Brilon/Hochsauerlandkreis. Angela Kloppenburg leitet eine Schwangerschaftsberatung im HSK und sagt, wieso es wichtig ist, sich nach Fehlgeburten wie eine Mutter zu fühlen.
Viele Wochen haben sich Eltern auf ihr Kind gefreut. Die Tritte im Bauch nachgespürt. Mit den Händen darüber gestreichelt. Und plötzlich sind sie nicht mehr da, die Bewegungen. Plötzlich treten vielleicht Blutungen auf. Oder das Kind hört auf zu atmen, nachdem es seinen ersten Schrei auf der Welt schon getan hat. Angela Kloppenburg von der Schwangerschaftsberatung des Sozialdienstes Katholischer Frauen im Hochsauerlandkreis, der auch für trauernde in Brilon zuständig ist, umschreibt es so: „Der frühe Verlust eines Kindes als Fehlgeburt, Totgeburt oder nach kurzer Lebenszeit löst bei betroffenen Eltern eine große Trauer aus. Sie sind mit starken Gefühlen konfrontiert. Traurigkeit und Schuldgefühle, Zweifel und Ängste führen zu der Frage: Wie kann ich diese Gefühle verarbeiten, wie geht mein Leben weiter?“
Angela Kloppenburg erzählt im Gespräch wie sich Trauer anfühlt
Angela Kloppenburg leitet seit 13 Jahren die Schwangerschaftsberatung und hat in diesem Rahmen in Einzel-, aber auch in Gruppenberatungen viele Elternpaare in Trauer erlebt. Im Gespräch erzählt sie, wie sich die Betroffenen fühlen und wie man als Angehöriger am besten reagieren kann.
Das Unfassbare passiert: Eltern verlieren ihr Baby. Kann man in etwa beschreiben wie sich das für die Betroffenen anfühlt?
Die Eltern fallen in ein richtig tiefes Loch. Die Welt bleibt stehen. Viele sind so schockiert, dass sie denken, dass sie in einem falschen Film sind. Sie glauben fest, dass sie wach werden und alles ist wieder gut. Viele verdrängen den Schmerz viele Tage, bis sie realisieren können, was geschehen ist. Die Begegnung mit dem verstorbenen Kind ist daher sehr wichtig um das Unfassbare zu realisieren
Wie kann ich mit diesem Gefühlssturm umgehen?
Den meisten hilft es, darüber zu reden. Immer wieder dasselbe zu erzählen und ohne Zeitdruck Abschied nehmen zu können. Im Briloner Krankenhaus wird das sehr schön gemacht. Das Baby wird schick angezogen mit Kleidung, die manchmal auch extra in kleinen Größen gekauft wird. Das Kind wird dem Paar so oft wie es möchte gebracht, damit sie es halten können, um Abschied zu nehmen. Das ist sehr liebevoll. Dazu gibt es auch eine Gedenkkerze. So wird Eltern verdeutlicht, dass ihr Kind gelebt hat. Sie sollen wissen: ich bin eine Mutter. Ich bin ein Vater.
An wen kann ich mich in dieser Situation wenden, um Hilfe zu bekommen?
Manche Frauen kennen Krisen und wissen, wie sie sich selbst da heraus helfen. Manche brauchen Hilfe und können sich an die Hebammen wenden. Und, ich will absolut nicht eingebildet klingen, aber ich habe eine Fachausbildung und kenne mich mit diesem Thema sehr gut aus. Die Frauen können sich auch jederzeit an mich wenden.
Trauer darf nicht kleingeredet werden
Wie reagiere ich als Angehöriger am Besten?
Man darf die Trauer nicht kleinreden. Der und der sagt: das ist doch schon die dritte Fehlgeburt... Beim nächsten Mal klappt das schon... Das ist falsch. Man sollte seine eigene Sprachlosigkeit in Worte fassen. Man sollte sagen: ich stehe an deiner Seite, was brauchst du? Die Eltern im Schmerz abholen und nicht sagen, dass man weiß, wie es ihnen geht. Das weiß nämlich niemand. Und immer auch nach acht Wochen oder einem Vierteljahr noch einmal nachfragen, wie es den Trauernden geht. Trauer kann sehr lang dauern.
Wie verlieren sich Paare bei einem so schweren Verlust nicht aus den Augen?
Männer und Frauen trauern sehr unterschiedlich. Männer fliehen in Hobbys oder ihre Arbeit. Frauen haben das Bedürfnis immer wieder über die Trauer zu reden. Man muss beides als Ausdruck von Trauer akzeptieren. Häufig geht es dem Mann auch schneller wieder besser und die Frau entwickelt Vorbehalte dagegen. Die Paare sollten darüber reden und die beiden Arten der Trauer als gegenseitige Bereicherung ansehen.
Vortrag und Erfahrungsaustausch
Die Mitarbeiterinnen der Schwangerschaftsberatungsstelle des SKF Hochsauerland laden Eltern, die vom Frühtod ihres Kindes betroffen sind, ein zu einem Vortrag „Wenn die Wiege leer bleibt – der Weg durch die Trauer nach Fehl- und Torgeburt“ mit anschließenden Erfahrungsaustausch.
Die Veranstaltung findet am Mittwoch, 11. März, um 18.30 Uhr im Tagungsraum des Caritasverbandes, Steinstraße 12 in Meschede statt. Um Anmeldung wird gebeten bei Angela Kloppenburg unter 0291/7131 oder schwangerschaftsberatung.m@skf-hochsauerland.de
Trauer ist erlaubt - egal zu welchem Zeitpunkt
Wie reagiere ich auf unschöne Reaktionen wie: „Du kannst ja noch so viele Kinder bekommen“ oder „Vielleicht war es besser so, bestimmt war es behindert“?
Wir üben das in Trauergruppen. Meistens haben die Frauen nicht die Kraft, in die Konfrontation zu gehen oder zu antworten. Ich rate, die guten Absichten dahinter zu erkennen, denn die meisten meinen es nur gut. Die Frauen können auch sagen: „Nein, das war mein Sohn!“ Meistens ist aber ihre Seele so verletzt, dass ich abrate in die offene Konfrontation zu gehen und zu erkennen, das dahinter nur die Unfähigkeit der Menschen steckt, mit der Trauer umzugehen.
Letztens bei Facebook habe ich einen Artikel gesehen, in dem es um frühe Abgänge ging. Darunter haben viele Frauen kommentiert, dass dies kein Grund zum Trauern sei, denn vor der zwölften Woche sei das Embryo kein Kind. Darf ich bei frühen Abgängen nicht trauern?
Trauer ist in jedem Fall erlaubt. Sobald der Samen das Ei befruchtet hat, spricht man laut Rechtssprechung von einem Kind. Alles, was danach kommt, ist nur Wachstum. Jeder hat das Recht, zu trauern. Zumal gerade Frauen sehr früh eine Beziehung zu ihrem Baby aufbauen und in ein neues Leben starten.
Wie lege ich meine Ängste ab, wenn ich erneut schwanger bin?
Die kann man nicht ablegen – nur lernen, damit umzugehen. Oftmals helfen Gespräche mit anderen Eltern, die dieselben Erfahrungen gemacht haben und nun ein gesundes Kind zur Welt gebracht haben. So sehen die Trauernden, dass Leben gelingen kann. Angst ist auch positiv – sie bedeutet Schutz. Sie darf nur nicht übermächtig werden. Trauern ist wichtig, weil... weil das Kind, das da war, wertvoll ist!
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