Hochsauerlandkreis/Brilon. Die heimischen Politiker sind erleichtert, dass in Erfurt die Reißleine gezogen wurde. „Fünf Prozent“ seien kein Regierungsauftrag gewesen.
Die Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten von Thüringen mit den Stimmen der AfD ham Mittwoch und Donnerstag hohe Wellen geschlagen. Es gab jede Menge Kritik – auch aus Reihen der FDP. Aber zunächst auch Zustimmung: „Aus meiner Sicht war es richtig und wichtig, dass mit Thomas Kemmerich ein Kandidat der Mitte angetreten ist – gegen zwei Kandidaten vom Linksaußen und Rechtsaußen“, sagte der Kreisvorsitzende der FDP im Hochsauerlandkreis, Carl-Julius Cronenberg am Donnerstagvormittag. „Zu seinem überraschenden Sieg habe ich ihm gratuliert.“
Das sagt HSK-Chef Cronenberg
„Am Mittag folgte die Wende. FDP-Ministerpräsident Thomas Kemmerich kündigte an, von seinem Amt zurückzutreten und sich für Neuwahlen einzusetzen. „,Demokraten brauchen demokratische Mehrheiten’ teilt Thomas Kemmerich in einem Statement mit und möchte mit seinem Rücktritt den Makel der AfD vom Amt des Ministerpräsidenten nehmen. Das sehe ich genauso“, sagt Cronenberg kurz nach der Rücktrittsankündigung. „Aus meiner Sicht ist vielmehr noch die Fähigkeit der Demokraten untereinander gefragt, sich nicht spalten zu lassen durch taktische Züge von rechtsaußen oder linksaußen. Doch genau das ist jetzt passiert. Wir dürfen uns in der politischen Mitte nicht von Extremisten spalten lassen.“
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Das sagt der Kreistagsabgeordnete Mühlenbein
Als „Zaungast wie alle anderen auch“ hat FDP-Kreistagsabgeordneter Josef Mühlenbein aus Brilon die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen verfolgt. Deshalb könne er auch „nicht beurteilen, inwieweit die CDU-Fraktion bei der Wahl „Mitläufer der AfD“ war oder ob es deren „Ziel war, einen linken Ministerpräsidenten abzuwählen“.
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Wenn es um letzteres gegangen sei, so der Rechtsanwalt, könne er die ganze Aufregung nicht verstehen: „Das ist doch der politische Gegner.“ Allerdings sei es eine „sehr, sehr bedauerliche Geschichte, dass ein Fünf-Prozent-Mann“ - damit spielt Mühlenbein auf das Ergebnis der Liberalen bei der Landtagswahl an - jetzt Ministerpräsident in Thüringen sei - weniger als 24 Stunden war er es allerdings dann auch schon nicht mehr.
Das sagt Bürgermeister-Kandidat Eppner
Der 33-jährige Enrico Eppner aus Hallenberg hat bis spät in die Nacht vorm Fernseher gesessen und sich Stimmen und Reaktionen auf die Wahl des Ministerpräsidenten in Thüringen angehört. Er ist treibende Kraft des 2018 gegründeten FDP-Ortsverbandes seiner Heimatstadt und tritt bei der Kommunalwahl im Herbst als Bürgermeisterkandidat an. Er ist erleichtert, dass sein Parteikollege am Donnerstag zurück getreten ist. „Ich sehe das sehr kritisch und rate zur Besonnenheit. Klar ist für mich: die FDP hatte in Thüringen keinen Regierungsauftrag und das ganze Verfahren war der Demokratie nicht dienlich; es hatte einen faden Beigeschmack.“ Rein rechtlich sei das Procedere nicht anfechtbar; schließlich müsse es Alternativen aus der Mitte zu Extrem-Links- und -Rechts geben. Hätte es ein solches Wahlergebnis auf kommunaler Ebene gegeben, hätte im Traum niemand daran gedacht, dass eine Partei mit fünf Prozent Wählerstimmen einen Regierungschef stellt.
Dirk Wiese (SPD)
„Der Rücktritt ist aus meiner Sicht unumgänglich gewesen, aber mit Rückgrat und klarer Haltung hätte er die gestrige Wahl gar nicht erst annehmen dürfen. Jetzt stellt sich die Frage, was FDP-Chef Christian Lindner im Vorfeld gewusst hat. Wenn er von entsprechenden Absprachen gewusst hat, ist er meiner Meinung nach nicht mehr zu halten und muss ebenfalls zurücktreten“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk Wiese. Es sei absolut unverständlich, „wie die FDP und die CDU in Thüringen sich zu Gehilfen der Höcke-AfD“ habe machen können. „Die abgekartete Wahl von Herrn Kemmerich zum Ministerpräsidenten ist ein unvergleichlicher Tabubruch. Hans-Dietrich Genscher wäre fassungslos. Man macht mit Faschisten keine gemeinsame Sache“, so Wiese weiter.
Patrick Sensburg (CDU)
„Grundsätzlich ist es für die CDU kein Problem für einen Liberalen zu stimmen, aber das Ergebnis hat mich natürlich auch überrascht. Ich hoffe sehr, dass es hier keine Absprachen zwischen der AfD, die ja auch einen eigenen Kandidaten zur Wahl gestellt hatte, und der FDP gegeben hat. Mit seinem Rücktritt heute Mittag hat Herr Kemmerich die richtigen Konsequenzen gezogen. Meines Erachtens hätte er aber die Wahl am gestrigen Tag erst gar nicht annehmen dürfen“, so der Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg (CDU). Er hoffe sehr, dass nun auch der Thüringer Landtag den Weg für Neuwahlen freimache. „Klar muss dann auch sein, wer Extreme links oder rechts wählt, bringt ein Bundesland in eine solche Situation. Für die CDU wird es auch weiterhin keine Zusammenarbeit mit der AfD geben.“