Meschede. Die Kosten und der Aufwand für sie sind enorm: 200 Handwerker aus dem Hochsauerlandkreis diskutieren in Meschede über den Abbau von Bürokratie.

Seit einem Jahr machen Handwerker aus dem Hochsauerlandkreis Druck auf die Politik, damit Bürokratie und Vorschriften abgebaut werden. Für eine Zwischenbilanz kamen 200 von ihnen ins Mescheder Kreishaus: Es gibt erste Verbesserungen, aber weiterhin noch vieles, was angepackt muss – und jede Menge neue Beispiele bürokratischen Irrwitzes.

Kosten und Lebenszeit

„Handwerk macht mobil“ - so nennen die Organisatoren um Elektrotechnikermeister Frank Lefarth (Medelon) ihre Initiative. Er sagt kritisch: „Getan hat sich nichts!“ Er ruft Handwerker in anderen Kreisen auf, sich anzuschließen: „Keiner traut sich was zu sagen. Wir müssten einen Flächenbrand erzeugen!“ Kreishandwerksmeister Hans-Josef Berkenkopf (Hallenberg) sagt, Bürokratie sei nicht nur teuer, sondern koste auch Lebenszeit: Die ganze Bürokratie müsse sonntags erledigt werden, sagt er – das mache es auch mit schwierig, Unternehmensnachfolger zu finden.

Letztlich zahlt der Kunde die Zeche

Frank Lefarth ist einer der Haupt-Initiatoren der Aktion: Welches Fazit ziehen Sie nach einem guten Jahr „Handwerk macht mobil“?

Wir haben ein Jahr diskutiert und viele Kontakte geknüpft, jetzt fordern wir so langsam handfeste Ergebnisse von der Politik und werden dabei nicht locker lassen. Unser Ziel ist, das Thema deutschlandweit noch mehr publik zu machen, so dass Berlin nicht mehr an uns vorbei kommt. Es ärgert mich, dass sich einige heimische Politiker kaum sehen lassen. Positiv hervorheben möchte ich Dirk Wiese, der sich sehr für uns einsetzt.

Wie kann man die zunehmende Bürokratie im Handwerk auf den Punkt bringen?

Es wird viel über den Bürokratieabbau diskutiert, aber an der Basis kommt bei uns im Handwerk nichts an. Früher zählte ein Handschlag, bei einem Großteil unserer Kunden und Partner wäre das auch immer noch so. Aber durch die heutige Vollkasko-Mentalität einiger weniger muss alles doppelt und dreifach dokumentiert werden. Wir Handwerker können es uns doch gar nicht erlauben, unser Wort nicht zu halten, dann sind wir hier auf dem Land zu Recht weg vom Fenster.

Was macht dabei den Alltag für Sie so kompliziert?

Wir haben Angst, dass wir uns alleine durch Formfehler in den Dokumenten schon angreifbar machen. Es ist ja nicht so, dass wir die Vorschriften und Auflagen nicht erfüllen wollen. Viele Dinge sind jedoch nicht nur zeitraubend, sondern auch sehr schwammig formuliert. Uns fehlt ein verlässlicher Leitfaden, der uns verbindlich vorgegeben wird. Denn niemand kann uns genau sagen, wie wir manche Anforderungen erfüllen sollen, zudem werden sie je nach Sachbearbeiter unterschiedlich ausgelegt. Letztlich zahlt der Kunde der Zeche für den Bürokratiewahnsinn, denn wir müssen den Aufwand dafür auf die Preise umlegen.

Spielräume nutzen

Landrat Dr. Karl Schneider unterstützt die Initiative der Handwerker. Er weiß aber: Es braucht seine Zeit. „Bürokratische Ungetüme lassen sich nicht von heute auf morgen vertreiben.“ Er rät Behörden dazu, Ermessensspielräume bei der Auslegung von Vorschriften zu nutzen – und sagt das auch für seine eigene Kreisverwaltung zu: „Wir sind gerne zu Gesprächen bereit.“ Der SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk Wiese unterstützt das: Manche Behörden würden Gesetze restriktiver auslegen als andere – „das ist durchaus im HSK auch ein Problem.“ Landrat Schneider bekennt sich zum Klimaschutz, warnt aber davor, „dafür noch neue Bürokratie aufzubauen“.

Erste Erfolge in Berlin

Die Bundestagsabgeordneten Wiese und Patrick Sensburg (CDU) berichten über erste Erfolge: Vor Abmahnungen werde es einen besseren Schutz geben, die Meisterpflicht wird wieder eingeführt. Patrick Sensburg erklärt aber auch, warum es so schlimm geworden sei in Deutschland mit der Bürokratie: „Wir wollen für alles eine Regelung haben. Keiner will haften.“ Aus der Bundestags-Opposition meint Carlo Cronenberg (FDP): Man solle im Sauerland „einen Bürokratiestreik oder Bürokratienotstand ausrufen“ – ähnlich dem Klimanotstand.

Das schwierige Europa

„Wir haben ein bisschen was erreicht“, berichtete der CDU-Abgeordnete Peter Liese aus Europa. Er sagt aber auch: Im Europawahlkampf habe seine Partei die Abschaffung von Vorschriften in den Mittelpunkt gestellt – aber „das bewegt die Leute nicht“. Für Handwerker werde es Ausnahmen bei der digitalen „Tachographenpflicht“ der EU geben: Die gilt künftig nur für Fahrzeuge beim grenzüberschreitenden Warenverkehr. Er fordert, bei der nächsten Bilanz 2020 auch die Grünen einzuladen: Die würden noch mehr an Regelungen fordern.

Der Datenschutz

Aus der Versammlung kommt die Forderung, den Datenschutz komplett abzuschaffen – weil eine Friseurin von ihren Models Unterschriften einholen muss, dass ihre Frisuren bei Facebook veröffentlicht werden dürfen. Patrick Sensburg findet das aber „völlig richtig“: „Ich glaube nicht, dass jeder möchte, dass sein Gesicht oder seine Frisur im Internet veröffentlicht wird.“

Die Buchführung

Steuerberater Kay Stiefermann (Neheim) nennt die Dokumentationen, um die „Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung“ bei Betriebsprüfungen nachzuweisen, einen „wahnsinnigen Formalismus“ und „eine Krake, die unberechenbar ist“: Denn dafür gebe es gar keine Anwendungsregelungen der Finanzämter. Der Abgeordnete Dirk Wiese kennt das Problem – und ist wieder beim Ermessensspielraum: „Es gibt sehr engagierte Finanzämter – und es gibt sehr, sehr engagierte Finanzämter.“ Er rät Handwerkern: Einfach die Sprechstunden der Finanzämter zu nutzen.

Die Protokolle

Bäckermeister Gerhard Frankenstein (Medelon) kann den Bürokratieaufwand für sich exakt in Euro beziffern: Umgerechnet 35.380 Euro im Jahr allein dafür, dass er ständig Protokolle der Kühlungen und Aufzeichnungen über Reinigungsarbeiten anlegen muss. Und wenn die Gewerbeaufsicht komme, dann sei die Dokumentation entscheidend, nicht der Zustand eines Betriebes: „Die Bude kann aussehen wie hulle – aber wenn ich alle Formblätter in Ordnung habe, kriege ich eine Eins!“

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Die Verträge

Tischlermeister Heinz Pütz (Bestwig) sollte bei einer Steuerprüfung jetzt Anstellungsverträge vorlegen – für seine ehrenamtlichen Tätigkeiten, die er seit 35 Jahren ausübt: „Seit wann bekomme ich von der Handwerkskammer oder der Innung einen Vertrag, wenn ich gewählt werde? Weiß man eigentlich, was Ehrenamt ist?“

Die Dokumentationen

Das Handwerk fordert die Abschaffung der lästigen Dokumentation des Mindestlohnes. Elektrotechniker Frank Lefarth sagt mit Blick auf den Fachkräftemangel: „Wir können es uns gar erlauben, unter Tarif zu zahlen.“ Weniger Dokumentation wird es aber nicht geben, zeigt sich am Podium. Patrick Sensburg ist dafür, Dirk Wiese dagegen. Er sagt: „Das Thema ist in dieser Konstellation in Berlin nicht zu machen.“

Die Statistiken

Als „Treppenwitz des Jahrhunderts“ bezeichnete Andreas Cloer (Gebro Herwig Haustechnik in Arnsberg) eine Meldung, die man laut Umweltstatistikgesetz an das Statistische Landesamt abgeben müsse: Unter anderem, ob man bestimmte Kältemittel importiert oder exportiert habe – dabei sei der Export seit 2014 verboten: „Welcher Idiot schreibt da Ja hinein?“ Patrick Sensburg sagte: Sinnvoll sei es, nur Meldungen abgeben zu müssen, die tatsächlich einen Mehrwert erzeugten. Die Abgeordneten forderten ein, besser über solche Auswüchse informiert zu werden: „Manche Dinge, die Sie ausfüllen müssen, kriegen wir gar nicht mit“, sagte Dirk Wiese.