Winterberg/Bromskirchen/Bruchhausen. Mord im Sauerland: 19-Jährige wird mit Stich ins Herz getötet. Zwei Reporter arbeiten den Fall auf. SAT1 dreht die Geschichte in Winterberg.

„Der Nebel hier im Sauerland ist einfach einmalig. So dichte Schwaden kann man mit keiner Nebelmaschine erzeugen. Wenn der morgens über den Waldboden wabert, ist das eine herrlich mystische Stimmung.“ Felix Herzogenrath gerät für einen Moment ins Schwärmen. Er ist Regisseur und hat z.B. bei „Die Bergretter“ oder „Der Staatsfeind“ (nominiert für den Deutschen Fernsehpreis 2019) die Fäden in der Hand gehalten. Zurzeit hat es ihn und ein großes Team der Gesellschaft für Film und TV-Produktion „all in“ aus München ins Sauerland verschlagen. Für den Fernsehsender SAT1 wird hier noch bis zum 13. November der erste Teil einer Krimireihe gedreht: „Das Lied der toten Mädchen“.

Das gleichnamige Buch stammt aus der Feder von Linus Geschke, der heute zum sechsten Drehtag nach Bromskirchen gekommen ist. Am Sportplatz hat das Team sein „Basislager“ aufgeschlagen. Ein großer Wohnwagen für die Kostüme, einer für die Maske, ein Verpflegungstruck, Technikwagen und Requisiten. Ein Pendeldienst bringt die Darsteller zum eigentlichen Dreh in den Elsternweg, eine Ansammlung von rustikalen Blockhäusern mitten im Wald. Scheinwerfer, Puschel-Mikrofone, Puderquaste, Kabelrollen und Kameras wachsen hier mitten im Wald mit Steinpilzen um die Wette.

Impressionen vom Drehtag

Die Kölner Journalisten Jan Römer (gespielt von Torben Liebrecht) und seine Kollegin Stefanie „Mütze“ Schneider (Lara Mandoki) recherchieren Jahre in einem ungelösten Mordfall
Die Kölner Journalisten Jan Römer (gespielt von Torben Liebrecht) und seine Kollegin Stefanie „Mütze“ Schneider (Lara Mandoki) recherchieren Jahre in einem ungelösten Mordfall © SAT1 | Frank Dicks
Szene aus „Das Lied der toten Mädchen“ mit Torben Liebrecht und Lara Mandoki
Szene aus „Das Lied der toten Mädchen“ mit Torben Liebrecht und Lara Mandoki © SAT1 | Frank Dicks
Romanautor Linus Geschke (links) und Regisseur Felix Herzogenrath.
Romanautor Linus Geschke (links) und Regisseur Felix Herzogenrath. © wp | Thomas Winterberg
Gedreht wird u. a. in einer Holzhaus-Feriensiedlung in Bromskirchen.
Gedreht wird u. a. in einer Holzhaus-Feriensiedlung in Bromskirchen. © wp | Thomas Winterberg
Impressionen vom Set.
Impressionen vom Set. © wp | Thomas Winterberg
Hier geht’s zum Set.
Hier geht’s zum Set. © wp | Thomas Winterberg
Impressionen vom Set.
Impressionen vom Set. © wp | Thomas Winterberg
Regisseur Felix Herzogenrath bei Arbeit.
Regisseur Felix Herzogenrath bei Arbeit. © wp | Thomas Winterberg
Regisseur Felix Herzogenrath bei Arbeit.
Regisseur Felix Herzogenrath bei Arbeit. © wp | Thomas Winterberg
Der Mann für den guten Ton.
Der Mann für den guten Ton. © wp | Thomas Winterberg
„Uuund Klappe!“
„Uuund Klappe!“ © wp | Thomas Winterberg
Produzentin Eva Tonkel, Autor Linus Geschke und Regisseur Felix Herzogenrath (v.l.)
Produzentin Eva Tonkel, Autor Linus Geschke und Regisseur Felix Herzogenrath (v.l.) © wp | Thomas Winterberg
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„Es ist das erste Mal, das ich sehe, wie ein Roman von mir verfilmt wird. Und ich bin erstaunt, wie aufwändig das ist“, sagt Linus Geschke. Der gebürtige Kölner arbeitet neben seiner Schriftstellertätigkeit als freier Journalist für Spiegel Online und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und hat dafür schon mehrere Preise bekommen. Heute darf er als Statist mitspielen: Mann mit Hund. „Bitte Hund und Darsteller in Kontakt bringen, zwecks Beschnuppern“, steht in der unglaublich detaillierten Tagesdispo für 14.45 Uhr. Na dann…

Darum geht es

„Das Lied der toten Mädchen“ spielt im Sauerland. Am Fuße des Wilzenbergs in Schmallenberg-Grafschaft wird in den 90-er Jahren ein 19-jähriges Mädchen tot aufgefunden, Stich ins Herz, neben ihr eine Spieluhr mit der Melodie eines Schlafliedes. Die Kölner Journalisten Jan Römer (gespielt von Torben Liebrecht) und seine Kollegin Stefanie „Mütze“ Schneider (Lara Mandoki) recherchieren Jahre später in diesem ungelösten Mordfall, um die Wahrheit endlich ans Licht zu bringen.

Und Klappe!
Und Klappe! © wp | Thomas Winterberg

Dass Buch und Film ihren Anfang am Wilzenberg nehmen, ist der Tochter von Tom Astor zu verdanken. „Ich habe Agnetha Bräutigam in Köln kennengelernt und sie hat von ihrer Heimat geschwärmt. Ich habe sie dort besucht und sofort gesagt: das hat was, hier kann man gut jemanden umbringen“, schmunzelt der Autor. Er selbst sei einmal nachts hier im Wald gewesen: „Er verändert sich, wenn es dunkel wird. Das hat etwas Mystisches.“

Kein Regionalkrimi

Geschke legt Wert darauf, dass seine Geschichten keine Regionalkrimis sind. Stattdessen prägt er den Begriff „Crime in nature“, also Verbrechen in der Natur. „Die Fälle spielen dort, wo es sonst nur idyllisch ist. Und in diese Idylle kommen Leute von außen – in diesem und den drei anderen Fällen ist es das Reporterduo aus Köln. Es sind ganz bewusst Journalisten und keine Polizisten.“ Dieses Eindringen in eine andere Sphäre steht auch bei den anderen Geschichten Pate, die nicht mehr im Sauerland, sondern u.a. in der Eifel und in Thüringen spielen.

Für alle vier Romane hat Linus Geschke die Rechte an den Sender abgetreten. Schlägt die 90-minütige Pilotfolge, die voraussichtlich im kommenden Herbst ausgestrahlt wird, beim Publikum ein, geht es weiter. Sollte der TV-Erfolg anhalten, hat der Sender die Rechte an den Figuren und könnte weitere Geschichten entwickeln und in Auftrag geben. Aber nicht mehr bei Linus Geschke: „Ich mag die Figuren und ich bin auch wirklich begeistert, wie treffend sie mit Schauspielern besetzt wurden. Genauso habe ich mir meine Protagonisten vorgestellt.“ Doch nach vier Folgen sei die Geschichte für ihn auserzählt.

Licht und Schatten

„Ruhe bitte, wir drehen! Und Aufnahme!“, ruft Regisseur Herzogenrath. Eine von drei Männern getragene Kamera verfolgt eine Frau, die durch den Wald streift. „Stopp, da kommt ein Motorflugzeug“, ruft der Toningenieur. Und der Dreh hat zwei Minuten Pause, bis der Flieger weg ist. „Nochmal auf Anfang!“, heißt es wenig später. „Klappe!“ Seitlicher Lichteinfall wirft den Schatten der Kameraleute auf den Rücken der Schauspielerin. „Aus, Schatten im Bild!“ Ein weißer Faltreflektor soll den Schattenwurf aufhellen. Erster Versuch. Zu grell. Zweiter Versuch mit einem schwarzen Reflektor. Passt. „Wir drehen nochmal!“

Und hier war das Filmteam unterwegs

Gedreht wurde u.a. in Grafschaft (Am Mühlenteich und Gasthof Vollmers), in Oberkirchen (in den Jagdhütten der Familie Schütte), in Bromskirchen (Feriendorf über dem Sportplatz), in Winterberg (Kirchstraße), in Medelon (Orkestraße), in Remblinghausen (Sägemühle), in Korbach (Altstadt), an den Bruchhauser Steinen und in der Nähe von Kirchhundem (Alpenhaus).

Arbeiten beim Film sind mühsam und langwierig. Aber die gute und herzliche Stimmung bleibt: „Mir ist das sehr wichtig, dass wir hier ein gutes Miteinander pflegen“, sagt die ausführende Produzentin Eva Tonkel, die das erste Mal im Sauerland dreht und begeistert von der Landschaft ist. „Die Drehorte liegen leider weit auseinander. Wenn wir einen Tag in Schmallenberg und danach in Winterberg drehen, ist der Standortwechsel immer eine logistische Herausforderung.“ Sie war es auch, die den Autor als Zeichen der Wertschätzung zum Set eingeladen hat. Und der hat jetzt seinen Auftritt.

Auftritt für Hund „Buddy“

Der Winterberger Wolfgang Cramer hat seinen Hund „Buddy“ zur Verfügung gestellt, doch der muss erstmal die belegten Brötchen aus der Nase bekommen, mit denen sich das Filmteam zwischendurch immer mal wieder stärkt. Aus dem Blockhaus heraus hält die Kamera auf den Waldweg, den Linus Geschke und „Buddy“ beschreiten müssen. Hund und Herrchen hat Jonas Wahle kurzerhand besorgt. Der 27-Jährige ist der Sohn der Winterberger Kinobetreiber-Familie und hatte durch einen facebook-Aufruf von den Dreharbeiten gehört.

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„Ich habe mich als Set-Runner vorgestellt und dann haben sie mich als Assistent des Motiv-Aufnahmeleiters genommen“, sagt Jonas, der in Worms Tourismus und Travelmanagement studiert. Ihm verdanken die Filmleute so manchen Insider-Tipp. Denn gedreht wird nicht nur in Winterberg, sondern auch rund um den Kurort. Außerdem haben sich 120 Statisten beworben; 60 können mitmachen und erste Erfahrungen am Sauerland-Set sammeln.

Ein Hauch von Nebel

Das gilt auch für Linus Geschke und „Buddy“, die gerade ihre Szene abgedreht haben. „Wir waren ein tolles Gespann“, lächelt der Autor, der übrigens nicht das Drehbuch geschrieben hat. „Ich kann Bücher verfassen, aber keine Drehbücher. Das ist wieder etwas ganz anderes. Ich habe das Drehbuch gelesen und es gefällt mir. Ich hänge aber auch nicht so an der Geschichte. Ich habe sie abgetreten und lasse es jemanden machen, der sein Handwerk versteht. Alles andere bedeutet für einen Autor Kampf und Schmerz – und das möchte ich nicht.“

Draußen nur Kännchen

Die Sonne ist untergegangen, es wird dämmrig. „Draußen nur Kännchen“, scherzt der Ton-Ingenieur, der seinen Standort nach innen verlagert. Sein Aufnahmewagen mit Funk-Mikros und Tablet-PC erinnert an einen mobilen Mitropa-Kaffee-Automaten. Die nächste Szene wird mit Blick von draußen in die Hütte gedreht. „Wir brauchen ein 50-Millimeter-Objektiv“, ruft der Kameramann, während aus Bohlen und Rampen eine Bühne für den Kamerastandort gebaut wird.

Klappe, das war’s für die Zaungäste. Aber für die Filmleute ist noch lange kein Ende in Sicht. Die Zeit drängt, bloß kein Schnee, der ist im Drehbuch nicht vorgesehen. Ab 14. November wird noch für ein paar Tage in Köln gedreht. Vielleicht kommt gleich nochmal Nebel auf. Den Regisseur würde es freuen.