Medebach. Der junge Mann aus Medebach hatte ordentlich „getankt“ und war auf einem Roller im Leerlauf unterwegs: Ist das wie Schieben oder wie Fahren?

„Machen Sie sich mal Gedanken, ob der Alkohol und Sie wirklich so eine gute Kombination sind“, gab Richter Frank Seidel am Amtsgericht Medebach dem jungen Angeklagten zu bedenken. Denn wenn er nicht trinkt, gibt der 19-Jährige viel Anlass zur Hoffnung. Trotz großer schulischer und familiärer Probleme während seiner Kindheit und Jugend hat er sich ein Leben aufgebaut: Schulabschluss, Weiterqualifizierung, die Ausbildung kurz vor dem Abschluss, dazu eine eigene Wohnung, die er selbst finanziert.

Doch wenn Alkohol ins Spiel kommt, geht es oft schief bei ihm. Das las der Richter auch aus den Eintragungen im Bundeszentralregister – Körperverletzung, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Sachbeschädigung und Beleidigung standen da unter anderem. „Alles jeweils unter Alkoholeinfluss“, so der Richter.

Verteidiger: „Kuriose Nacht“

Es sei „eine kuriose Nacht“ gewesen, formulierte es der Verteidiger. Tatsächlich dürften die meisten Menschen einen Kneipenbummel, bei dem dreimal die Polizei eingreift und einzelne Beteiligte mehrfach zwecks Blutprobe mitnimmt, für die meisten Menschen nicht zum Alltag gehören.

Doch der Reihe nach. Mit einem Kumpel war der junge Medebacher bei der „Mescheder Kneipennacht“ im vergangenen Oktober unterwegs. Das erste Mal, so schilderte es eine Polizistin im Zeugenstand, sei ihnen das Duo auf einem Roller aufgefallen, weil einer der beiden keinen Helm trug. Ihr Kollege: „Wir haben den Angeklagten sogar noch gelobt, weil er nicht selbst gefahren war.“

Mit Kumpel unterwegs

Dass der Kumpel am Lenker jedoch ebenfalls betrunken war, führte zur ersten Trennung der Wege in dieser Nacht: Der Kumpel durfte zwecks Blutprobe die Polizisten begleiten. „Geraume Zeit später“, erinnerte sich der Beamte, sei dann ein Anruf eingegangen. Ein Mitarbeiter einer Tankstelle habe zwei offenbar alkoholisierte Jugendliche auf einem Roller gemeldet. Die Beamten machten sich auf die Suche und fanden beide, einträchtig den Roller bergauf schiebend, in einem Wohngebiet. „Für uns war der Kumpel ein Tatverdächtiger.“

Es folgte die zweite Trennung: Für den Kumpel ging es im Streifenwagen zunächst zurück zur Tankstelle. Deren Mitarbeiter bestätigte, dass der junge Mann kurz zuvor den Roller gefahren hatte.

Polizei leitet Fahndung ein

Und dann passierte das, was der Verteidiger wohl mit der „kuriosen Nacht“ meinte: Noch während die Kollegin des Polizisten vor der Tankstelle den Kumpel bewachte, rollerte jemand an ihr vorbei – der Angeklagte. Nicht lustig, befanden die Polizisten. Sie leiteten eine Fahndung ein und erwischten ihn gut zehn Minuten später. Da war er zu Fuß. An Bord zweier Streifenwagen ging es für Angeklagten und Kumpel, diesmal gemeinsam, zur Blutprobe. 1,47 Promille lautete das Ergebnis für den Angeklagten.

Führerschein steht auf dem Spiel

Die Verfahrenskosten muss der Angeklagte nicht tragen, trotzdem könnten weitere hohe Kosten auf ihn zukommen.

Denn es ist bereits seine zweite Führerschein-Sperrfrist.

Das bedeutet, dass es im Ermessen der Behörden liegt, ob er eine MPU, vulgo Idiotentest, bestehen muss, bevor er jemals einen Führerschein machen darf.

Was vorher passiert war, schilderte der 19-Jährige etwas anders als die Polizei. Er habe den Roller, der ihm gehört, in dieser Nacht nicht gefahren. Nur 50 Meter auf einen Parkplatz geschoben, weil er an einer ungünstigen Stelle abgestellt gewesen sei. In der Tat war ihm nicht nachzuweisen, dass er den Motor angeschaltet hatte – vermutlich ließ er, als er an der Polizistin vorbeikam, das Fahrzeug nur flott bergab rollen. Das allerdings darauf sitzend. „Das ist wie Schieben“, meinte der Verteidiger. „Das ist wie Fahren“, meinte der Staatsanwalt – und bekam vom Richter Recht.

600 Euro Geldbuße

Auch darüber, ob Jugendstrafrecht anzuwenden sei, wurden sich Anklage und Verteidigung nicht einig. „Normalerweise bin ich da rigoros“, so der Richter. Doch das „mit Verlaub einigermaßen dämliche“ Vorgehen sei eher jugendtypisch. Das und die schwierige Biographie des Angeklagten ließen eine Verurteilung nach Jugendstrafrecht zu. 600 Euro Geldbuße, was für den Azubi einem knappen Monatsnettolohn entspricht, muss er in Raten an den Malteser Hilfsdienst zahlen. Außerdem bekommt er eine zwölfmonatige Führerschein-Sperrfrist.

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