Brilon. In einer neuen Kampfkunst-Schule zeigt der Dortmunder, wie man sich gegen Angreifer und Waffen zur Wehr setzt. Zum Beispiel einem Aschenbecher.
Der Geruch von Räucherstäbchen liegt in der Luft, ruhige Flötenmelodien ertönen im Hintergrund des großen Raumes, an dem ein großes Yin und Yang Symbol an einer Wand zu sehen ist. Mit im Raum ist Andy Hüttemann in schwarzer Kampfkleidung. Auf seinem Unterarm zeigt sich ein tätowiertes Messer. Auf der Klinge steht in feinen Buchstaben „Ronin“, was so viel wie umherwandernder Krieger bedeutet. Das passt zu dem 50-Jährigen.
Der Dortmunder hat sich in Brilon niedergelassen und eröffnet dort sein eigenes Dojo unter dem Namen Ka Shu Do Selfdefence in der Marktstraße 16. Dort geht es vor allem darum, die eigene Angst zu besiegen. „Angst ist der größte Virus, den wir bekommen haben. Wir müssen uns bewusst werden, was für ein starker Geist in jedem steckt“, erklärt Hüttemann seine Philosophie. Mit Angst würde es jedem schwer fallen, auf eine Gefahrensituation angemessen zu reagieren.
Selbstfindung statt reine Selbstverteidigung
Dem versucht der Kung-Fu-Meister entgegenzuwirken und setzt bei seiner selbst entwickelten Kampfkunst auf drei Säulen: Die Selbstverteidigung, die Chi-Kraft und ein Kraft-Ausdauer-Workout, denn Selbstverteidigung ist für den gebürtigen Dortmunder nicht das sinnlose Umherwirbeln der Gliedmaßen. Es geht vor allem um Selbstfindung, zu wissen, was man tut und nicht darum, sich mit den eigenen Fähigkeiten zu profilieren.
Deswegen soll es im Dojo auch nicht um Wettbewerb gehen. „Wenn einer hierher kommt und eine Runde im Ring drehen will, weil der den und den Gürtel hat, bin ich nicht interessiert. Die Person ist hier falsch“, sagt Hüttemann klar. Es geht nicht darum, besser zu sein als ein anderer Teilnehmer des Kurses. Deswegen wird jeder Schüler auch gleichzeitig zu einem Meister ausgebildet, damit sich gegenseitig geholfen werden kann. Hüttemann: „Der Gürtel ist nur da, um die Hose festzuhalten. Punkt.“
Umgang mit Waffen
Um auf jeden mögliche Situation vorbereitet zu sein, lernen die Kursteilnehmer nicht nur den Umgang mit ihrem gesamten Körper, sondern auch mit verschiedensten Waffen. Der Kung-Fu-Meister erklärt, dass die Waffe eines Gegners zu Boden fallen kann und der Angegriffene dann in der Lage sein muss, diese auch zum Schutz einzusetzen. Dabei sind die Trainingsutensilien zum Teil klassisch, wie beispielsweise Messer, aber auch ausgefallener, wie zum Beispiel in Form eines Aschenbechers.
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Jede einzelne Bewegung wird im Training zigfach wiederholt, damit sie im Ernstfall leicht von der Hand geht. „Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, darf nicht gezögert werden, daher ist jede Handlung wie Fahrradfahren. Die Verteidigung soll ganz automatisch ablaufen können und der erste Schlag muss sitzen“, erklärt der Experte.
Effizienz als oberstes Gebot
Die Kampfkunst soll vor allem effizient sein. Der Oberkörper des Gegners wird mit Schlägen traktiert, der Unterkörper mit den Beinen. Aber auch das Ringen am Boden und verschiedene Hebeltechniken sind Teil des Trainings. Daher gehören Dehnübungen zum Programm, damit der Körper diese Bewegungen auch ausführen kann.
Die zweite Säule der Chi-Kraft soll den Kursbesuchern zeigen, wie sie bewusst die körpereigenen Energien im Körper wahrnehmen können. Diese können dann auch zur Heilung eingesetzt werden. Hüttemann sagt, dass er selbst zwei Jahre lang Rentner gewesen sei, weil sich Arthrose in seiner Hüfte gebildet hatte. Stehen oder sich bewegen, seien Dinge der Unmöglichkeit gewesen. „Ich habe mich dann auf das besonnen, was ich jahrzehntelang gelernt habe. Und jetzt blende ich den Schmerz gezielt aus und kann mich wieder bewegen.
Seit 30 Jahren Kampfsportler
Der dritte Punkt, die Kraft und Ausdauer, ist wichtig, um die eigene Muskulatur zu stärken und die eigene Kondition zu verbessern. Dennoch soll das Dojo nicht zwingend Hochleistungssportler ansprechen.
Hüttemann macht mittlerweile seit 30 Jahren Kampfsport und arbeitete zunächst als Stahlbauschlosser, bevor er sich Vollzeit dem Sport verschrieb und zwischenzeitlich auch eine Ausbildung zum Personenschützer in Salzburg absolvierte. Der Anblick seines Tattoos könnte vermuten lassen, dass bei ihm gilt „Angriff ist die beste Verteidigung“, aber der 50-Jährige hat eine ganz andere Sichtweise. „Wenn ich weiß, dass an einer bestimmten Ecke oder in einer Kneipe immer Ärger lauert, dann gehe ich da nicht hin. Die beste Verteidigung ist gar nicht dazu sein.“