Brilon. Ein Bonner Bundes-Forschungsinstitut trifft eine bemerkenswerte Prognose für Medebach. Wir vergleichen alte und aktuelle Vorhersagen.
Medebach ist kreisweit die einzigen Kommune, für die das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung in Bonn eine Wachstums-Tendenz vorhersagt. In die gleiche Richtung geht auch die jüngste Prognose von IT.NRW, dem Statistischen Landesamt Information und Technik. Das korrigierte seine gerade einmal zehn Jahre alte Vorhersage ganz erheblich. Sagten die Statistiker für Medebach für das Jahr 2030 eine Einwohnerzahl von nur noch 6840 voraus, so gehen sie jetzt von 8055 Einwohnern aus - eine Differenz von rund 18 Prozent. Tatsächlich hat Medebach auch diese Marke schon zum Jahreswechsel ge- und nach der verwaltungsinternen Fortschreibung mit 8111 Einwohnern sogar noch deutlich übertroffen. „Die Unterschiedlichkeit der Prognosen ist wirklich bemerkenswert“, findet deshalb auch Bürgermeister Thomas Grosche. Das zeige jedoch, dass derartige Voraussagen „immer mit einer gewissen Unsicherheit belegt“ sind.
Die Statistiker in Düsseldorf erheben selbst „keinen Anspruch darauf, dass unsere Voraussagen todsicher eintreten“, so Leo Krüll von IT.NRW auf Anfrage der WP. Krüll: „Das sind nur Modellrechnungen.“ Allerdings könnten zum Beispiel die Politik diese Daten als „Anregungen nehmen, bestimmten Entwicklungen entgegen zu wirken“. Oder sich selbst auf die Schulter zu klopfen.
Anders als manch anderer seiner Amtskollegen im Hochsauerland kann Thomas Grosche „mit Fakten arbeiten, die auch für uns als attraktive Stadt sprechen“. In der kommunalen Politik mit ihren Gestaltungsmöglichkeiten komme es darauf an, „mit den dynamischen Entwicklungen klug umzugehen und vorausschauend zu agieren.“
Gegensätzliche Entwicklung in der Kernstadt und in den Dörfern
So sei es zum Beispiel selbst in der relativ kleinen Stadt wie Medebach „notwendig, zwischen einzelnen Gebieten zu unterscheiden“. In der Kernstadt etwa nehme die Bevölkerung stark zu, während die Ortschaften weiterhin schrumpfen. Grosche: „Das bedeutet dann eben auch unterschiedliche Handlungsnotwendigkeiten für die Kommunalpolitik.“ In der Kernstadt zum Beispiel gebe es eine hohe Nachfrage nach Bauplätzen. Die städtischen sind mittlerweile alle weg. „Um die positive Entwicklung fortzuführen“, so Thomas Grosche, sollen neue Baugebiete erschlossen werden, denn: „Wir brauchen weiterhin bezahlbares Bauland in kommunaler Hand.“ In den schwächelnden Ortschaften dagegen stellt der Erhalt der kommunalen Infrastruktur die Politik vor Herausforderungen. Aktuelles Beispiel: der angestrebte Erhalt der Grundschule Oberschledorn.
Bemerkenswerter Unterschied auch in Marsberg
Bemerkenswerte Korrekturen nehmen die Statistiker auch für Olsberg und Marsberg vor. Waren vor zehn Jahren für das Jahr 2030 für Olsberg nur noch 13.030 Einwohner vorhergesagt, so geht IT.NRW nun von 13.834 Einwohnern aus. Noch stärker der Unterschied in Marsberg: Aus den vor zehn Jahren für 2030 errechneten 17.290 Einwohnern werden es laut aktuellem Trend jetzt 18.227. Wie Thomas Grosche bewertet auch Marsbergs Bürgermeister Klaus Hülsenbeck die demografischen Voraussagen mit Vorsicht: Man könne daraus zwar Trends ableiten, aber „jede Kommune muss das Ganze individualisieren“. In der Stadt an der Diemel sei die Politik dabei, die „weichen Standortfaktoren aufzuwerten“. Noch engt der kommunale Stärkungspakt den Handlungsspielraum der einstmals so hoch verschuldeten Stadt ein, doch bereits angelaufen, so Hülsenbeck, seien „die Planungen für die Zeit danach“.
Zahl der Alten nimmt zu - nur nicht in Winterberg
Was laut IT.NRW bis 2040 extrem stark zunehmen wird, ist die Zahl alter Menschen.
Lebten laut IT.NRW in 2018 zum Beispiel 1719 Menschen über 80 Jahre in Brilon, so werden das in 2030 dann 1908 und in 2040 bereits 2717 sein - ein Zuwachs von 58,1 Prozent.
Den größten prozentualen Zuwachs, nämlich um 76,6 Prozent, wird Medebach haben: von 534 über 80-Jährigen im vergangenen Jahr über 662 im Jahr 2030 hin zu 943 Personen.
Völlig anders dagegen Winterberg: dort sinkt der Anteil der über 80-Jährigen von derzeit 880 über 691 im Jahr 2030 auf 656 Personen im Jahr 2040.
Aus Bundesfördermitteln hat die Stadt 3,5 Millionen Euro für die neue Stadtbücherei, die Aufwertung des Hallenbades und Sportanlagen erhalten, Innenstadt, Schulen und Kindergärten - O-Ton Hülsenbeck - „werden auf Vordermann gebracht“. Weit über 100 Vorschläge seien im Rahmen des IKEK-Programms aus der Bevölkerung gemacht worden. Das „Integrierte Kommunale Entwicklungskonzept“soll die Lebensqualität in der Stadt und den Ortschaften stärken. Die Umsetzung, so Hülsenbeck, erfolge „in Abhängigkeit von den finanziellen Möglichkeiten“. Und was bei der kommunalen Entwicklung in Marsberg derzeit oberste Priorität hat, ist die Erweiterung von Industrie- und Gewerbeflächen. Die Planungen haben bereits begonnen. Hülsenbeck: „Über die gut laufende Vermarktung von Gewerbeflächen entstehen gute Ausbildungs- und Arbeitsplätze.“ Die wiederum generieren - hoffentlich - Zuzüge und damit auch eine Kaufkraftsteigerung vor Ort.
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Geburten- und Todesraten, Zu- und Fortzüge und mittelfristig nicht vorhersehbare Ereignisse wie die große Flüchtlingsbewegung der vergangenen Jahre schlagen sich in den Statistiken nieder. Für Medebachs Bürgermeister Thomas Grosche gibt es vier zentrale Gründe für die positive Entwicklung der alten Hansestadt: Gute Arbeitsplätze mit einem gesunden Branchenmix, günstige Baulandpreise und bezahlbare Mieten, die Lebens- und Wohnqualität und die gelungene Integration von Neubürgern.