Hallenberg. Hallenberg will seine Osternacht als Immaterielles Kulturerbe der UNESCO anerkennen lassen. Doch es gibt unvorhergesehene Schwierigkeiten.

Die Atmosphäre ist gespenstisch, der Krach ohrenbetäubend. Aber die Hallenberger Osternacht ist noch mehr: einzigartig und traditionsreich. Deshalb haben die Nuhnestädter hohe Ziele für ihr Brauchtum: Sie wollen es in die Liste des Immateriellen Kulturerbes in Deutschland aufnehmen lassen.

2013 ist Deutschland einem entsprechenden UNESCO-Übereinkommen beigetreten, mit dem sich die staatlichen Stellen verpflichten, ein bundesweites Verzeichnis besonderer Traditionen, Bräuche und Überlieferungen anzulegen.

Wer auf diese Liste will, muss eine umfangreiche Bewerbung einreichen und ein mehrstufiges Auswahlverfahren überstehen (siehe Zweittext). Hallenberg will das mit seiner Osternacht versuchen.

So läuft das Bewerbungsverfahren

Die Entscheidung über eine Aufnahme in die Liste des Immateriellen Kulturerbes in Deutschland wird in einem mehrstufigen Auswahlverfahren gefällt. Bewerbungen werden zunächst an die zuständige Stelle des jeweiligen Bundeslandes geschickt (in NRW das Ministerium für Kultur und Wissenschaft). Jedes Bundesland trifft eine Vorauswahl und kann maximal vier Anträge pro Bewerbungsrunde an die Kultusministerkonferenz weiterleiten. So entsteht eine bundesweite Vorschlagsliste, die an das Expertenkomitee der Deutschen UNESCO-Kommission weitergeleitet wird. Dieses prüft, ob die Bewerbungen den Kriterien entsprechen und empfiehlt, falls ja, ihre Aufnahme ins Verzeichnis. Die Empfehlung muss von der Kultusministerkonferenz und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien bestätigt werden.

Hallenberg erhofft sich große öffentliche Anerkennung

„Auf die Idee hat mich mein Bekannter Horst Menzel gebracht, der im Ruhrgebiet wohnt und versuchte, die dortige Brieftaubenzüchterei in die Liste aufnehmen zu lassen“, erklärt Bürgermeister Michael Kronauge. „Bei einer Osternacht sprach er mich an und meinte, dass man das auch für die Hallenberger Osternacht versuchen müsse.“

Kronauge wandte sich also an den Katholischen Burschenverein, der die Veranstaltung federführend organisiert. Dort sei man zunächst skeptisch gewesen, ob diese Tradition überhaupt eine Werbung brauche und ob sie dadurch nicht kommerzialisiert werde.

Eintrag führt nicht zu finanzieller Förderung

Doch Kommerz ist mit einer etwaigen Anerkennung nicht verbunden – es gibt zum Beispiel keine finanzielle Förderung und das Logo „Immaterielles Weltkulturerbe“ dürfte auch nur für nicht-kommerzielle Zwecke verwendet werden.

Trotzdem wäre die öffentliche Anerkennung zweifellos eine große Sache für die kleine Stadt. Denn die Worte UNESCO und Kulturerbe klingen natürlich und könnten Hallenberg einen Imagegewinn verschaffen, zum Beispiel auf touristischer Ebene. „Burschenoberst Darius Köhne, unser Stadtarchivar Georg Glade und ich haben die Bewerbung also in die Hand genommen“, erklärt Kronauge.

Die Hürden sind hoch: Einzureichen sind ein 17-seitiges Formular und dazu zwei Begleitschreiben fachlich versierter, unabhängiger Personen, die weitere Hintergründe erläutern. Die Hallenberger nahmen Kontakt zu Dr. Maria Harnack vom Lehrstuhl für Materielles und Immaterielles Kulturerbe der Universität Paderborn auf. Sie gab eine erste Einschätzung zu den Chancen ab.

Wandlung von Traditionen wird positiv bewertet

Das Ergebnis überraschte die Hallenberger: „Da kamen Fragen, die ich nicht erwartet hatte“, räumt Kronauge ein. Besonders an zwei Stellen könnten nach Ansicht der Expertin Schwierigkeiten auftauchen.

Denn die Hallenberger Osternacht hat sich in Jahrhunderten praktisch nicht verändert, „ich dachte, gerade das macht sie zu etwas Besonderem.“ Es zeigte sich aber, dass im Gegenteil viel Wert darauf gelegt wird, dass eine Tradition sich im Lauf der Zeiten weiterentwickelt.

Die Kulturerbe-Liste

Aufgenommen in die Liste sind momentan 97 Einträge, darunter überregional bedeutende wie die Falknerei und die deutsche Brotkultur, der Hebammenberuf, die Sternsinger und die Kneipp-Lehre.

Auf lokalen oder regionalen Ebenen haben es unter anderem die Siegerländer Haubergswirtschaft (eine traditionelle, nachhaltige Waldwirtschaftsform), die Schwäbisch-Alemannische Fastnacht und der Osterräderlauf in Lüdge (zur Feier des Frühlingsbeginns), aber auch lokal sehr beschränkte Bräuche wie das Ehrsame Narrengericht zu Grosselfingen (eine Fasnachtstradition) in die Liste geschafft.

Aus dem Sauerland ist bisher keine Eintragung verzeichnet – wenn auch die Sauerländer unbestreitbar ihren Anteil zur Erhaltung des Schützenwesens leisten, das bereits zum immateriellen Kulturerbe in Deutschland zählt.

Der zweite Punkt betrifft die Offenheit des Brauchs für alle Menschen, die daran teilnehmen möchten. „Das ist ein entscheidendes Anerkennungskriterium“, ließ die Fachfrau wissen.

Im Klartext: Die Tatsache, dass die Osternacht zwar von jedem besucht werden darf, die aktive Teilnahme aber an eine Mitgliedschaft im Burschenverein gebunden ist und deshalb nur unverheirateten Männern offensteht, könnte ein entscheidendes Hindernis sein.

„Der Burschenverein nimmt zwar inzwischen Angehörige anderer Konfessionen und Glaubensrichtungen sowie Konfessionslose auf“, so Kronauge, „aber eben nur männliche Personen.“ Um damit durchzukommen, müsste diese Beschränkung nachvollziehbar begründet werden, und das könnte schwierig sein.

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Beide Hürden im Verbund haben dazu geführt, dass Hallenberg seine Bewerbung im vergangenen Jahr zurückgestellt hat, um sie sie dieses Jahr überarbeitet neu in Angriff zu nehmen. Dafür wurde weiterer Fachverstand des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) hinzugezogen.