Brilon. Der Moskauer Circus gastiert in Brilon. Präsentiert werden auch Tiger. Tierlehrer Robano Kübler erklärt, warum er das für unproblematisch hält.

Für Robano Kübler ist der Zirkus von Kindesbeinen an sein Zuhause. Zurzeit ist er gemeinsam mit seiner Frau und drei Kindern mit dem Moskauer Circus auf Tour, der vom 8. bis 11. August in Brilon am Ostring gastiert.

Als ausgebildeter Tierlehrer mit einer Zusatzqualifikation für Raubtiere ist Robano Kübler im Zirkus zuständig für das Tierwohl. Außerdem ist er für die Ausbildung und Vorführungen der Hunde und Großkatzen verantwortlich, denn der Moskauer Circus hat unter anderem auch sechs sibirische Tiger. Wir haben mit ihm gesprochen.

Robano Kübler ist ausgebildeter Tierlehrer. Beim Moskauer Circus ist er für das Tierwohl zuständig.
Robano Kübler ist ausgebildeter Tierlehrer. Beim Moskauer Circus ist er für das Tierwohl zuständig. © Jutta Klute/WP

Ursprünglich wild lebende Tiere in der Manege - das sorgt immer wieder für heftige Kritik von Tierschützern und ist in einigen europäischen Staaten inzwischen verboten. Wie lässt sich aus Ihrer Sicht die Haltung sibirischer Tiger mit dem Tierschutz vereinbaren?

Unsere Tiger leben bereits in der neunten Generationen im Zirkus. Das sind keine Wildtiere mehr. Sie sind alle im Zirkus geboren und haben zwar noch die Instinkte von Wildtieren, aber ein ganz anderes Verhalten. Ein Auswildern wäre gar nicht möglich. Dafür sind sie schon zu sehr an den Menschen gewöhnt. Außerdem gibt es für diese Tiere zum Beispiel aufgrund von Abholzungen, Bauprojekten und Umweltzerstörung gar keine freie Wildbahn mehr. Hier bei uns ist es für die Tiere wie im Zoo. Wir bauen für die Tiger Außengehege, die rund 500 Quadratmeter groß sind. Außerdem wird an jedem Ort eine Kontrolle durch das Veterinäramt durchgeführt, bei der das Tierwohl kontrolliert wird.

Marissa und Madison Tonitos präsentieren eine Fuß-Jonglage. Außerdem sind sie bekannt für ihre atemberaubende Trampolin- und Drahtseil-Akrobatik.
Marissa und Madison Tonitos präsentieren eine Fuß-Jonglage. Außerdem sind sie bekannt für ihre atemberaubende Trampolin- und Drahtseil-Akrobatik. © Jutta Klute/WP

Aber bedeuten nicht gerade die ständigen Transporte extremen Stress für die Tiere?

Es gibt eine Studie der Uni Münster, die zeigt, dass die Stressfaktoren für die Tiere beim Transport nicht größer sind als wenn sie irgendwo stehen. Die Tiere sind von klein auf an die Transportwagen gewöhnt - so wie wir Menschen, die mit einem Zirkus reisen, an das Leben im Wohnwagen gewöhnt sind.

Apropos Wohnwagen: Ständig unterwegs, in recht beengten Wohnverhältnissen. Was ist für Sie das Besondere am Zirkus-Leben?

Ich lebe von klein auf im Zirkus. Auch meine Frau kommt aus einer Schausteller-Familie. Das Zirkusleben ist für mich genau das, was ich möchte - auch wenn es viel Arbeit bedeutet, denn die Tiere müssen rund um die Uhr versorgt werden und reich wird man dabei auch nicht. Dafür habe ich aber immer meine ganze Familie dabei, ich kann mit Tieren arbeiten und lerne immer neue Menschen und Städte kennen. Ich möchte kein anderes Leben haben.

Wie ist die Situation heutzutage für einen Zirkus. Ist es für Sie schwieriger geworden?

Ja, das kann man sagen. Es gibt heute überall sehr viele Veranstaltungen von der Kirmes über Stadt- und Schützenfeste bis hin zu Straßentheatern und Konzerten. Da muss man gucken, dass man trotzdem noch genug Publikum anspricht. Viel schwieriger geworden ist es für uns auch, geeignete Plätze zu finden. Inzwischen planen wir schon zwei Jahre im Voraus. Das war früher einfacher und kurzfristiger möglich. Als einer der größten deutschen Zirkusse brauchen wir rund 5000 Quadratmeter Platz. Wir haben insgesamt über 50 Tiere und sind mehr als 60 Personen. Allein für unser großes Zelt, das Platz für 1200 Zuschauer bietet, brauchen wir viel Platz - und natürlich auch für die Tiergehege.

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Was muss man denn den Zuschauern bieten, um sie in Zeiten von Multimedia und so vieler Events noch in den Zirkus zu locken?

Man muss Höchstleistungs-Artisten haben. Das, was heutzutage an Akrobatik geboten wird, muss schon sehr extrem sein. Bei uns sind wirklich Top-Akrobaten mit dabei, unter ihnen auch Preisträger des bekannten Monte-Carlo-Festivals. Die Tonitos-Familie zum Beispiel präsentiert eine unglaubliche Drahtseil-Akrobatik mit Saltos und Sprüngen durch Feuerreifen. Wohlbemerkt: Alles auf dem Drahtseil! Ein absolutes Highlight ist zum Beispiel auch Leo Navas, der kopfüber an der Zirkus-Decke entlang läuft. Das muss man wirklich mal selbst gesehen haben. Lassen Sie sich überraschen!

Tierschutz im Zirkus

Der Moskauer Circus gibt zum ersten Mal ein Gastspiel in Brilon. Insgesamt reisen mehr als 50 Tiere mit, darunter auch Kamele, Dromedare, Großpferde, Miniaturponys, Hund, Ziegen, Großpferde sowie sechs Tiger, die alle in dem Zirkus selbst geboren wurden. Um den Tierschutz vor Ort sicher zu stellen, erfolgt an den einzelnen Auftritts-Orten eine Kontrolle bzw. Überwachung durch das Veterinäramt. Auf unsere Nachfrage erklärte das für den HSK zuständige Veterinäramt, dass die Unterlagen der Nachbarkreise, in denen der Circus bereits gastiert hat, dem Moskauer Circus eine einwandfreie Tierhaltung bescheinigen.

Vor dem ersten Gastspiel werde sich das HSK-Veterinäramt auch selbst vor Ort in Brilon noch ein Bild machen, so Pressesprecher Jürgen Uhl. Dabei werde beispielsweise darauf geachtet, ob es Bademöglichkeiten und ausreichend große Gehege für die Tiger gebe, um ihrem Bewegungsdrang gerecht zu werden. Weitere Aspekte seien z.B., ob es ausreichende Beschattung und Beschäftigungsmöglichkeiten gebe. Denn, so heißt es in den Leitlinien zur Tigerhaltung: „Eine reizarme Umwelt führt zu Verhaltensstörungen.“

Leitlinien

Grundlage für die Haltung von Zirkustieren sind die Leitlinien des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Neben den allgemeinen Grundsätzen für die Tierhaltung, sind darin zusätzliche Anforderungen für die Haltung von Zirkustieren für einzelne Tierarten festgeschrieben.

Immer wieder kritisiert wird die Haltung von Wildtieren in Zirkusbetrieben durch verschiedene Tierschutzorganisationen. Der Deutsche Tierschutzbund beispielsweise kritisiert: „Wildtiere gehören nicht in die Zirkusmanege, denn sie stellen besonders hoche Ansprüche an ihre Haltung und Unterbringung.“ Verwiesen wird darauf, dass bereits mehrere EU-Staaten das Mitführen bestimmter Wildtierarten in Zirkussen inzwischen verboten haben.

Politische Diskussion

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft argumentiert, einem Verbot der Wildtierhaltung in Zirkussen seien verfassungsrechtlich hohe Hürden gesetzt, denn es würde einen Eingriff in Grundrechte der Berufs- und Eigentumsfreiheit darstellen, die im Grundgesetz verankert sind. Politisch gab es in der Vergangenheit immer wieder Vorstöße, Wildtiere in Zirkussen zu verbieten.

Der Bundesrat hat 2016 eine Entschließung zum Verbot der Haltung bestimmter wild lebender Tierarten im Zirkus verabschiedet. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, zeitnah eine Rechtsverordnung vorzulegen, die das Halten von Tieren bestimmter wild lebender Arten in Betrieben, die abwechselnden Orten diese Tiere zur Schau stellen, verbietet. Das Verbot soll insbesondere für Affen (nicht-menschliche Primaten), Elefanten, Großbären, Giraffen,Nashörner und Flusspferde gelten.

Einige Städte und Gemeinden haben inzwischen beschlossen, Zirkusbetriebe mit bestimmten Wildtierarten nicht mehr auf kommunalen Flächen zuzulassen.