und davon noch beeindruckt gegenüber der Polizei ausgesagt habe: „Hier jemanden zu verraten, davor knicken viele ein.”
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Ohne den Belastungszeugen und dessen Täterwissen hätte das Gericht wohl ein Problem. Denn als einziges Indiz befindet sich das flaue Foto des Blitzers in Alme in den Akten. Das lässt allenfalls erahnen, dass das Trio in der Tatnacht im Altkreis Brilon unterwegs war.
Für den Deal wirft der Verteidiger das Geständnis seines Mandanten in den Ring. Das würde eine Beweisaufnahme erübrigen und im Gegenzug eine mildere Strafe mit sich bringen. Angebot der Gegenseite: eine Gesamtstrafe zwischen 16 und 20 Monaten, die - und das betonte Richter Schwens ausdrücklich - aber nicht zur Bewährung würde ausgesetzt werden können.
Am Ende steht ein Deal
Das hat sich der Angeklagte selbst zuschreiben. Hat er sich doch seit 1993 bereits 19 Vorstrafen eingehandelt - vom Fahren ohne Fahrerlaubnis über Einbrüche, Diebstahl und Körperverletzung bis hin zu zwei Verurteilungen wegen Vergewaltigung. Im vergangenen Herbst stand er noch unter Führungsaufsicht, was ihn aber nicht von neuerlichen Straftaten - und zwar nicht nur den beiden im Hochsauerland - abgehalten hatte.
18 Monate Gefängnis
Wegen Diebstahls in zwei Fällen verurteilte das Gericht den 43-Jährigen im Rahmen des getroffenen Deals zu 18 Monaten Gefängnis und erließ einen neuen Haftbefehl wegen Fluchtgefahr.
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Ob er nicht allmählich mal sein Leben in die Spur zu bringen gedenke, wollte Richter Schwens von dem Angeklagten wissen. Doch, sagte er, und zwar in Polen. Als Dolmetscher. Kurz nach den Einbrüchen sei ihm dort ein Job angeboten worden - für 2500 Euro netto im Monat. Davon, sagte er, könne man in Polen gut leben.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Details zur mutmaßlichen Tat
In Brilon nahm der 43-Jährige die Wechselgeldkasse mit 300 Euro und eine weitere deponiert Summe - insgesamt 1179,50 Euro - mit, in Marsberg einen Stoß Briefmarken im Wert von rund 50 Euro sowie 50 Eintrittskarten für eine Veranstaltung in Warburg. Mit den Tickets konnte das Trio nichts anfangen. Der Veranstalter hatte sie nach dem Diebstahl sperren lassen, deshalb war ihm kein Schaden entstanden.
Mit einem erstaunten „Das wusste ich nicht.“ und einer Entschuldigung quittierte er die Aussage der Briloner Geschäftsinhaberin, dass der größere Teil des Bargelds nicht versichert gewesen sei.