Brilon. Im Alfred Delp Haus lernen Kinder die UN-Kinderrechtskonvention kennen. Mit Graffiti-Künstler Henning Marten Feil greifen sie zur Spraydose.
Luca schaut konzentriert nach vorne, den rechten Arm hält er angewinkelt vor sich. In der Hand hält er eine Farb-Spraydose und sein Zeigefinger drückt beherzt auf den Abzugsknopf. Zügig landet die rote Farbe auf der Herzform an der Wand und vorsichtig bewegt der 11-Jährige den Arm, um die Form komplett auszumalen. „Vorsicht jetzt benutzt du zu viel Farbe.
Du darfst nicht so stark mit dem Zeigefinger drücken“ sagt Henning Marten Feil, Graffiti-Künstler aus Brilon, als die rote Farbe langsam beginnt Richtung Süden zu laufen. Was die Kinder im Alfred Delp Haus (ADH) in dieser Woche lernen, ist aber nicht wie sie am besten Brücken verunstalten können. Sie lernen ihre eigenen Rechte kennen.
Das Projekt
Zum 30-jährigen Bestehen der UN-Kinderrechtskonventionen veranstaltet das ADH ein Graffiti-Projekt bei dem die Kleinen zwischen 11 und 15 Jahren den spielerischen Umgang mit der Materie lernen. Gefördert wird das viertägige Programm von der Landesarbeitsgemeinschaft Katholische Offene Kinder und Jugendarbeit NRW. „Wir haben immer viele Kinder hier“, sagt Projektleiterin Kathrin Wicik vom ADH, „daher ist es wichtig, dass wir uns gemeinsam mit dem Thema befassen.“ Daher lernen die fleißigen Helfer zunächst, wofür die Rechte gedacht sind, welche es überhaupt gibt und wann sie entstanden sind.
Graffiti-Projekt im Alfred Delp Haus in Brilon
Sonja erklimmt die kleine Trittleiter an der Wand vorsichtig mit zwei Edding-Stiften in der linken Hand. Ihre lila farbene OP-Maske ist aufgesetzt. Die Stifte legt sie auf der obersten Sprosse ab, bevor sich ihre linke Hand an der Leiter festhält und die rechte nach der blauen Farbe greift. Langsam zeichnet sie eine Linie nach der anderen bis sie ein dreidimensionales Haus gezeichnet hat. Die Linien sind etwas schief, aber das spielt keine Rolle.
„Jedes Kind hat ein Recht auf ein Dach über dem Kopf“, sagt sie. Nur einer von vielen Aspekten, die in insgesamt 54 Artikeln der UN-Konventionen festgeschrieben sind. „Es ist ein Projekt von Kindern für Kindern. Sie sollen selbst bestimmen, wie das Projekt umgesetzt wird. Das ist ein ganz schönes Risiko“, gibt Wicik zu.
Kinder gestalten selbst
Die 15 Teilnehmer haben im Vorfeld überlegt, wie die Graffiti- Wand im ADH aussehen könnte und die „Wall of Rights“, also die Wand der Rechte, die Thematik am besten verdeutlicht. Da Kinder in allen Ländern der Welt anzutreffen sind, bildet ein Globus das Zentrum des Kunstwerkes. Auf ihm malen die Nachwuchs-Künstler unterschiedliche Kinder. Jungen, Mädchen, groß, klein, mit Brille, im Rollstuhl. „Wir sind unterschiedlich, aber dennoch auch gleich, daher sollen Kinder auf jeden Fall auf die Wand“, sagt Jannis. Auch Brilon ist verzeichnet.
Der Künstler
Künstler Henning Marten Feil hat die Leiter von Sonja übernommen. Er bewegt die Hand mit gezielten Bewegungen nach unten und oben, die Stirn ist vor lauter Konzentration leicht in Falten gelegt. Der Blick bleibt auf das Ziel gerichtet, während er mal kurz, mal länger sprüht und die ersten blauen Letter deutlich zu erkennen sind. Blitzschnell ist „Wall of Rights“ in dicken Buchstaben angebracht.
Projekt nimmt an Wettbewerb teil
Mit dem Kleinprojekt möchte sich das Alfred Delp Haus für den Kinder- und Jugendrechte-Preis 2019 bewerben.
Ausgeschrieben wird dieser vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend in Kooperation mit dem Caritasverband für das Erzbistum Paderborn, der Abteilung Jugendpastoral/Jugendarbeit des Erzbischöflichen Generalvikariates Paderborn und dem KjG-Diözesanverband Paderborn.
Die Sieger werden am 7. Dezember beim Kinder- und Jugendrechtetag im Jugendbegegnungszentrum in Arnsberg benannt.
Graffiti-Künstler Feil macht gerne die Straße zu seiner Galerie. Er hat jüngst Werke in den USA vorgestellt und in New York an einem Projekt gearbeitet. Seit zwei Jahren arbeitet er auch mit den zehnten Klassen der Marienschule in Brilon zusammen. „Die haben dann auch die Feinmotorik, um sich an Techniken zu probieren. Für die Kleinen hier im ADH ist das Ausmalen schon genug Herausforderung“, sagt Feil.
Das Endergebnis
Die Kinder greifen der Reihe nach in ihre Hosentaschen, holen ihre Handys hervor und versuchen nach vier Tagen Arbeit das Endergebnis festzuhalten. Sie zwängen sich nebeneinander auf der Suche nach einer geeigneten Position. Sonja und Jannis knien noch vor einer Sprechblase.
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Mit grünem Edding zieht sie Linien nach, die zu dünn erscheinen. Im Anschluss erscheinen die ersten Eltern und Großeltern. Sie bekommen erklärt, was die Kleinen in den vergangenen Tagen gelernt und gemacht haben. „Ich würde zu Ihnen nach Hause kommen und dort Ihre Wand gestalten“, sagt Jannis, während er Appetithäppchen anbietet.
Das Risiko hat sich ausgezahlt. Auch Kathrin Wicik ließ es sich nicht nehmen, zur Spraydose zu greifen. „Ich habe Afrika ausgemalt“, sagt sie mit stolzem Lächeln. „Das ist ein neuer kreativer Zugang für die Kinder und das Thema sollte entsprechend gestaltet werden. Es ist ganz toll geworden.“