Brilon. Bis zum 30. Juli ist Michael Stratmann noch Schulleiter der Marienschule Brilon, am 9. Juli wird er offiziell verabschiedet. Er zieht Resümee.

Er hat in seiner Zeit insgesamt rund 3500 Schülerinnen und Schüler kommen und gehen sehen. Aber er hat sie wohl auch alle kennen gelernt, denn Michael Stratmann ist ein Schulleiter, der ganz nah an ihnen dran sein möchte. Ende Juli ist allerdings Schluss, dann geht er nach 28 Jahren als Chef der Marienschule in den Ruhestand und übergibt an Jürgen Mehler. Seinen offiziellen Ausstand feiert er am 9. Juli, ab 19 Uhr sind auch ehemalige Schülerinnen und Schüler auf den Schulhof eingeladen. Für die Westfalenpost zieht Stratmann ein Resümee nach fast 40 Jahren Schuldienst.

Herr Stratmann, was war das Skurrilste, das Ihnen in Ihrer Schullaufbahn passiert ist?

Michael Stratmann Das war noch an der Walburga-Realschule in Meschede, wo ich zehn Jahre als Lehrer gearbeitet habe. Dort haben mir 36 Schülerinnen ein Schaf geschenkt. Ja, und dann stand ich in der Aula mit dem Schaf. Kollegen haben mir geholfen, es ins Auto zu tragen, irgendwie habe ich es im Kofferraum mit nach Hause transportiert. Aber dann, ein halbes Jahr später, waren die Schüler noch mal gefragt. „Ihr wollt doch kleine Schäfchen, oder?“, habe ich sie gefragt. Ja, und dann mussten sie es halt zum Bock bringen, mit meiner Hilfe. Das Schaf war in ganz Velmede bekannt, es war handzahm, hatte ein braunes Halsband und lief immer hinter mir her. Zum Glück habe ich viel Platz im Garten zu Hause.

Weil Ihre Schüler auch alle irgendwie Ihre Schäfchen sind, möchten Sie sich darum ausdrücklich von allen verabschieden?

Michael Stratmann in seinem Büro, dieser Kalender mit schönen Zeilen aus einem christlichen Verlag gehörte für den Religionslehrer immer als Wegbegleiter dazu.
Michael Stratmann in seinem Büro, dieser Kalender mit schönen Zeilen aus einem christlichen Verlag gehörte für den Religionslehrer immer als Wegbegleiter dazu. © Westfalenpost | Sonja Funke

Ja, so ist es schon ein bisschen. Es war mein zweites Zuhause hier. Wenn man 28 Jahre hier als Schulleiter unterwegs ist, möchte man nach so einer langen Zeit nicht sang- und klanglos rausgehen. Ich find’s persönlicher so und möchte allen, die mir noch mal Tschüss sagen möchten, nach so einer langen Zeit die Gelegenheit dazu geben. Manche haben dadurch auch die Möglichkeit, noch mal durch die Räumlichkeiten zu gehen!

Fällt der Abschied schwer?

Seit einer Woche fällt er mir schwer, ja. Bis vor ein paar Tagen, da wusste es nur der Kopf, dass ich gehe, aber seit dieser Woche, mit jedem Stück Planung mehr, weiß es auch der Bauch, das Gefühl. Ich habe ja die beiden Fächer Mathematik und Theologie studiert, das sagt auch etwas über mich aus. Auf der einen Seite bin ich der rationale, vorausschauend planende, auf der anderen Seite, der emotionale, empathische Mensch. Ich merke, jetzt wird es ernst, auch wenn ich selbstverständlich gerne noch mal vorbeikomme, wenn noch Fragen sind oder eine Einladung kommt.

Sind und waren Sie ein strenger Lehrer?

Ich glaube schon, dass ich mich als Lehrer gut auf die Situation im Unterricht einstellen kann. Ich kann relativ schnell umschalten von Spaß auf sachlich, das hat manches Mal den Schülern zu schaffen gemacht. Aber ich bin in erster Linie Lehrer, um den Kindern etwas zu vermitteln. Wenn ich es dann noch geschafft habe, Freude am Fach Mathematik zu vermitteln, dann ist das gut. Gerade in der Sekundarstufe 1 wird man auch persönlich als Erzieher gefordert. Das wollte ich bewusst immer auch sein. Ganz wichtig war es mir dabei: Die Kinder sollen mich respektieren, aber keine Angst vor mir haben. Und zum Heute: Irgendwie bin ich im Alter nicht mehr so konsequent und streng, wie ich es früher mal war.

Ihre Maxime für sich als Schulleiter?

Man darf sich persönlich nicht so wichtig nehmen, und das gilt übrigens auch für manche Probleme. Aber Achtung, da muss man gut differenzieren. Wenn Kinder richtig leiden, lasse ich auch alles liegen und stehen, bei anderen aber sage ich auch, nehmt die Sache nicht so wichtig, sie ist morgen wieder weg. Eine gewisse Gelassenheit gehört, glaube ich schon, zu mir. Ich habe gelernt, was lasse ich an mich ran und was nicht. Wirkliche Sorgenkinder finden meine Unterstützung jederzeit. Das mache ich dann zur Chefsache. Wichtig war mir immer, dass wir Lehrer Dienstleister an allen Eltern und Kindern sind. Da möchte ich wertschätzen und nicht werten. In den Familien gibt es sehr unterschiedliche Bedingungen, die durch die finanzielle Situation, die Sprachkenntnisse und die Bildung der Eltern, die Berufstätigkeit und das soziale Miteinander herrühren. Das darf aber nicht dazu führen, dass die Kinder in der Schule unterschiedliche Bildungschancen haben.

Michael Stratmann verlässt nach 28 Jahren als Schulleiter die Marienschule. Sein Foto wird in einer Reihe mit den ehemaligen Schulleiterinnen, zuletzt Schwester Bonaventura (den Rahmen mit ihrem Porträt hält er in der Hand), hängen. 
Michael Stratmann verlässt nach 28 Jahren als Schulleiter die Marienschule. Sein Foto wird in einer Reihe mit den ehemaligen Schulleiterinnen, zuletzt Schwester Bonaventura (den Rahmen mit ihrem Porträt hält er in der Hand), hängen.  © Westfalenpost | Sonja Funke

Wie sollten Eltern mit ihren Kindern umgehen?

Die Frage stellen Eltern öfter ,und ich sage dann immer: Gute Erziehung heißt, ihr müsst eure Kinder wertschätzen und euch viel Zeit für sie nehmen, um zu schauen, was machen sie und wo sind sie zum Beispiel im Internet unterwegs. Das Allerwichtigste und auch Schwierigste in der Erziehung ist es aber ständig entscheiden zu müssen. Und wenn Entscheidungen getroffen werden, müsst ihr wissen, wann ihr Ja und wann ihr Nein sagt!

Gab’s besonders schöne Momente?

Das tägliche Geschäft brachte immer wieder schöne Momente. Besondere Erlebnisse waren die Schulfahrten mit allen Schülern und Lehrern, etwa die Fahrt mit dem Sonderzug nach Erfurt und Weimar im Jahr 1998 und dann 2013 noch einmal mit dem Bus nach Köln und Bonn. Das waren stets rund 650 Personen! Gerne wäre ich auch mit der gesamten Schule noch nach Rom gefahren, aber das hat nicht geklappt.

Hat die Form als katholische Schule auch eingeengt?

Mich nicht, da der christliche Glaube ja auch meine persönliche Überzeugung ist. Dass ich hier Schulleiter war, hat mir letztendlich Möglichkeiten gegeben, Werte zu vermitteln, die mir „wertvoll“ sind. Dabei muss der Mensch im Mittelpunkt stehen, alles andere ist drumherum. Da war es mir auch wichtig, Schülern eine Chance zu geben, auch wenn die Eignung nicht perfekt war. Dies betraf insbesondere Familien, die ihre Heimat verlassen mussten.

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Abschließend kann ich sagen, dass ich hier eine wunderschöne Zeit hatte und dass ich der Marienschule wünsche, dass sie noch möglichst lange bestehen bleibt und sich viele Schülergenerationen für diese Schule entscheiden mögen!